Wölfersheimer See: Biber haben sich am Überlauf eines aus dem Tagebau stammenden großen Gewässers in der Wetterau eingerichtet. Doch ihre Bauten überfordern mittlerweile nicht nur teure Technik. Abhilfe muss her.
Eike See weiß: Wer die Bauwerke des Bewohners im weitläufigen Gelände am südöstlichen Ufer des Wölfersheimer Sees sehen möchte, sollte sich wappnen. Vor zwei Jahren hätten Straßenschuhe dort für einen Besuch im Grünen ausgereicht, doch mittlerweile ziemen sich Gummistiefel an den Füßen. Denn am Überlauf des Sees leistet der Biber ganze Arbeit: Bänke stehen im Wasser, und bekannte Feuerstellen sucht der Gast vergebens.
Gefühlt steigt das Wasser bei jedem Spaziergang um den Wölfersheimer See etwas mehr, heißt es bei der Gemeindeverwaltung. Bürgermeister See (SPD) hat sich während eines Ortstermins selbst ein Bild von dem Baufortschritt des fleißigen Nagers gemacht. Sein Eindruck: Die Ecke sieht schön aus und dient dem Biber. Einerseits. Aber dessen Wirken hat auch eine andere Seite: "Leider steht das Wasser schon so hoch, dass langfristige Schäden zu befürchten sind", stellt See fest. Stört der Biber mit seinen zum Teil anderthalb Meter hohen Dämmen doch die Wiederbelebung des aus den Zeiten des Braunkohleabbaus stammenden Gewässers.
Wer den See nicht kennt, der verkennt dessen Charakter. Als Tagebaurest entstand er durch Menschen und schwere Maschinen. Bagger sorgten auf einer Fläche von 38 Hektar für ein breites und tiefes Loch. Es füllte sich nach und nach mit Wasser. Das Gewässer diente als Abkühlbecken für ein nahes Kraftwerk, das längst der Vergangenheit angehört. Zu jener Zeit überlebten von Aquariumbesitzern ausgesetzte Guppys, Buntbarsche und exotische Schildkröten im unnatürlich warmen Wasser und vermehrten sich. Vor 33 Jahren wurde das Kraftwerk stillgelegt – dadurch kühlte sich der See ab, die exotischen Tiere verendeten, und ihre Arten verschwanden wieder.
Unterirdische Kompostierungsanlage bildet giftiges Gemisch
Indem das Kraftwerk das Wasser über Jahre ansaugte, wälzte der Betrieb es gleichzeitig um. Dies war für den See und das Leben darin vorteilhaft gewesen. Denn das Gewässer verfügt zwar über den Überlauf im Südosten, jedoch über keinen Ablauf. Weil aber im Jahresverlauf die Gemeinde regelmäßig ihre geklärten Abwässer und damit Nährstoffe in den See eingeleitet hat und allerlei Grün wie etwa Blätter von Bäumen hinzukam, hat sich am Boden eine Art unterirdische Kompostierungsanlage gebildet. Die Folge: Am Grund zersetzen nicht auf Sauerstoff angewiesene Pilze und Bakterien die Biomasse. Dadurch entsteht neben Schwefelwasserstoff auch Ammonium. Sie bilden ein giftiges Gemisch, wie Ingo Kramer sagt.
Der Gewässerökologe überwacht im Auftrag der Gemeinde die Güte des Seewassers und die Bemühungen, das von einer Wassertiefe von drei Metern an mehr oder weniger tote Gewässer künstlich mit Sauerstoff aus der Luft anzureichern und wiederzubeleben. Zu diesem Zweck setzt Wölfersheim zwei 400.000 Euro teure Geräte ein, die wie übergroße schlanke Bojen mit einem mächtigen Kopf wirken. Kräne haben sie an den beiden tiefsten Stellen des Gewässers mit Bodenkontakt eingelassen, wo sie das vergiftete Wasser ansaugen und nach oben in ihren Kopf pumpen. Dort wird es belüftet und danach in halber Höhe des Sees wieder abgelassen.
Das ging monatelang gut, das Wasser bekam mehr Sauerstoff, wie Kramer messen konnte. Nun aber stört der vom Biber beeinflusste Wasserstand diese Arbeit. Die Geräte schwimmen durch den höheren Wasserstand auf und verlieren den Kontakt zu der giftigen Schicht. Denn: "Der Hubzylinder kann die zusätzliche Tiefe nicht mehr ausgleichen, was die Effizienz der Belüftung beeinträchtigt", äußert die Gemeinde.
Damm soll "Bibertäuscher" bekommen
Angesichts dessen muss Wölfersheim etwas unternehmen. "Wir wollen den Biber nicht vertreiben, aber wir müssen Wege finden, im Einklang mit ihm zu leben, um Schäden an unserer Infrastruktur zu vermeiden", hebt Eike See hervor. Er hat sich gemeinsam mit Vertretern der Unteren Naturschutzbehörde, dem Biber-Manager des Darmstädter Regierungspräsidiums sowie Beschäftigten seiner Verwaltung und der Nachbarkommune Echzell die Lage in der Nähe des Biedrichsgrabens angesehen. Vor einigen Jahren noch ein plätscherndes Bächlein, stellt es sich nun als Wasserlandschaft dar. Das soll bald ein Stück weit anders werden.
Die aus dem Ortstermin entstandene Idee sieht wie folgt aus: In den Damm soll ein "Bibertäuscher" eingebaut werden. Dabei handele es sich um ein langes Rohr, das durch den Damm gelegt werde. Dadurch solle aufgestautes Wasser kontrolliert abgesenkt werden. Darüber hinaus ist von einem Bypass die Rede, der dauerhaft frei gehalten werde. Mit den Arbeiten will die Gemeinde bald beginnen, wie es im Rathaus heißt. Deren Erfolg wird sie demnach an einem Messpunkt regelmäßig überprüfen. In der Hoffnung, dass der Biber sich nicht gestört fühlt und den Damm nicht erhöht. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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