Mainzer Doppel-Museum: Da die alten Ausstellungsräume des Gutenberg-Museums Mainz abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden sollen, musste das Weltmuseum der Druckkunst umziehen.
Wie Johannes Gutenberg tatsächlich ausgesehen haben mag, können sie selbst im Weltmuseum der Druckkunst nicht mit Gewissheit sagen. Auch wenn es mittlerweile unzählige Statuen, Denkmäler und auch viele Drucke gibt, die den im 15. Jahrhundert von Mainz aus die Medienwelt revolutionierenden Patriziersohn zeigen sollen: fast immer mit Bart und Mütze und ganz so, wie man sich einen gestandenen Buchdrucker vorstellt, der wirtschaftlich betrachtet zwar nur mäßig erfolgreich, für die Menschheit aber zweifellos ein Gewinn war.
Die von ihm entwickelte Druckerpresse und vor allem die dabei verwendeten beweglichen Metalllettern erlaubten es zunächst in Europa und später in aller Welt, bis dahin noch von Hand gefertigte Schriftstücke immer schneller unter die Leute zu bringen. Seine zwischen 1452 und 1454 gefertigten zweibändigen Gutenberg-Bibeln mit jeweils 42 Zeilen je Seite, die von höchster Qualität waren, zählen bis heute zum Hauptwerk des erfindungsreichen Mainzers, der 1999 gar mit der von amerikanischen Journalisten verliehenen Auszeichnung "Man of the Millennium" bedacht wurde.
Weil das nach ihm benannte Gutenberg-Museum am Liebfrauenplatz in den nächsten Jahren von Grund auf modernisiert und umgebaut werden soll, musste der berühmteste Sohn der Stadt mit Sack und Pack anderswo unterkommen. Fortan begrüßt ein 1827 geschaffenes Gutenberg-Denkmal des Künstlers Joseph Scholl die Besucher am frisch bezogenen Interimsstandort an der Reichklarastraße. Denn das Weltmuseum der Druckkunst ist, was es so auch nicht überall und alle Tage gibt, quasi als Untermieter in eigens dafür hergerichtete Räume des Naturhistorischen Museums gezogen.
Einheitsticket zum Preis von zehn Euro für alle Ausstellungsräume
Am Wochenende kann der neu geschaffene Doppel-Schauplatz, der auf der einen Seite an die Erd- sowie andererseits an die Druckgeschichte erinnert, von 9 bis 18 Uhr ausnahmsweise bei freiem Eintritt besucht werden. Anschließend wird allen Gästen, ganz gleich, ob sie sich eher für Druckerschwärze und Tintenfraß oder Zebrastreifen und Nashörner interessieren, nur mehr ein Einheitsticket zum Preis von zehn Euro angeboten, das ihnen die Türen aller Ausstellungsräume auf allen Etagen öffnet. Inklusive der abgedunkelten und stark gesicherten Schatzkammer, in der – wie gehabt – zwei Gutenberg-Bibeln und als Vergleichsmodell eine hochwertige Handschrift strahlen dürfen.
Angst davor, beim Rundgang durch das zweigeteilte Haus womöglich durcheinanderzukommen, müssen die Gäste nicht haben. Denn die verschiedenen Ausstellungsflächen, die durch die gut zehn Millionen Euro teure Ertüchtigung einer ehemaligen Klosterkirche aus dem 13. Jahrhundert deutlich hinzugewonnen haben, werden "sortenrein getrennt" bespielt. Alle, die mehr über den kurz Gutenberg genannten Johannes Gensfleisch zur Laden erfahren möchten, biegen gleich hinter seinem Denkmal nach links ab. Dort stößt man als Erstes auf ein beleuchtetes Modell der spätmittelalterlichen Stadt, das verdeutlichen soll, wo sich der um 1400 geborene und 1468 verstorbene Mainzer zeitlebens wohl häufiger aufgehalten haben dürfte.
Hier wie an den folgenden sechs Themeninseln, die Überschriften wie "Meinung machen", "Welt beschreiben" und "Pracht entfalten" tragen, sollen mittels einer speziellen Medienkarte abzurufende Zusatzinformationen helfen, den nicht zu leugnenden Platzmangel im Übergangsdomizil zumindest etwas auszugleichen. Schließlich kann in der einstigen Klosterkirche Sankt Klara, von dem in einigen Jahren, wenn das neue Gutenberg-Museum erst einmal fertig ist, das Naturhistorische Museum profitieren wird, aktuell nur ein Bruchteil dessen gezeigt werden, was es im alten Weltmuseum zu sehen gab. Immerhin sind zentrale Elemente, wie die rekonstruierte Gutenberg-Presse, mit umgezogen, sodass es auch weiterhin die beliebten Druckvorführungen geben kann.
Die beiden Direktoren der neuen Museumsgemeinschaft, Untermieter Ulf Sölter und Hausherr Bernd Herkner, sowie Kultur- und Baudezernentin Marianne Grosse (SPD), versprechen sich von der voraussichtlich drei bis fünf Jahre dauernden Partnerschaft eine für alle Beteiligten anregende und bewegende Zeit. Dazu passend ist die nach vollzogenem Umzug auf mehr als 1000 Quadratmetern zusammengestellte "Best of"-Schau, die am Wochenende erstmals und noch dazu kostenfrei präsentiert wird, mit "Gutenberg-Museum Moved!" überschrieben.
Derweil wird am alten Standort der Abriss des aus den sechziger Jahren stammenden Schell-Baus vorbereitet, der im nächsten Jahr niedergelegt werden soll. Bevor es bei dem alles in allem mehr als 100 Millionen Euro teuren Großprojekt dann an die Neubauten nach den Plänen des Stuttgarter Architektenbüros h4a Gessert + Randecker geht, dürfen sich zunächst noch die Archäologen auf dem Grundstück in Sichtweite des Doms umschauen. Aller Voraussicht nach werden sie an dieser geschichtsträchtigen Stelle im Herzen der mehr als 2000 Jahre alten Stadt einiges finden, das es verdient, später ebenfalls ausgestellt zu werden: in welchem Museum auch immer.
Näheres zur Interims-Eröffnung findet sich unter www.gutenberg-museum.de. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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