Mobbing bei der Polizei: Vier Polizisten aus Südhessen müssen sich vor dem Amtsgericht Darmstadt wegen Beleidigung verantworten. In einer Chatgruppe sollen sie Kollegen mit derben Beschimpfungen verunglimpft haben.

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Die Männer haben zusammengehalten. Das lässt schon der Name "Die Phalanx", erahnen, den sie ihrer Chatgruppe gegeben haben. In dem Begriff schwingt etwas Aggressives mit, bezeichnete er doch in der Antike die Kampfformation schwerbewaffneter Krieger in einer Reihe, aus der ihre Speere herausragten. In dieser digitalen Kampfaufstellung schrieben die Polizeibeamten aus Südhessen nicht nur über Alltägliches. Im Chat, zu dem ein begrenzter Kreis der Abteilung Einsatz des Polizeipräsidiums in Darmstadt Zugang hatte, wurden Kollegen, die nicht zu der Gruppe gehörten, mit derben Spitznamen bedacht, beispielsweise als "Pimmelkopf,", Krake", "Antichrist" und "Maulwurf" verunglimpft.

Der "Maulwurf" wurde mit Kothaufen auf dem Kopf abgebildet, dazu schrieb einer der Polizeibeamten über den Kollegen, mit dem er in einer Abteilung eng zusammenarbeitete, dieser habe auch "ne Menge Scheiße im Kopf". "Spast", "Stück Dreck" und "Bastard" sind andere Betitelungen. Der Wunsch wird formuliert, die so Bezeichneten mögen die Abteilung verlassen.

So trägt es die Staatsanwältin im Prozess am Amtsgericht Darmstadt vor. Vier Polizisten im Alter von 37 bis 51 Jahren, die sich der Anklage zufolge in den Jahren 2019 und 2020 im Schutz ihrer digitalen Phalanx ausgetobt haben, müssen sich seit Dienstag wegen Beleidigung verantworten. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sind die Beschimpfungen herabwürdigend und verletzten die so Bezeichneten in ihrer Ehre.

Richter lässt sich nicht provozieren

Dass diese Nachrichten so ausgetauscht wurden, wie von der Staatsanwaltschaft vorgetragen, ist im Prozess nicht strittig. Die Verteidiger versuchen gar nicht erst, das abzustreiten. Vielmehr verlegen sie sich zunächst darauf, in Frage zu stellen, ob die Begriffe als Beleidigung zu gelten haben. So will einer der Anwälte, David Hofferbert, wissen, "welcher Aspekt" an der Aussage, ein Kollege habe "Scheiße im Kopf" und nicht nur auf dem Kopf, denn nun beleidigend sein solle. Der Richter Ludwig Stahnecker lässt sich nicht provozieren und antwortet ganz ruhig: "Das ist beleidigend."

Ein anderes Argument bringt der Verteidiger, nämlich dass der Chat auf wenige Personen beschränkt und vertraulich gewesen sei. Deshalb müsse das dort geschriebene so gewertet werden wie in einem privaten Brief. Äußerungen im engen Kreis seien nicht strafbar, jeder dürfe sich im Austausch mit Vertrauten Luft verschaffen und auch einmal Aggressionen herauslassen.

Zeuge: "Korpsgeist" im Polizeipräsidium

Die Aussage eines Zeugen, eines Polizisten, der damals neu in die Abteilung der Angeklagten kam, wirft ein Schlaglicht auf die Verhältnisse im Präsidium vor fünf Jahren. Die Gruppe der Kollegen sei gespalten gewesen, auf der einen Seite die Mitglieder der Chatgruppe, auf der anderen Seite die anderen, die dort keinen Zugang hatten und die in der Gruppe angegriffen wurden. So sei unter den Gruppenmitgliedern ein "Korpsgeist" entstanden.

Ein neuer Vorgesetzter, der in die Abteilung gekommen sei, habe die Zwietracht geschürt, so zumindest sagt es der Zeuge. Der Chef habe vorgehabt, einige Kollegen aus der Abteilung zu entfernen, auch mit persönlichem Angriffen, berichtet der Zeuge, der inzwischen nicht mehr im Darmstädter Präsidium arbeitet. Darum ist es nach seinen Worten auch in der Chatgruppe gegangen. Falls das stimmt, haben sich die Angeklagten von ihrem Vorgesetzten aufhetzen lassen.

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Es wird noch dauern, bis das Gericht die Vorwürfe weiter aufklären kann. Erst müssen für weitere Polizisten, die als Zeugen geladen sind, beim Landespolizeipräsidium Aussagegenehmigungen besorgt werden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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