Monatelang Ärger: Als wäre ein Einbruch in die eigene Wohnung für die Bewohner nicht schon schlimm genug, sorgt er oft auch noch Monate danach für Ärger. Ein Erfahrungsbericht.

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Die Tür

Die Täter kamen einen Tag vor Weihnachten. Am frühen Nachmittag hebelt jemand die Wohnungstür der Zweizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus in Frankfurt-Sachsenhausen auf, so dass es nachher aussieht, als habe ein Riese sie wie ein Stück Papier zerrissen. Es muss laut gewesen sein. Aber niemand hat etwas gehört. Unbemerkt können so einige Kleidungsstücke und Schmuck gestohlen werden.

Einer Nachbarin fällt wenig später die zerstörte Tür auf. Sie verständigt die 78 Jahre alte Mieterin, die sich an diesem Tag bei ihrem Neffen aufhält, und die Polizei. Als die Polizei dann mich, die Wohnungseigentümerin, anruft, packe ich gerade Geschenke ein. "Es wäre gut, wenn Sie einen Schreiner finden könnten. Die Tür muss gesichert werden", sagt der Polizist am Telefon. "Wie soll das gehen?", frage ich zurück. Jetzt, am Tag vor Heiligabend. Es ist mein erster Einbruch.

Die Polizei

In Frankfurt wurden im vergangenen Jahr 792 Einbrüche gemeldet. Das sind zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. In früheren Jahren seien die Zahlen aber noch sehr viel höher gewesen, sagt Rüdiger Reges. Er ist Kriminalhauptkommissar und Fachberater für Einbruchschutz bei der polizeilichen Beratungsstelle an der Frankfurter Zeil.

Hier sitze ich im März und bin beeindruckt. Nicht nur angesichts der Schauobjekte, an denen Rüdiger Reges ganz plastisch demonstriert, wie man sein Haus, seine Wohnung, sein Büro besser vor Einbrüchen schützen kann. Sondern auch wegen der beruhigenden Wirkung, wenn Ängste durch Expertenwissen ersetzt werden. Nein, die Wohnung wurde nicht "ausbaldowert". Rüdiger Reges sagt: Es sei die Gelegenheit, die Diebe mache.

Selbst der Einbrecher – oft ortsansässig – wisse morgens, wenn er mit seinem Schraubendreher im Rucksack aus dem Haus gehe, noch nicht, wo er mittags einsteigen werde. Nur so viel könne man sagen: dass er "eher die 08/15-Mietwohnungen" bevorzugt. Einmal, weil hier nicht das ganze Geld im Eigenheim steckt, sondern vielleicht in der Zuckerdose oder im Tiefkühlfach. Zum anderen: weil diese Wohnungen oft schlechter gesichert sind. Bedeutet im Umkehrschluss: "Je größer der Aufwand reinzukommen, desto unwahrscheinlicher wird ein Einbruch."

Rüdiger Reges zeigt, wie der Aufwand erhöht werden kann. Etwa durch einbruchhemmende Türen der Widerstandsklasse zwei oder drei auf der sechs Klassen umfassenden Skala. Oder durch einen Panzerriegel. "Der Einbrecher sieht von außen, was auf ihn zukommt, und versucht es lieber woanders."

Der Schlosser

Der Aufwand in Sachsenhausen war denkbar niedrig. Irgendjemand hatte die Haustür offen gelassen, und dann war die Wohnungstür noch das geringste Problem. "Die Schließbleche waren nur im Rahmen festgemacht. Vielleicht hätten sie gehalten, wenn sie mit einem Maueranker befestigt gewesen wären. Trotzdem hat da einer mit einiger Gewalt gearbeitet", sagt Werner Schulz. Er ist Schlosser und der Erste, der am 23. Dezember nachmittags nach neun Anrufen bei anderen Schlüsseldiensten ans Telefon geht.

Ein Glück. Er findet seit 36 Jahren "für fast alles eine Lösung". Öffnet Tresore ebenso wie Türen. "Was häufig passiert. Die Materialien sind oft so schlecht, da hat so ein Schloss schon mal plötzlich einen Defekt, und man kommt nicht mehr ins Haus." Aber auch mit Einbrüchen hat er noch ausreichend zu tun. "Selbst in Neubauten sind die Türen manchmal ziemlicher Schrott."

Auch der Handwerker empfiehlt einen Panzerriegel für die Wohnungstür. "Aber bloß nicht auf ein Schnäppchen reinfallen. Unter 500 Euro ist ein guter nicht zu haben!" Er richtet nun die Tür provisorisch vorschriftsmäßig her. Meint, "dass sie mit einfachen Werkzeugen – etwa mit einem Schraubenzieher – nicht zu öffnen ist".

Die Mieterin

Die Achtundsiebzigjährige hat den Einbruch mit Fassung genommen. "Ich dachte: Es ist nicht so schlimm. Vermutlich brauchen sie die Sachen mehr als ich." Was sie am meisten bedauert: den Verlust des Eheringes ihrer Mutter. Auch er steht auf der Schadensliste, die sie einen Tag nach dem Einbruch bei ihrer Hausratversicherung, der Ammerländer Versicherung, einreicht. Obwohl der emotionale Wert nicht zu ersetzen ist. "Die Versicherung wollte für den Ring natürlich eine Quittung. Ich schrieb zurück: Wollen Sie, dass ich noch einmal ins Jahr 1935 zurückkehre?"

Die Frau versucht, sich von dem Einbruch nicht zu sehr ängstigen zu lassen. Aber da sie gesehen hat, wie wenig Widerstand so eine Wohnungstür leistet, würde sie sich wohler fühlen, wenn die nächste besser gesichert wäre. Es muss ja ohnehin eine neue her. Ich bestelle eine Tür, die so sein soll wie die alte. Einmal sieht es die Wohneigentümergemeinschaft vor, dass die Türen einheitlich aussehen sollen. Und zum anderen denke ich, dass die Versicherung eine höhere Widerstandsklasse kaum finanzieren wird. Zusätzlich soll aber – wie von Rüdiger Reges und von Werner Schulz empfohlen – ein Panzerriegel eingebaut werden. Auf meine Kosten. Die Mieterin ist sehr glücklich darüber.

Die Gebäudeversicherung

Milutin Milicevic ist Head of Service bei Conzepta’s in München, der "Versicherungspartner der Hausverwaltung". Er betreut die Verträge mit den Versicherungen. Ist zuständig für "Kündigung, Umdeckung und auch Schadensbearbeitung". Der Einbruch ist ein eher kleiner Fisch. Ein Stichling. Höchstens. "Wir haben es sonst mit deutlich größeren Schäden zu tun. An erster Stelle Leitungs- und Wasserschäden. Dann Sturm-, dann Feuer- und Glasschäden." Das geht schon mal in die Millionen, sagt Milicevic. Eigentlich sei die Gebäudeversicherung Alte Leipziger auch gar nicht zuständig.

Das sagt auch Monika Krimmer, eine Sprecherin der Alte Leipziger: "Beschädigungen nach Einbrüchen gehören den Kollegen zufolge klassischerweise zu den versicherten Kosten der Hausratversicherung." Der Grund: Man gehe davon aus, dass der Einbruch ja nur stattgefunden habe, weil sich die Einbrecher etwas vom Hausrat versprochen hätten. Also sei die Hausratversicherung in der Pflicht.

Theoretisch. Praktisch greife aber etwas, das sich Subsidiarität nenne. "Das heißt, dass eine Entschädigung aus der Wohngebäudeversicherung geleistet wird, wenn es keine Entschädigung aus einem anderen Vertrag der Hausratversicherung der Eigentümer oder Mieter gibt", so Krimmer.

Die Hausratversicherung

Es ist Ende März. Drei Monate nach dem Einbruch ersetzt die Hausratversicherung den größten Teil der Verluste, die der Mieterin entstanden sind. Sie bezahlt auch die Notreparatur. Die Tür, für die ich in Vorkasse gegangen bin, möchte sie nicht bezahlen. Sie möchte aber auch nicht sagen, dass sie nicht bezahlt, damit dann die Gebäudeversicherung übernehmen könnte. Sie möchte auch nicht mit mir reden. Ich sei ja nicht die Versicherungsnehmerin. Sie schreibt am 5. März: "Leider ist anhand der Detailaufnahmen die Wertigkeit der betroffenen Tür nicht erkennbar!"

Ich reiche den Kostenvoranschlag des Schreiners ein – für eine Tür, wie sie war, und außerdem Fotos von den Türen der Nachbarwohnungen, um zu dokumentieren, dass es da einen gewissen Zwang zur Einheitlichkeit gibt. Am 3. Mai erweitert die Versicherung gegenüber der Mieterin ihre Zweifel: "...können wir anhand der vorliegenden Fotos die Ausstattungsmerkmale und eine Notwendigkeit des Gesamtaustausches nicht prüfen." Deshalb möchte sie die Fotos der Polizei einsehen.

Dafür habe sie zur weiteren Prüfung die Ermittlungsakte bei der zuständigen Staatsanwaltschaft angefordert. Sie schreibt: "Leider haben wir keinen Einfluss darauf, zu welchem Zeitpunkt uns die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsakte zur Verfügung stellt. In den meisten Fällen geschieht dies nach Abschluss der Ermittlungen." Die Gebäudeversicherung Alte Leipziger hat bereits im April Akteneinsicht nehmen können.

Der Ombudsmann

Im Internet stoße ich auf einen Strohhalm. Er nennt sich versicherungsombudsmann.de. Es handelt sich um eine "Verbraucherstreitschlichtungsstelle, deren Aufgabe darin besteht, Streitigkeiten in Versicherungsangelegenheiten beizulegen". 2001 ist der Verein von der Versicherungswirtschaft gegründet worden. Seit 2022 ist der Jurist Constantin Graf von Rex Geschäftsführer. Der Verein, sagt er, verdanke seine Existenz der Überlegung, dass "etwaige Meinungsverschiedenheiten nicht zwingend auf einen Prozess hinauslaufen müssen".

Verbraucher können hier unentgeltlich eine Beschwerde einreichen, einen Antrag auf Schlichtung stellen. Mit guten Aussichten. Nicht umsonst gilt die Mitgliedschaft von Versicherungen bei der Schlichtungsstelle auch aus der Perspektive von Verbraucherschützern als Qualitätsmerkmal. Zumal sich "die teilnehmenden Versicherungen dazu verpflichtet haben, die Entscheidung der Schlichtungsstelle als verbindlich anzunehmen und gegebenenfalls bis zu 10.000 Euro zu zahlen." Constantin Graf von Rex sagt, dass die Probleme häufig in der Kommunikation lägen, dass es bei so vielen unterschiedlichen Verträgen immer wieder auch Konstellationen gebe, die selbst die Profis vor einige Herausforderungen stellten. Aber es werde immer an einer Lösung gearbeitet. Das macht mir Hoffnung. Im Mai stelle ich einen Antrag auf Schlichtung.

Ende offen

Es ist Ende August. Die Ammerländer Hausratversicherung muss die Ermittlungsakten seit mindestens drei Wochen gesehen haben. Denn seit zehn Tagen sollen sie schon wieder auf dem Rückweg an die Staatsanwaltschaft sein, wo ich sie dann vor Ort auch einsehen könnte. Als Letzte der Beteiligten. Die Gebäudeversicherung fragt regelmäßig an, ob es etwas Neues von der Hausratversicherung gibt. Auch der Antrag auf Schlichtung ruht, bis die Ammerländer Hausratversicherung endlich ihr Fazit herausgibt.

In ihrer vorläufigen Stellungnahme an den Ombudsmann beschreibt sie mein Vorgehen als "äußerst fragwürdig". Da ich Presseanfragen an das Unternehmen gerichtet habe, "ohne eine Vollmacht der Versicherungsnehmerin vorzulegen, zunächst sogar ohne sich als Vermieterin zu erkennen zu geben". Diese Behauptung trifft nicht zu. Zum materiellen Schaden kommt nun noch der an meinem Leumund.

Aber es ist auch so teuer genug. Nicht nur wegen der knapp 7000 Euro für die Beute und die Tür. Man muss am Ende ja auch all die Stunden der Beschäftigung, die bei der Polizei, bei Versicherungsmitarbeitern, der Staatsanwaltschaft, dem Ombudsmann und bei mir angefallen sind, mit in die Rechnung einpreisen.

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Die Alte Leipziger hat die im vergangenen Jahr durch Einbruch verursachten Schadensummen bei den Versicherungen branchenweit auf 340 Millionen Euro beziffert. Wie unendlich viel höher liegen da wohl die echten Kosten? Ich bin froh über den Panzerriegel, den ich habe einbauen lassen. Es war mein erster Einbruch. Es soll unbedingt mein letzter bleiben.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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