Deutschlands Kultferment: Droht dem fermentierten Weißkohl das Schicksal eines kulinarischen Relikts? Die Marktforschung sagt ja. Wir halten dagegen.
Wird das Sauerkraut aus dem kulinarischen Kanon in Deutschland verschwinden? Als Konserve sei es durch zunehmende Nichtbeachtung im Supermarkt bedroht, ließ unlängst das Marktforschungsinstitut GfK wissen. Schmalz und Kondensmilch ebenso – weil langsam diejenigen ausstürben, die mit diesen Produkten aufgewachsen seien und sie schätzten.
Diese Waren liefen Gefahr, "zu Auslaufmodellen des kulinarischen Erbes unserer Großeltern zu werden", sagte einer der Studienautoren. Vielleicht hat er recht, vielleicht auch nicht. Hauptsache, es wird weiter Weißkohl und Spitzkohl angebaut. Aus beidem kann man wunderbar Sauerkraut machen und damit Gerichte, die garantiert nicht nur denen schmecken, die von der GfK zur "Generation Wiederaufbauer" gezählt werden.
Sauerkraut einfach selbst herstellen
Sauerkraut aus Weißkohl ist bissfest und kräftig in der Struktur, aus Spitzkohl ist es zart und fein. Wer Sauerkraut selbst herstellen möchte, braucht je Kilogramm Kohl 15 Gramm Steinsalz, schneidet die Kohlblätter in Streifen und verknetet sie mit sauberen Händen, dabei tritt Flüssigkeit aus, was wichtig ist. Den Kohl mit Flüssigkeit in Gläser abfüllen, dabei das Gemüse fest zusammendrücken, sodass es ganz mit Flüssigkeit bedeckt ist.
Gläser verschließen, Deckel beschweren, sich nicht daran stören, dass durch den Gärprozess das Glas überlaufen kann. Bei Raumtemperatur vier Wochen gären lassen oder nach zwei Wochen probieren. Und falls es einem schon schmeckt, das Kraut in den Kühlschrank stellen, was die weitere Gärung verlangsamt.
Traditionsgericht im Deidesheimer Hof
Oder man kauft eingelegtes Kraut auf dem Markt, ersatzweise tut es auch mal Ware aus der Dose oder dem Glas, und wer Sauerkraut aus Filderkohl bekommen kann, sollte auf jeden Fall zugreifen: Der Filderkohl aus Baden-Württemberg ist ein besonders gutes Ausgangsmaterial, es heißt allerdings, dass von ihm immer weniger angebaut werde, weil er seiner ausgeprägt zipfelmützenhaften Form wegen nur schwer maschinell zu verarbeiten sei.
Wie delikat ein Traditionsgericht mit Sauerkraut schmecken kann, lässt sich gut im pfälzischen Deidesheim probieren, in den St.-Urbans-Stuben im Deidesheimer Hof. Dafür dort das "Pfälzer Lieblingsgericht" bestellen, mit sanft gebratenen Saumagenscheiben, einer mürb-würzigen Bratwurst, einem kleinen flaumigen Leberknödel, mild würzigem Sauerkraut und seidigem Kartoffelpüree.
Rezept für Sauerkraut-Lasagne
Bestens verträgt sich Sauerkraut mit Tomaten, überprüfen kann man das mit der Zubereitung einer Lasagne. Dafür eine halbierte, gewürfelte Zwiebel anschwitzen. Einen kleinen, geschälten und gewürfelten Apfel dazugeben, das in Ringe geschnittene Weiße einer kleinen Lauchstange, ein Lorbeerblatt und zwei Wacholderbeeren und leicht ausgedrücktes Sauerkraut (die Menge sollte der des Hackfleischs im Lasagne-Rezept entsprechen).
Mit etwas Gemüsebrühe und Riesling ein paar Minuten köcheln und gut durchziehen lassen. Später mit Schmand vermengen (150 bis 200 Gramm auf 400 Gramm Kraut), abschmecken und diese Masse anstelle der bei einer Lasagne üblichen Béchamelsoße schichten.
Vegetarische Alternative: Nur den Boden einer Auflaufform mit Lasagneplatten bedecken, Kraut wie oben zubereiten. Gewürfelte rote Paprika mit Zwiebeln und ein paar Tomaten zu einer halbfesten Soße schmoren und dazugeben. Zwei Drittel von Kraut und Soße auf die Nudelplatten geben, mit Nudelplatten abdecken, Rest obenauf verteilen. Mit Kartoffelpüree bedecken, zwei Esslöffel geriebenen Gouda obenauf streuen und das Ganze überbacken. Einen guten Rieslingsekt dazu trinken und sich aufs neue Jahr freuen. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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