Filmprofessorin Angelika Levi: Sie schafft essayistische Filme, will ihre Studierenden ohne Hierarchie unterrichten und sieht neue Trends in deren Arbeiten. Die Filmemacherin Angelika Levi lehrt in Offenbach.
Der Anfang war nicht einfach. Als Angelika Levi vor zwei Jahren ihre Filmprofessur an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung (HfG) antrat, lag das Lehrgebiet ein Stück weit brach. 2019 starb die langjährige Professorin Rotraut Pape, zwei Jahre darauf auch ihre Nachfolgerin Tatjana Turanskyj, die den Lehrstuhl mit Marie-Hélène Gutberlet teilte. Die gerade erst abgeflaute Pandemie tat ihr Übriges. "Als ich ankam, war alles verlassen", erinnert sich Levi an ihren ersten Eindruck vom HfG-Lehrgebiet Film/Video.
Umso belebter wirken dessen Räumlichkeiten jetzt an diesem Winterabend. Zum Gespräch empfängt Angelika Levi in ihrem Büro, kurz nachdem sie mit ihren Mitarbeitern und einigen Studenten Snacks und Getränke eingekauft hat. Aus dem benachbarten Raum dringen Gesprächsfetzen und die Tonspur eines Films, der erkennbar in Berlin spielt. Die Hauptstadt ist, neben der spanischen Region Valencia, Levis Lebensmittelpunkt. An der im Westteil Berlins gelegenen Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB) hatte sie von 1986 bis 1992 studiert.
Mehr als 40 Jahre Erfahrung
Der damals an der DFFB übliche Verzicht auf Noten und Kontrolle habe ihr ein sehr selbständiges Studium ermöglicht, erinnert sich Levi. Und so sei das von ihr produzierte, "etwas unhierarchische Durcheinander" für die Offenbacher Studenten zunächst unverständlich gewesen.
Tatsächlich wirkt die 1961 geborene Filmemacherin auf Anhieb zugänglich und geradezu kumpelhaft-locker. Bis zum Antritt ihrer Professur habe sie immer selbständig gearbeitet, sagt Levi. Der Schritt in eine Institution habe daher Eingewöhnung erfordert. Mittlerweile habe sie aber das Gefühl, angekommen zu sein: "Es hat alles Formen angenommen."
"Ich komme vom Filmemachen und von der eigenen künstlerischen Produktion", erläutert Levi ihre praxisorientierte Prägung. Für ihre Lehre schöpft sie vor allem aus der eigenen, mehr als 40 Jahre umfassenden Erfahrung. Ihre Professorenkollegin Marie-Hélène Gutberlet entstamme unterdessen "der Kuration sowie der Kunst- und Filmbetrachtung", so Levi. Die Lehre vereint viele Komponenten, die das eigentliche Filmemachen flankieren: "Wir zeigen Filme, und wir gehen raus. Wir machen aber auch Filmgeschichte und Filmtheorie, und wir lesen philosophische Texte."
Transparenz der eignenen Erfahrung
Über ihre eigene filmische Praxis sagt Angelika Levi: "Ich arbeite gerne essayistisch und genreübergreifend." Migration, Trauma, Rassismus, Erinnerung und Erinnerungspolitiken: Um diese Themen kreisten ihre Werke, so Levi – "in einer sehr offenen Form". In ihren Filmen kombiniert sie dokumentarische und inszenierende Elemente und möchte "multiperspektivisch" auf die Dinge schauen.
"Dass ich immer die Transparenz der eigenen Erfahrung mit hineinnehme", sei dabei einer der wesentlichen Punkte. Nicht zuletzt findet Levi es wichtig, "eine gewisse Art Humor in den Filmen zu haben".
Angelika Levis 2003 entstandener Langfilm "Mein Leben Teil 2" steht exemplarisch für diese Herangehensweise. Darin erforscht Levi die Geschichte ihrer christlich-jüdischen Familie und rekonstruiert das Leben ihrer Mutter Ursula anhand von Gegenständen, Fotos, Film- und Tonaufnahmen aus deren Nachlass. Ursula Becker Levi folgte 1947 zusammen mit ihrer Mutter dem in der Zeit des Nationalsozialismus nach Chile geflohenen jüdischen Vater Robert Levi, um Ende der Fünfzigerjahre in die Bundesrepublik zurückzukehren.
Lernt auch von ihren Studenten
Die Geschichte ihrer Groß- und Urgroßeltern sowie die über Generationen weitergegebenen Prägungen und Traumata beschäftigt auch Levis Studenten: "Im Moment geht es ganz vielen um ihre Familien", berichtet sie über die studentischen Projekte. "Wir haben auch viele Studierende mit Kriegserfahrung", sagt Levi. Sie arbeiteten jedoch weniger über ihre familiären Themen, sondern agierten konzeptioneller.
Der Umgang mit der wesentlich jüngeren Studentengeneration ist eine neue Erfahrung für Levi. Sie lerne aus deren Art, auf die Welt zu blicken: "Es ist eine andere Generation, die andere Fragen, Probleme, Unsicherheiten oder auch Sicherheiten hat."
Über das Interesse ihrer Studenten an analoger Technik war Levi überrascht. So bietet sie unter anderem einen 16mm-Filmkurs an. Aber auch den Umgang mit der "Arri Amira" kann man an der HfG erlernen. "Das ist eine andere Erfahrung", sagt Levi über die digitale Profikamera, die von mehreren Personen bedient werden muss und Zusammenarbeit erfordert. Das individuelle Filmen mit dem Smartphone sei das Gegenteil davon.
Kinothek Asta Nielsen als Lieblingsort
Ein neues Feld war für Angelika Levi auch die hessische Filmlandschaft: "Ich bin Berlin gewöhnt." Angetan zeigt sie sich von der Filmförderung der Hessen Film und Medien GmbH: "Ich finde, dass sie das toll machen." Aber auch das Förderprogramm "HAB – Hessen Abschlussförderung" für studentische Abschlussfilme erwähnt Levi lobend. "Tolle Filme" entstünden in den hessischen Filmstudiengängen in Darmstadt, Kassel, Offenbach und Wiesbaden, betont sie.
Einen persönlichen Lieblingsort konnte Angelika Levi in der Frankfurter Kinothek Asta Nielsen finden. "Ich bin sehr froh, dass es sie gibt und dass sie mich sehr gut aufgenommen haben", sagt Levi. Mittlerweile sitzt sie im Vorstand des Vereins der Kinothek, die sich auf Filmarbeit von Frauen und LGBTQ-Personen fokussiert.
Manchmal komme ihr neues Umfeld jedoch provinziell vor, sagt Levi. So beklagt sie die fehlende Internationalität unter den HfG-Professoren und die Dominanz von Deutsch als Unterrichtssprache. Die Hochschule sei ein Ort, an dem unterschiedliche Perspektiven, Lebenserfahrungen und politische Meinungen zusammenkämen.
Für die daraus möglicherweise entstehenden politischen Auseinandersetzungen sei man sehr offen: "Dafür ist eine Hochschule da." Die neue HfG-Präsidentin Brigitte Franzen hat Levis ausdrückliche Anerkennung: "Sie gibt mir ein gutes Gefühl für die Zukunft dieser Hochschule."
Angelika Levi bleiben noch vier Jahre bis zur Emeritierung. Bis dahin hofft sie, "eine freie Lehre, in der wir zusammen Sachen entdecken, ausprobieren und dabei Spaß haben" etablieren zu können. Ihren Studenten möchte sie einen wachen Blick für die Außenwelt und für den Umgang miteinander vermitteln. Zuallererst wünscht sich Levi aber, "dass sie schöne Filme machen". © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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