Instrumentenbau Mollenhauer: Der Familienbetrieb Mollenhauer in Fulda ist einer der beiden großen Hersteller von Blockflöten in Deutschland – und der traditionsreichste. Auch nach 200 Jahren gibt es noch Neuerungen beim Blockflötenbau.
Er gibt dem Instrument zwar nicht den Namen – aber tatsächlich beginnen die Flötenbauer mit einem Block. Er kann aus heimischem Birnenholz bestehen oder exotischem Grenadill, auf jeden Fall aber ist er das beste Stück vom Baum. Stücke mit Astlöchern können sie bei Mollenhauer nicht gebrauchen, schließlich sollen aus ihnen Blockflöten werden, und dafür muss das Klangholz ohne Makel sein.
Palettenweise wird es in der Halle in einem Gewerbegebiet in Fulda gelagert – denn gut Ding will Weile haben: "Bei bestimmten Sorten sieben Jahre", antwortet Berthold Mollenhauer auf die Frage, wie lange die Hölzer ruhen, bevor sie in die Produktion gebracht werden. Auch während der Bearbeitung muss das Material immer wieder Zeit zum Arbeiten bekommen – und so kann es mehr als sieben Monate dauern, bis eine Flöte die Werkstatt verlässt.
Das Fuldaer Unternehmen ist zusammen mit der in Celle ansässigen Firma Moeck einer der beiden großen Flötenbauer in Deutschland und der traditionsreichste dazu: 1822 gründete Johann Andreas Mollenhauer in Fulda seine Werkstatt, heute leiten Sophie und Berthold in der sechsten Generation das Unternehmen mit etwas mehr als 30 Mitarbeitern.
Aber was bedeutet "groß" für einen Instrumentenbauer? "25.000 Flöten pro Jahr", sagt Berthold Mollenhauer, mehr als die Hälfte davon entfällt auf die schon aus Schultagen bekannten Sopranflöten. Aber das Sortiment ist ungleich größer: Mehr als 150 Modelle von der Garklein bis zum Großbass baut Mollenhauer, von mancher Flöte werden gerade einmal fünf Exemplare im Jahr gefertigt.
Die Preise? Bei den Sopranflöten reichen sie von 35 bis zu 1000 Euro, die teuersten Flöten aus osthessischer Produktion liegen bei rund 4000 Euro. Von der Benennung der Flöten nach Singstimmen sollte man sich übrigens nicht in die Irre führen lassen: Die Stimmlage der Flöten entspricht nicht der gleichnamigen Singstimme.
Es ist ein traditionsreiches Handwerk, das bei Mollenhauer gepflegt wird, das zeigt schon ein Blick in das kleine, firmeneigene Museum. Dort ist auch ein Arbeitsplatz eingerichtet, wie ihn so ähnlich der Firmengründer genutzt haben könnte – alles in Handarbeit. Die hatte Johann Andreas gründlich bei diversen Instrumentenmachern in Deutschland und Österreich studiert, bevor er nach langer Wanderschaft als 24 Jahre alter Drechslergeselle – und Uhrmacher – nach Fulda zurückkehrte.
Gedrechselt wurde das Holz mit fußbetriebenen Maschinen, Klappen wurden von Hand aus Silber- oder Messingdraht geschmiedet. Zum Beispiel die Bohrer für die Tonlöcher mussten sich die Instrumentenmacher selbst anfertigen, zum Teil gilt das bis heute: "Instrumentenmacher bauen sich ihr eigenes Werkzeug", sagt Berthold.
Schon Johanns erste Flöten, Klarinetten und Oboen kamen gut an, sodass der junge Handwerker bald den Titel eines Hofinstrumentenmachers des Kurfürsten von Hessen verliehen bekam. In der Unternehmung arbeiteten auch Söhne von Johann mit, besonders erfolgreich Thomas Mollenhauer, der den Betrieb übernehmen sollte, zwei seiner Brüder gründeten eigene Unternehmen.
Thomas stand zum Beispiel in engem Kontakt mit dem genialen Flötisten Theobald Böhm, der als noch genialerer Instrumentenbauer Musikgeschichte geschrieben hat: Auf seinem System basiert die heute übliche Querflöte. In seiner Werkstatt lernte Mollenhauer den Bau der zylindrischen Flöten und nahm später zu Böhms Wohlwollen deren Produktion in seinem Unternehmen auf.
Seine Söhne Josef und Conrad setzten die Tradition des Familienunternehmens fort, 1912 gründete Conrad seine eigene Flötenwerkstatt, die Vorläuferin des heutigen Unternehmens, während sein Bruder das bis heute bestehende Musikhaus Mollenhauer in Fulda aufbaute.
Mit Conrads Sohn Thomas begann nach dem Zweiten Weltkrieg auch die Spezialisierung auf Blockflöten, denn laut der Chronik des Familienunternehmens blieb die Nachfrage zum Beispiel nach Klarinetten, Querflöten und Oboen jenseits von Reparaturaufträgen gering. Also spezialisierte sich das Unternehmen auf Blockflöten, entwickelte Maschinen oder passte bestehende Geräte für die Produktion an, sodass von 1951 an die Modelle "Student" und "Solist" in Serie gingen.
Mit dem Begriff der Serienproduktion muss man bei Instrumentenbauern allerdings vorsichtig bleiben, auch wenn bei Mollenhauer mittlerweile natürlich auch moderne, computergesteuerte CNC-Maschinen eingesetzt werden. Dass Berthold Mollenhauer von Haus aus Maschinenbauingenieur ist und als Quereinsteiger in das Familienunternehmen einheiratete, ist dabei zwar von Vorteil, aber auch ein wenig Zufall.
Mollenhauer, der den Namen seiner Frau angenommen hat, absolvierte bei seinem Firmeneintritt erst einmal eine Art Praktikum, um mit der Produktion der Instrumente vertraut zu werden – und "natürlich" lernte er über das Maß aus Schultagen hinaus Blockflöte.
Für viele Kinder ist die Blockflöte das erste Instrument, denn sie ist leicht zu transportieren, preiswert und auch nicht schwer zu erlernen. Durch die aktuelle Initiative der Landesregierung, Blockflötenunterricht an Grundschulen zu stärken, dürften noch mehr Schüler mit dem Instrument in Berührung kommen.
Blockflöten sind traditionsreiche Instrumente – dennoch gibt es andauernd Neuerungen. Für einige von ihnen ist Nik Tarasov verantwortlich. Der Blockflötist und Instrumentenbauer kümmert sich in der Geschäftsleitung nicht nur um die Qualitätssicherung und spielt die hochwertigen Instrumente ein, er hat zum Beispiel auch "Elody" entwickelt, eine Blockflöte mit integriertem Tonabnehmer, die auch über Verstärker gespielt werden kann.
So wird es möglich, auch in großen Orchestern oder Bands mit der eigentlich recht zarten Blockflöte zu musizieren. Zur Kundschaft zählen auch Musikschulen, die die Blockflöte so ebenfalls für die Schüler attraktiv machen, die mit ihren Freunden auch einmal in einer Rockband spielen wollen.
Bei allem Fortschritt: Die Automatisierung hat in der Produktion ihre Grenzen, bis heute steckt in den Flöten viel Handarbeit. So kann man mit einer modernen CNC-Fräse zwar auf den Bruchteil von Millimetern genau arbeiten, aber wenn zwei aneinandertreffende Ebenen gefräst werden, dann bleibt ein Grat – und genau das will man als Instrumentenbauer nicht. Also wird von Hand korrigiert, bis der Luftstrom wie gewünscht fließen kann.
Feinarbeit ist ebenso nötig, wenn der namensgebende Block in den Kopf der Flöte eingefügt wird, sodass der enge Kernspalt entsteht, an dem der Ton erzeugt wird. Auch die Montage und Anpassung von Klappen an größere Instrumente gelingt nicht maschinell, das erledigen die drei Mitarbeiterinnen im Klappenbau, die übrigens glaubhaft versichern, die meisten Wortspiele rund um "Klappe" und "klappen" mittlerweile kennengelernt zu haben. Das Schild "Klappnetbau" an der Wand ihrer Werkstatt bestätigt das.
Handarbeit ist es auch, die Flöten zu stimmen. Blockflötenbauerin Vera Jahn zeigt, wie es geht: Durch die Grifflöcher hindurch feilt sie so viel Holz ab, bis die Stimmung passt. Feinarbeit, denn im Gegensatz zum Beispiel zu einer Gitarre ist der Spielraum beim Stimmen einer Blockflöte begrenzt: Höher geht nicht, wenn die Teile erst einmal zusammengesteckt sind, tiefer nur in Maßen. Das begründet auch, dass Nik Tarasov besonders erwähnt, bei einem seiner nächsten Konzerte zusammen mit einer auf – tiefe – 430 Hertz gestimmten Orgel auf der Flöte musizieren wird.
Mit dem Bau von Blockflöten ist es bei Mollenhauer nicht getan. Im Haus erscheint mit "Windkanal" auch eine Blockflöten-Fachzeitschrift; daneben bietet das Unternehmen Seminare. Natürlich für Musiker, aber auch Schnupperkurse zum Blockflötenbau für Kinder. Denn die Suche nach neuen Instrumentenmachern beginnt in jungen Jahren. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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