Keine gleichmäßige Verteilung: Das Empfinden der Anwohner entspricht nicht immer der Statistik: Viele Geflüchtete sind in Stadtteilen untergebracht, in denen es wenige vermutet hätten. Gleichmässig ist die Verteilung aber nicht.
Die Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen ist eine herausfordernde Daueraufgabe für die Frankfurter Stadtverwaltung. 9532 Menschen sind es insgesamt, die zum Stichtag 2. Dezember ein Quartier gestellt bekommen haben, weil sie selbst keinen bezahlbaren Wohnraum finden konnten und somit vor der Obdachlosigkeit bewahrt wurden.
Im ganzen Stadtgebiet seien knapp 100 Unterkünfte gemietet worden, berichtete Sozialdezernentin Elke Voitl (Die Grünen). Ziel sei, die Menschen dezentral unterzubringen: "Wir wollen keine Zeltstädte am Rande der Stadt, dort bestünde keine Chance auf Integration." Die Nähe zu den Nachbarn mache den Austausch und die Annäherung erst möglich. Dann bleibe als wichtigste Frage, wie gutes Miteinander in den Quartieren gelingen könne, sagte Voitl am Mittwoch bei der Vorstellung einer neuen Unterkunft in Niederrad.
Vor allem Kitas und Schulen sind mehr belastet
Dort entsteht nun die vierte Übergangsunterkunft im Stadtteil. Im nächsten Jahr werden dort dann voraussichtlich 690 geflüchtete oder wohnungslose Menschen untergebracht werden, das sind, gemessen an einer Bewohnerzahl von 30.222, etwas weniger als 2,3 Prozent der Einwohnerschaft.
Die Frage, ob einige Stadtteile mehr Menschen als andere unterbringen müssen und damit auch durch deren Inanspruchnahme von Ärzten, Kindergärten oder Schulen überdurchschnittlich belastet sind, treibt einige in der Stadt um. Auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Römer hin hat die Stadt nun eine genauere Aufteilung veröffentlicht.
Danach stehen in Bockenheim die meisten Plätze für Wohnungslose und Flüchtlinge bereit: 2051. Doch da der Stadtteil wesentlich größer ist als andere, sagt die absolute Zahl weniger aus, als wenn man sie ins Verhältnis zur Zahl der Bewohner setzt.
In der Innenstadt sind die meisten Menschen untergebracht
Am höchsten ist der Anteil der Flüchtlinge im Gutleutviertel. 13,6 Prozent der dortigen Bewohner sind mit einem Dach über dem Kopf versorgt worden. Proteste gab es im Gutleut bisher keine, anders als etwa in Rödelheim, wo sich jüngst Widerstand gegen eine neue Übergangsunterkunft regte. Vor allem, weil man eine Überlastung der Kindergärten und teils sanierungsbedürftigen Schulen fürchtet.
Setzt man Bewohner und Geflüchtete ins Verhältnis, reihen sich nach dem Gutleutviertel das Bahnhofsviertel (6,85 Prozent), die Innenstadt (6,72 Prozent), Bockenheim (4,71 Prozent) und dann erst Rödelheim (3,6 Prozent) als besonders in Anspruch genommene Stadtteile ein.
In den meisten Stadtteilen sind Menschen von städtischer Seite untergebracht worden, viele auch in kleineren Einheiten, die selbst in den Vierteln kaum als Übergangsunterkünfte bekannt sind. In manchen Stadtteilen sind jedoch gar keine Flüchtlinge oder Wohnungslose untergebracht: Das gilt für Berkersheim, Dornbusch, Eschersheim, Frankfurter Berg, Ginnheim, Hausen, Nieder-Eschbach, Ostend und Riederwald, wie das Sozialdezernat mitteilt. Dort seien bisher keine passenden Immobilien gefunden worden, so Sozialdezernentin Voitl. Seit 2015 habe die Stadt 1600 Objekte daraufhin geprüft, ob sie für die zeitweise Unterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten geeignet seien, aber nur knapp 100 davon konnten tatsächlich genutzt werden. Auflagen des Brandschutzes, fehlende Fluchtwege, Lärmschutz und die Kosten eines Umbaus oder einer Sanierung verhinderten häufig, dass eine Immobilie gemietet wurde.
In Niederrad konnte am Mittwoch die neueste städtische Unterkunft besichtigt werden, bevor dort im Lauf des Januars die ersten Bewohner einziehen. Das ehemalige Dorint-Hotel, das noch bis Ende Oktober zahlende Gäste empfing, wird nun schrittweise umgebaut werden, um im nächsten Jahr Familien aus der Ukraine zu beherbergen, wie Thomas Müller-Witte, Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Frankfurt, berichtete. Der Wohlfahrtsverband hat das Haus an der Hahnstraße im Auftrag der Stadt für 20 Jahre gemietet und betreibt die Unterkunft. Der langfristige Vertrag verschaffe der Stadt Planungssicherheit und sei kostengünstiger als kurzfristige Lösungen, heißt es dazu.
Die Zimmer des ehemaligen Hotels werden etagenweise zu familiengerechten Appartements umgebaut, mit Kochgelegenheiten auf jedem Stockwerk. Die Erfahrung hatte in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen Wert darauf legen, ihre Mahlzeiten selbst zubereiten zu können. Bis es so weit ist, müssen die Bewohner vom Cateringservice des ASB mit Essen beliefert werden.
Die ukrainischen Familien, die nach Niederrad kommen sollen, lebten schon einige Zeit in Frankfurt, berichtet Müller-Witte. Sie ziehen vor allem aus zwei ASB-Unterkünften im Westend und an der Mainzer Landstraße aus, deren Pachtverträge auslaufen. Darunter sind auch viele Kinder, die jedoch, sofern sie schulpflichtig sind, bis Sommer 2025 in ihrer bisherigen Schule bleiben werden, wie der Magistrat jüngst auf eine Anfrage der AfD-Fraktion mitgeteilt hat. Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren und im Kindergartenalter seien in Niederrad ausreichend vorhanden, heißt es dort. Auch in der neuen Unterkunft sei eine Kinder- und Hausaufgabenbetreuung geplant, ergänzt Müller-Witte.
Anders sieht es bei Grundschulplätzen aus, deren Ausbau noch bevorsteht: Die vierzügige Frauenhofschule solle auf fünf Züge erweitert werden, im Schulbezirk der Friedrich-Fröbel-Schule seien "mehrere Ausbauprojekte in Planung", heißt es noch vage vom Magistrat. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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