Für den Klimaschutz: Die Stadt Frankfurt hat in der Vergangenheit zu wenig in ihre Gebäude investiert, nun sollen die mehr als 2500 Schulen, Museen und Verwaltungsgebäude saniert und klimaneutral werden. Die Koalition plant einen Kraftakt.

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Im Römer wissen alle um den großen Sanierungsstau, den Frankfurt bei den eigenen Gebäuden hat. Dazu hätte es des Auftritts von Schülern und Lehrern der Helmholtz-Schule im Ostend gar nicht bedurft. Diese hatten in den vergangenen Wochen in zahlreichen Ausschüssen des Stadtparlaments deutlich gemacht, dass in ihrem mehr als 100 Jahre alten Gebäude im Sommer häufig mehr als 30 Grad in den Klassenzimmern herrschten. Das sei zu heiß, um das Abitur zu schreiben.

Mehr als 2500 Gebäude sind im Besitz der Stadt, darunter Schulen, Kindertagesstätten, Sportanlagen, Feuerwachen, Museen, der Palmengarten oder Verwaltungsgebäude. Gut 100 davon sind in den vergangenen 20 Jahren in Passivhaus-Bauweise errichtet worden, ein weiteres knappes Dutzend wurde saniert. Rund 20 Projekte sind derzeit in Planung oder in Bau.

Es bleibt also viel zu tun, insbesondere auch, um den energetischen Standard der Gebäude maßgeblich zu verbessern, also den Verbrauch an Strom und Wärme zu drosseln. Schließlich hat sich Frankfurt zum Ziel gesetzt, 2035 klimaneutral zu sein. Was nur gelingt, wenn Energiebedarf und CO2-Ausstoß bis dahin drastisch reduziert werden. In der Stadtverwaltung soll das Ziel der Klimaneutralität sogar möglichst schon 2030 erreicht werden.

Prioritätenliste mit einhundert Gebäuden

Es gibt also keinen Zweifel, dass die Stadt Tempo aufnehmen muss. Die Römerkoalition will deshalb eine sogenannte "Sanierungsoffensive" starten. Danach sollen bis 2030 mindestens 50 Prozent aller stadteigenen Gebäude und bis 2040 alle städtischen Gebäude, "bei denen es aus technischen und wirtschaftlichen Gründen möglich ist, auf einen möglichst klimaneutralen Gebäudebetriebszustand gebracht werden", heißt es im Antrag von Grünen, SPD, FDP und Volt. Diesem haben die Stadtverordneten im Römer am Donnerstag mehrheitlich zugestimmt.

Unterstützung kam auch von der CDU-Fraktion – auch wenn diese es lieber sehen würde, wenn zunächst Schulbauten Vorrang bei der Sanierung hätten. Laut dem jetzt gefassten Beschluss soll die Stadtverwaltung eine Prioritätenliste mit etwa 100 Gebäuden erstellen, die am dringendsten saniert werden müssen. Das soll im Zeitraum zwischen 2025 und 2027 umgesetzt werden. Dazu braucht es ein digitales "Informations- und Sanierungsmanagement-Tool", das die aktuelle energetische Situation und den Sanierungsbedarf enthalten und bewerten soll.

"Wir stehen vor einer großen Herausforderung, denn in den vergangenen Jahrzehnten wurde strukturell viel zu wenig in die Sanierung unserer stadteigenen Gebäude investiert", sagte David Edelmann (Die Grünen) zum Auftakt der Debatte im Stadtparlament. Ergebnis seien bröckelnde Fassaden, in die Jahre gekommene Toiletten, gesperrte Turnhallen. Darüber hinaus brauche es einen "Aufbruch bei der energetischen Sanierung", sagte er und sprach von einer "Herkulesaufgabe", die in den nächsten 15 Jahren auf die Stadt zukomme.

Auch Sebastian Papke (FDP) sagte: "Unsere Immobilien sind in einem maroden Zustand." Für ihn sei es "nicht nachvollziehbar", sagte er, dass eine Prioritätenliste der städtischen Gebäude erst jetzt angelegt werden müsse. Das werfe ein "desolates Licht" vor allem auf frühere Baudezernenten.

CDU glaubt nicht an geplante Beschleunigung

Nach Ansicht von Simon Witsch (SPD) begibt sich die Stadt nun auf den Weg eines Marathons. Das Ziel, 2035 eine klimaneutrale Stadt zu sein, sei kein Lippenbekenntnis. Schließlich sehe der jetzt beschlossene Antrag eine Sanierungsquote von jährlich vier Prozent und damit nahezu eine Verdoppelung der bisherigen Quote vor. "Ja", bestätigte Baudezernentin Sylvia Weber (SPD), "wir müssen schneller werden."

Zudem müsse die Stadt Vorbild sein, sagte sie und verwies auf die geplante grundlegende Sanierung der Kunsthalle Schirn. Diese hatte das Stadtparlament im Frühjahr beschlossen. Und hofft für das Vorhaben, das die Stadt bisher mit 32 Millionen Euro veranschlagt, auf Unterstützung. Insgesamt will die Koalition für alle weiteren städtischen Gebäude "systematisch Fördermittel", etwa auch bei der EU, akquirieren.

Scharfe Kritik an der "Sanierungsoffensive" übte der CDU-Politiker Thomas Dürbeck. "Es wird wieder nur Papier produziert", sagte er, "das ganze Offensiven-Gerede ist symptomatisch für die Koalition." Die CDU bezweifelt, dass sich mit dem jetzt beschlossenen Antrag eine Beschleunigung erreichen lässt.

Seine Fraktion will erreichen, dass die sogenannte Sanierungsoffensive mit anderen Vorhaben der Stadt koordiniert wird. So weist die CDU darauf hin, dass die vom Stadtparlament gewünschten Solaranlagen nicht auf maroden Dächern installiert werden können. Die bisher fehlende Koordination führt nach Ansicht der CDU zu einer "unnötigen und kostenintensiven Belastung der städtischen Ressourcen". Die Koalition will das Anliegen der CDU zumindest vom Magistrat prüfen lassen.

Kalkulationen weichen voneinander ab

Wie viel Geld insgesamt für die Sanierungsoffensive benötigt wird, geht aus dem Antrag der Koalition nicht hervor. Im Etat stehen in den nächsten Jahren jeweils 25 Millionen Euro bereit. Nach Berechnungen der Abteilung Energiemanagement im Amt für Bau und Immobilien ist aber mehr als die zehnfache Summe erforderlich, um den Gebäudebestand bis 2035 klimaneutral zu machen. 261 Millionen Euro werden demnach jährlich benötigt. Der zusätzliche Personalbedarf wird auf 194 Mitarbeiter geschätzt. Bei Kosten von 75.000 Euro pro Mitarbeiter entspricht das einem finanziellen Aufwand von rund 15 Millionen Euro jährlich.

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Nach Einschätzung der Fachleute im Energiemanagement müsste die jährliche Sanierungsquote auf sechs Prozent erhöht werden, um die Klimaziele zu erreichen. 160 Gebäude müssten jedes Jahr angepackt werden. Die Koalition strebt eine Sanierungsquote von vier Prozent an, und dennoch soll der Gebäudebestand möglichst schon 2030, spätestens aber 2040, klimaneutral werden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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