Totensonntag: Die Frankfurter Umweltdezernentin Tina Zapf-Rodríguez will die 36 Frankfurter Friedhöfe zu Orten machen, an denen sich Menschen treffen können und wohlfühlen. Und sie sagt, warum die Bestattungsgebühren steigen.

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Frau Zapf-Rodríguez, sind Friedhöfe heute noch wichtig als Orte der Trauer?

Sie sind unglaublich wichtig. Angehörige brauchen einen Ort der Trauer, für ein würdevolles Gedenken. Friedhöfe sind generell ein Ort der Erinnerungskultur, mit den denkmalgeschützten Gräbern und Gebäuden, den Kriegsgräbern. Gleichzeitig sind Friedhöfe natürlich auch Grünflächen, haben eine Funktion für Klima und Umwelt. Es gibt dort inzwischen Wildwiesen, Bienengärten, aber natürlich auch ganz viele alte Bäume. Die Friedhöfe in Frankfurt sind wichtige Rückzugsorte.

In Frankfurt Verstorbene werden aber häufiger nicht in der Großstadt, sondern andernorts beigesetzt. Knapp zehn Prozent waren es 2023, in anderen Jahren war es ein Viertel der Verstorbenen. Ist das ein frankfurtspezifischer Trend?

Einen Trend sehe ich nicht. Ich glaube, die Gründe sind sehr individuell, warum man sich gegen die Grabstätte in Frankfurt entscheidet. Die einen wollen Angehörige dort beisetzen, wo sie selbst leben, andere bevorzugen naturnähere Urnenbeisetzungen ohne Grabpflege, etwa in einem der Friedwälder. Inzwischen bieten wir auf den Friedhöfen auch Trauerwälder an, wie in Goldstein und Oberrad, auf dem Parkfriedhof Heiligenstock gibt es einen Trauerhain, um diesem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen. Wie wir ohnehin versuchen, verschiedenste Beisetzungsformen anzubieten. Nur Seebestattungen, die gibt es natürlich nicht in Frankfurt.

Frankfurt gilt als Stadt, in die man zieht, um zu arbeiten. Später verlassen viele sie wieder. Vielleicht sind die Menschen weniger verwurzelt in Frankfurt und wünschen sich deshalb, andernorts beigesetzt zu werden.

Es gibt keine Umfragen, die das untermauern könnten. Ich kann mir das aber gut vorstellen. Die Zahlen bestätigen, dass Frankfurt im Durchschnitt eine sehr junge Stadt ist. Und im Vergleich zu anderen Städten recht geringe Sterbefälle hat. Das kann natürlich gut sein, dass einige sagen, im Alter gehe ich dahin zurück, wo ich herstamme, in ein anderes Heimatland oder den Heimatort. Nichtsdestotrotz zeigen die Zahlen ja, dass die Mehrheit der Frankfurter, wenn sie sterben, auch in ihrer Stadt beigesetzt werden wollen, selbst wenn man gesetzlich sich inzwischen überall bestatten lassen kann.

Frankfurt ist also doch attraktiv?

Ich finde diese Mannigfaltigkeit an Friedhöfen, 36 an der Zahl, mit ihren unterschiedlichen Möglichkeiten, sich beisetzen zu lassen, gerade auch mit den Trauerwäldern, beeindruckend. Ich kann mir vorstellen, einmal so bestattet zu werden. An anderer Stelle, wie etwa auf dem Hauptfriedhof, haben die Gärtner einen Wildbienengarten und eine Blumenwiese angelegt, daneben steht der Leseschrank. Dort treffen sich Menschen, der Friedhof wird zum Ort des Verweilens. Das ist schön zu sehen. Es gibt eine Verbundenheit zum Friedhof. Und es gibt die ersten Friedhöfe mit mobilen Trauercafés. Die Frankfurter Friedhöfe sind schöne Orte der Ruhe, kleine Oasen innerhalb der Großstadt.

Zum 1. Januar steigen die Friedhofsgebühren. Ist in Frankfurt sogar das Sterben teuer?

Sicherlich hat die Großstadt im Vergleich zu umliegenden kleineren Kommunen mit weniger Friedhöfen mit Blick auf Logistik und Personal höhere Kosten, was sich in den Gebühren niederschlägt. Andere Großstädte haben dagegen vergleichbare Gebühren. Wir haben unsere Beträge mit denen von Offenbach verglichen: Eine Erdbestattung kostet dort ähnlich viel, bei einer Urnenbeisetzung hat man in Offenbach 800 Euro zu zahlen, in Frankfurt 1000 Euro.

Wir haben in Frankfurt viele Friedhöfe, alle müssen gepflegt werden, ob da bestattet wird oder nicht. Der Trend zu Urnengräbern bedeutet, dass viel weniger Flächen genutzt werden. Hinzu kommen die Folgen des Klimawandels für die Grünflächen. Wir versuchen, Abläufe zu optimieren und überhaupt alles so effizient wie möglich zu machen, beispielsweise nicht mehr benötigte Kühlzellen schalten wir ab, um Kosten und Energie zu sparen. Wir konzentrieren die Grabflächen, was die Pflege vereinfacht.

Die Frankfurter Friedhöfe werden nicht nur über Gebühren finanziert. Inzwischen werden 40 Prozent der Kosten aus dem städtischen Etat gedeckt. Aber das reicht offenbar nicht.

Friedhöfe sind kulturhistorisch bedeutend und wertvolle Grünflächen. Der Hauptfriedhof ist Frankfurts größte Grünfläche mit alten Bäumen, die das Klima verbessern, die Schatten spenden. Dass für den Erhalt der Friedhöfe öffentliche Haushaltsmittel eingesetzt werden, ist richtig und notwendig.

Was spricht dagegen, den Anteil höher anzusetzen, um bei den Gebühren konkurrenzfähig zu bleiben?

Das ist gebührenrechtlich nicht so einfach. Am Ende spielen verschiedenste Themen eine Rolle, warum es einen Anteil an Menschen gibt, die sich nicht in Frankfurt bestatten lassen. Ich glaube nicht, dass eine moderate Gebührensteigerung um durchschnittlich fünf bis sechs Prozent ausschlaggebend ist. Ich halte das Verhältnis, dass 40 Prozent der Kosten der Friedhöfe über Steuergelder und 60 Prozent über Gebühren finanziert werden, für recht ausgewogen.

Brauchen die Friedhöfe mehr Werbung?

Auf der Homepage machen wir auf alle Angebote aufmerksam, weisen auf die neue Blumenwiese, die sanierten Trauerhallen hin. Ich bin keine Freundin davon, Imagefilme zu drehen. Ein Friedhof ist ein würdevoller Ort der Trauer. Gleichzeitig möchte ich natürlich den Menschen näherbringen, welche verschiedenen Bestattungsformen wir anbieten. So gibt es jetzt Urnengrabstätten in Rasenflächen, wo es Ablagemöglichkeiten für individuellen Grabschmuck gibt, weil sich die Menschen das wünschen. Wir schaffen barrierefreie Zugänge.

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Auf dem Hauptfriedhof ist ein Velotaxi unentgeltlich im Einsatz. Wir wollen die Menschen unterstützen, einen Ort vorzufinden, an dem sie sich wohlfühlen. Ich glaube, das ist genau der richtige Weg, für die trauernden Angehörigen wie für alle Menschen in der Großstadt, die sich inzwischen solche Rückzugsorte wünschen. Friedhöfe sollten nicht mehr das Image haben, Orte des Todes zu sein, sondern Orte, an denen sich Tod und Leben vereinen. Friedhöfe sind in jeder Hinsicht wichtig für unsere Gesellschaft, insbesondere als gemeinschaftliche Orte.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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