Der Wandertipp: Einer der spektakulärsten Limesabschnitte erstreckt sich zwischen dem Kastell Kapersburg und einem wiedererrichteten Signalturm am Gaulskopf. Auf römischen Spuren geht es über den Taunuskamm durch Wälder im Wandel.

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Noch ein historischer Mauerfall: In diesen Tagen rundet sich der 1765. Jahrestag des Sturms von Alemannen und anderer Stämme auf den römischen Limes. Fast kampflos eroberten sie buchstäblich über Nacht die gut 550 Kilometer lange Grenzlinie im geteilten "Germanien". Freilich kam das Mauerende zum Jahreswechsel 259/60 nicht so überraschend wie jenes vom November 1989. Nach einem Jahrhundert fast friedlicher Koexistenz waren die beutehungrigen Völker bereits mehrfach tief in das Imperium eingedrungen, bevor sie die Gelegenheit verwaister Grenzen erkannten.

Dass es die "Barbaren" überhaupt wagten, das Symbol für Roms imperialer Größe mit seinen 120 Kastellen und 900 Türmen anzugreifen, erscheint gegenüber früheren Mutmaßungen heute weniger rätselhaft. Der Limes war nicht, wie man lange dachte, trotz des finalen Ausbaus mit Wall und Graben ein unbezwingbares Sperrwerk, sondern eher Machtsymbol und Demarkationslinie, ein Annäherungshindernis, das in ruhigen Zeiten für Hilfstruppen, Händler oder Siedlungswillige immer durchlässig blieb.

Neben dem geringen militärischen Wert wussten die "Germanen" die politische Großwetterlage auszunutzen. Auf dem Hintergrund der Reichskrise im unruhigen dritten Jahrhundert hatten die Römer seit Abzug starker Verbände ihre Vorposten weitgehend entblößt, wie beispielhaft am Kastell Kapersburg im Taunus nachgewiesen. Ab den dreißiger Jahren hielten nur wenige der ursprünglich 200 Mann Besatzung die Stellung. Für sie genügte ein Viertel der ursprünglichen Fläche von 1,6 Hektar.

Solche Aussagen ließen sich gewinnen, weil die militärischen Einrichtungen kaum Zerstörung zeigten und selbst authentische Rekonstruktionen erlaubten. Die Kapersburg konnte ebenso restauriert werden wie der nicht ferne "Römerturm" am 400 Meter hohen Gaulskopf. Er steht für eine zweifache Besonderheit. Zum einen ermöglichte privates Mäzenatentum schon 1926 den vollständigen Wiederaufbau, und zum anderen fällt das Objekt aus dem standardisierten Rahmen. Mit gut 20 Metern Höhe und 64 Quadratmetern Grundfläche war der Turm fast doppelt groß so wie die üblichen. Vermutlich diente er als weithin sichtbare Signalstation für Flaggen- oder Rauchzeichen zwischen der Wetterau und dem lange durch die unruhigen Chatten bedrohten Taunuskamm.

Welche Anstrengungen zu dessen Schutz unternommen wurden, gibt das Gebirge noch beeindruckend preis. Ohne Rücksicht auf die topographischen Gegebenheiten überwand die Grenze tiefste Talungen und steile Berge, was dem Erhalt wie an keinem anderen Abschnitt des Obergermanisch-Rätischen Limes nur zugutekommen konnte. Ohne diese physische Dimension hätte ihn die Unesco vor 20 Jahren nicht mit dem Prädikat eines Weltkulturerbes geadelt.

Wegbeschreibung

Ein guter Einstiegspunkt in die römische Welt des Taunus ist die Gemeinde Rosbach. Sie liegt verkehrsgünstig und erlaubt den direkten Zugang in geschlossene, jetzt auch im (Natur-)Wandel begriffene Wälder. Je nach Anfahrt kommt man vom Bahnhof durch die Nieder-Rosbacher Straße herüber, oder man beginnt an der Bushaltestelle Marktplatz in Ober-Rosbach.

Den Ortskern prägen gepflegte Fachwerkhäuser, ein spätgotischer Wehrturm – mit kleinem Museum zur örtlichen (Bergbau-)Geschichte – sowie die barocke Pfarrkirche, in deren Kern ein mittelalterlicher Chorturm steckt. Hier sichtet man das Zeichen schwarzer Strich. Er führt um das Gotteshaus (Kirchstraße), weiter mit der Straße In der Nonn und dann links hinauf durch die Eigenheim-Siedlung der Taunusstraße – oben an der baumgesäumten Gabelung rechts – zur Brücke über die Autobahn; davor liegt ein geräumiger Parkplatz.

Drüben setzt sich das muntere Steigen im Wald fort. Verschnaufen können wir an der mit Bänken umgebenen Dicken Eiche. Allerdings steht der mehr als 300 Jahre alte Baum nach Sturmschäden nicht mehr. Früher bildete er zwischen den noch bis in die fünfziger Jahre gehegten Niederwäldern eine wichtige Land- und Grenzmarke.

Dürre und Borkenkäfer sind die aktuellen Hauptfeinde des Waldes. Je höher wir kommen, desto größer werden die kahlen Stellen der Fällaktionen um 2020. Seitdem Pionierpflanzen wie Ginster, Brombeeren oder Birken die nun von forstlicher Bewirtschaftung freien Areale erobern ist das Bild wesentlich freundlicher. In seiner flächenhaften Ausbreitung verspricht der Ginster zur Blüte ein Rausch in Gelb. So auch beim unveränderten Bergauf (der Strich bleibt zurück).

Einer Markierung bedarf es hier nicht. Die Abzweige gen Kapersburg nach einem Kilometer rechts und weiteren 150 Metern links zeigen Wegweiser an. Das Kastell liegt etwas tiefer, mithin abwärts zum unteren Zugang. Vorbei am Bad schwenkt man in das Westtor des leicht an den Hang gelehnten Lagers. Dank der umfassenden Restaurierung im Vorfeld der Unesco-Bewerbung 2005 wurde aus der lange vernachlässigten Anlage mit Grünflächen und gekiesten Wegen ein regelrechter Landschaftspark.

Zurück zum Ausgangspunkt nehmen wir ein ganzes Zeichenbündel wahr, darunter blaues X und das Türmchen des Limeswanderwegs. Sie weisen rechts neben den mannshohen Wall ein. Nach knapp einem Kilometer reißt die Bewaldung an einer großen Rodungsflächen auf. Nur die Buchen am Ockstädter Kleinkastell durften bleiben, was den 25-Mann-Posten wie umwehrt wirken lässt.

Von einem Ginsterteppich begleitet, geht es unverwandt geradeaus weiter, nicht ohne dann im Forst die Limesseite nach links zu wechseln. Wieder rechts, besteht die Möglichkeit, dem nach Nässeperioden zum Aufweichen neigenden Parallelweg zu meiden, insbesondere den nun einsetzenden spektakulären Pfad zwischen Baumstümpfen und Strauchwerk (allein mit dem Limeszeichen).

Auf diesem Gang im Grenzbereich wird gegen Ende mit der Kaisergrube das nächste Kleinkastell berührt. Bei Wahl der Alternativroute gelangt man ausgangs per Abstecher hinüber. Sie beginnt an besagtem Walleinschnitt nach links mit den anderen Markierungen wie dem X. Auf komfortablem Forstweg haben sie einzig die Aufgabe, 400 Meter zu einem grünen Wegweiser zu führen. Dort wird rechts Richtung Butzbach abgebogen, ergänzt vom stilisierten Konterfei des Schinderhannes, Symbol für den Taunussteig.

Der erweist sich beim Geradeaus als moderat. Nach einem Kilometer treten die Limesgeher an der auffallenden Kreuzung mit Bewuchs hinzu, und gemeinsam strebt man dem massiven Turm am Gaulskopf entgegen. Auch er wurde erneuert und erlaubt das Erklimmen für den Rundblick vom Hintertaunus über die Wetterau bis zum Vogelsberg.

Wieder abgestiegen, behalten wir erst noch die Zeichen im Auge, folgen ihnen jedoch nicht länger links in den tiefen Einschnitt gen Usatal. Selbst hier verläuft der Limes. Weiter auf dem rampenartigen Abgang, stellt er jetzt gewissermaßen die Verbindung ins Römerland her. Zwischenzeitlich hat sich anderes Militär einquartiert. Wenn der Weg unten vor einer Betonpiste endet, ist dies auch Erinnerung an die jahrzehntelange Nutzung als Panzer- und Versorgungsstraße durch amerikanischer Truppen. Sie fuhren das Schießgelände auf dem Eichkopf an. Seit ihrem Abzug verwandelten es Naturschützer in ein großes Feuchtgebiet.

Das erklärt den Amphibienlehrpfad, der ab der Panzerstraße – davor rechts mit dem Naturpark-Symbol roter Rehbock – bis zum Forsthaus Winterstein assistiert. Die gleichnamige Einkehr besteht nicht mehr. Also mit den fortan gültigen Markierungen rotes und gelbes Kreuz auf der Zufahrtsstraße gleich weiter geradeaus, ebenso aus der nahen Linkskurve in den Pfad. Der schlängelt gut 700 Meter am Hang entlang, ehe die Zeichen links zu einem Forstweg absteigen; dort rechts.

Wenn das rote Kreuz bald links entschwindet, nehmen wir an seiner statt den grünen Punkt hinzu. Er besitzt bis zur Autobahnbrücke Gültigkeit. Nach 200 Metern biegt er rechts und weiteren 300 links ab, und damit ohne Unterlass geradeaus. Am Schluss erfolgt ein Richtungswechsel nach links durch dichtes Unterholz, aus dem wir vor der Brücke entlassen werden.

Anfahrt

Rosbach liegt nahe der A 5, Ausfahrt Friedberg und mit der B 455 bis Abzweig Ober-Rosbach. Für den Parkplatz unterhalb der Autobahn folgt man am besten den Radwegeschildern bis zur Taunusstraße; an der Gabelung oben rechts. Für Bahnanreisende: Mit S5 bis Friedrichsdorf und Hessische Landesbahn oder mit dieser direkt. Der Bus FB-33 verbindet mit dem Marktplatz.

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Sehenswert

Die Passage im Hochtaunus gilt als die am besten erhaltene des römischen Limes zwischen Rhein und Donau. Die mannshohen Wälle sind fast lückenlos verfolgbar, die Kastelle und Türme zumindest in Grundzügen gesichert, insbesondere das 200 Mann starke Numeruskastell Kapersburg oberhalb von Rosbach. Alle Aufbauten vom Fahnenheiligtum bis zum vorgelagerten Bad konnten freigelegt und aufgemauert werden. Die Besonderheit liegt im baulichen Nachweis der schrittweisen Aufgabe des Limes seit den Germaneneinfällen im 3. Jahrhundert. Bis zu dessen endgültigem Fall in der Neujahrsnacht 259/60 war das Militärlager fast ebenso entblößt wie weite Strecken der Grenzanlagen. Vermutlich auch der Signalturm auf dem Gaulskopf. Vollständig wieder aufgebaut, gilt er mit 20 Meter Höhe als einer der größten aller 120 Türme.

Öffnungszeiten

Ober-Rosbach, "Museum im Wehrturm", erster Sonntag im Monat 14 bis 16 Uhr; die römischen Einrichtungen sind frei zugänglich.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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