Ende der Atomkraft: Mit dem Ende der Atomkraft stehen große Veränderungen bevor. In absehbarer Zeit wird ein riesiges Gewerbegebiet in Biblis am Rhein frei. Darüber, wie es genutzt werden soll, besteht noch keine Einigkeit.

Mehr News aus Hessen finden Sie hier

Seit dem deutschen Atomausstieg wird das Atomkraftwerk Biblis zurückgebaut. Zwei der Kühltürme sind schon abgerissen, die restlichen sollen folgen. Damit wird in absehbarer Zeit ein großes Gewerbegebiet in Hessen frei und kann neu genutzt werden. Nun haben die Gemeinde Biblis, der Landkreis Bergstraße, der Energieversorger RWE und die Wirtschaftsförderung des Kreises eine Kooperationsvereinbarung für die weitere Nutzung des knapp 100 Hektar großen Areals unterzeichnet.

Früher gehörte die rund 9000 Einwohner zählende Gemeinde Biblis dank der Atomkraft zu den reichsten Kommunen Hessens. Es flossen nicht nur Steuern aus dem Betrieb des Kraftwerks in die Stadtkasse. Auch den Vereinen kam der Standort zugute, denn Kraftwerksbetreiber RWE erwies sich als großzügiger Mäzen der Vereinswelt. Doch das ist Geschichte. Mit dem deutschen Ausstieg aus der Kernkraft ging es mit den Finanzen der Gemeinde bergab. Heute fehlen pro Jahr rund drei Millionen Euro in der Gemeindekasse. Die Rücklagen seien aufgebraucht, es müssten dringend neue Einnahmequellen her, sagt Bürgermeister Volker Scheib (parteilos).

Auch der Landkreis hat Biblis im Blick. Vor allem wegen des direkt am Rhein gelegenen Gewerbegebietes, für dessen Nutzung neue Unternehmen gefunden werden sollen. Interessenten gibt es schon, obwohl das Kraftwerk noch nicht komplett abgebaut wurde und in direkter Nachbarschaft eine Halle mit rund 100 Castoren steht. Die sollen dort so lange bleiben, bis in Deutschland ein Endlager gefunden ist.

Attraktive Angebote für innovative Unternehmen

Es sind vor allem Gewerbetreibende aus der Speditionsbranche, die auf dem Areal riesige Lagerhallen errichten, oder Unternehmen, die dort große Rechenzentren bauen wollen. Das will der Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt (CDU) aber auf jeden Fall verhindern. Vielmehr wollen der Bürgermeister und der Landrat dort gern zukunftsfähiges Gewerbe, vor allem aus dem Energiesektor, sehen. Natürlich geht es dabei auch um die Einnahmen aus der Gewerbesteuer.

Grundstückseigentümer RWE plant derzeit, auf kleineren Flächen ebenfalls innovative Ideen umzusetzen. Unter anderem ist von Wasserstoff die Rede. Der Rückbau der bisherigen Anlagen, die rund 40 Hektar des Gebietes ausmachen, wird noch einige Jahre dauern. Aber es werden immer wieder kleinere Teilflächen frei, auf denen Unternehmen und RWE neue Ideen realisieren könnten.

Ein Start-up hat sich in einem früheren RWE-Gebäude angesiedelt. Doch bis Unternehmen sich dort in großem Stil niederlassen können, wird es noch gut zehn Jahre dauern. Dennoch sollen schon jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, innovativen Unternehmen ein attraktives Angebot zu machen.

Forderung nach finanzieller Unterstützung vom Bund

Die Lage direkt am Rhein, in unmittelbarer Nähe ein Bahnhof und nicht weit entfernt Autobahnen seien zusätzliche Pluspunkte für die Entwicklung des Geländes, hob der Landrat am Montag bei der Unterzeichnung der Vereinbarung im Bibliser Rathaus hervor. Zunächst werden der Landkreis und die Kommune sowie RWE einen Dienstleister für die Entwicklung des Areals bezahlen und mögliche Infrastrukturkosten tragen müssen. In einem sind sie sich dabei einig: "Wir wollen keine Schnellschüsse".

Interessieren Sie die Artikel der F.A.Z.?
Uneingeschränkter Zugriff auf diesen und alle weiteren zahlungspflichtigen F+ Inhalte auf FAZ.NET. Jetzt Abo abschließen.

Engelhardt und Landräte aus Kreisen in ganz Deutschland, in denen Atomkraftwerke stillgelegt wurden, haben die Bundesregierung angeschrieben und finanzielle Unterstützung gefordert. Denn während Landkreise, in denen die Kohleförderung eingestellt wird, vom Bund großzügig Mittel für alternatives Gewerbe erhalten, gehen die Landkreise, in denen Atomkraftwerke abgeschaltet wurden, bisher leer aus. Doch kurzfristig ist offenbar nicht mit Zuschüssen zu rechnen. Der Bund teilte lapidar mit, für die Forderung gebe es derzeit keine Finanzierungsprogramme.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.