Kritik an Grünen-Chef: Zwei Auslandsreisen des hessischen Ko-Vorsitzenden Andreas Ewald haben an der Basis scharfe Kritik ausgelöst. Er soll gegen die Parteistatuten und gegen das Gesetz verstoßen haben.

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Der Ko-Vorsitzende der hessischen Grünen, Andreas Ewald, ist in seiner Partei wegen zwei Auslandsreisen in die Kritik geraten. "Er war zu gierig." Mit diesen Worten fasst ein Parteimitglied den an der Basis des Landesverbandes herrschenden Unmut zusammen. Er geht auf einen sechsseitigen Rundumschlag zurück, der unter der Überschrift "Der Filz der Darmstädter Grünen und seine Auswirkungen auf die Landespolitik" Mitte September anonym über einen großen Verteiler an Parteimitglieder und Journalisten verschickt wurde.

Die darin enthaltenen Schilderungen lassen sich zum Teil kaum verifizieren. Nachprüfbar ist aber der gegen Ewald gerichtete Vorwurf. Der 35 Jahre alte Ingenieur steht seit Anfang des Jahres zusammen mit Kathrin Anders an die Spitze der Partei. Er benötigte drei Wahlgänge, um sich am Ende mit 55,5 Prozent der Stimmen durchzusetzen.

Im Unterschied zu Anders, die ein Landtagsmandat innehat, übt Ewald seine Aufgabe als von der Partei angestellte Vollzeitkraft aus. Den Einzug ins Parlament hatte er bei der Landtagswahl im Oktober denkbar knapp verpasst. Sobald in der laufenden Wahlperiode ein Abgeordneter der Grünen ausscheidet, könnte Ewald nachrücken.

Einwöchiges Programm in Israel

Aus der Antwort des Spitzenduos und der Schatzmeisterin Nina Eisenhardt auf Fragen der F.A.Z. ergibt sich, dass Ewald im April an einem einwöchigen Programm teilnahm, zu dem das European Leadership Network (ELNET) nach Israel eingeladen hatte. Die Organisation verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, die Beziehungen zwischen Israel und Entscheidungsträgern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stärken.

"Dieser persönliche Austausch zwischen Parlamentariern, Journalisten, Vertretern aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft ist Grundstein für dauerhafte Beziehungen zwischen Europa und Israel", heißt es auf der Homepage, die auch einen konkreten Reisebericht enthält.

Im Juli und im August nahm Ewald an einer mehrwöchigen Reise des International Visitor Leadership Programms teil, für das ihn das amerikanische Generalkonsulat nominiert hatte. Es wendet sich an "aktuelle und aufstrebende ausländische Führungskräfte", um auf diese Weise "die außenpolitischen Ziele der Vereinigten Staaten" zu unterstützen.

"Laut Geschäftsordnung des Landesvorstands obliegt den Landesvorsitzenden die Außenvertretung und die Wahrnehmung von Terminen", heißt es dazu in der Auskunft der Grünen-Spitze. Diese Aufgaben unterlägen keiner Genehmigungspflicht. Der Vorstand sei aber über die Einladungen informiert gewesen.

Keine Antwort auf F.A.Z.-Anfrage

Die an Ewald, Anders und Eisenhardt gerichtete schriftliche Frage der F.A.Z. nach dem Wert der Flüge, der Übernachtungen und der weiteren Annehmlichkeiten blieb unbeantwortet, "da die Delegationsreisen auf Einladung der genannten Institutionen erfolgten".

Bei der Steuererklärung für das Jahr 2024 werde Ewald die Reisen angeben, "sofern das nötig ist", lässt das Trio wissen. Es gehe "nicht um Geschenke, sondern um Einladungen der genannten Organisationen zur Teilnahme an einer Delegationsreise". Damit wird eine Unterscheidung getroffen, wie sie auch in vielen privatwirtschaftlichen Unternehmen üblich ist.

Deren Compliance-Vorschriften untersagen es Angestellten, Geschenke im Wert von mehr als 50 Euro anzunehmen. Dieses grundsätzliche Verbot kann aber eingeschränkt werden, wenn die einschlägigen Statuten festlegen, dass Essen oder Reisen unter Umständen nicht als Geschenke zu werten sind, die Annahme der Einladungen also erlaubt ist.

Das gilt aber nicht für die Statuten der hessischen Grünen. "Hauptamtliche MitarbeiterInnen von Bündnis 90/Die Grünen dürfen keine Geschenke entgegennehmen, die im Einzelfall einen Wert von 50 € übersteigen", heißt es im Spenden-Kodex unmissverständlich. Dieses Verbot gilt. Eine Bestimmung, die es relativiert, findet sich in den einschlägigen Vorschriften nicht.

Wirtschaftsprüfer der Partei mit Antwort unzufrieden

Ewald habe an den Reisen nicht teilnehmen dürfen, meinen seine Kritiker. Sie weisen darauf hin, dass der Aufenthalt in den Vereinigten Staaten sogar teilweise rein privat gewesen sei. Denn unabhängig von dem Programm habe er auch noch Urlaub in den USA gemacht. "Das US State Department hat die Möglichkeit eröffnet, nach den offiziellen Terminen noch auf eigene Kosten in den USA zu bleiben und dann erst die Rückreise anzutreten", heißt es dazu in der Stellungnahme zu den Fragen der F.A.Z.

Neben der Verletzung der Statuten der Grünen kommt aber auch ein Verstoß gegen das Parteiengesetz in Frage. Nach Paragraph 27 sind über Mitgliedsbeiträge hinausgehende "Geld- oder geldwerte Leistungen an die Partei" als Spenden zu bewerten. Dazu gehören "geldwerte Zuwendungen aller Art".

Wenn die für solche Fälle zuständige Bundestagsverwaltung vor diesem Hintergrund Ewalds Reisen prüft, dürfte sie die beiden als Spenden einstufen. Paragraph 25 des Parteiengesetzes verbietet aber die Annahme von Spenden in einer Höhe von mehr als 1000 Euro, wenn sie aus dem außereuropäischen Ausland kommen. So könnte Ewald sich selbst, aber auch seine Partei in große Schwierigkeiten gebracht haben.

Vor diesem Hintergrund ließ die Darstellung in dem anonymen Darmstädter Schreiben nicht nur die F.A.Z. aufhorchen. Auch wohlmeinende und aktive Mitglieder der Partei warnten ihre Spitze vor den Folgen dieses Finanzgebarens. So zeigte sich der Frankfurter Wirtschaftsprüfer Florian Chiron mit der Antwort des Landesvorstands auf seinen umfangreichen Katalog kritischer Fragen derart unzufrieden, dass er eine zweite Mail schrieb.

Landesgeschäftsführerin: "Alles in Ordnung"

Unabhängig von den Vorwürfen aus Darmstadt wies er den Vorstand darauf hin, "dass Eure Reaktion selbst den eigentlichen Anlass für einen möglichen Skandal schaffen könnte". Chiron hebt hervor, dass solche Reisen rechtlich ganz anders eingestuft würden, wenn sie nicht von Parlamentariern, sondern von einem Vollzeit-Mitarbeiter einer Partei angetreten würden.

"Die Darstellung, dass Andreas diese Reisen möglicherweise privat versteuern könnte, ist unlogisch und deutet auf eine gravierende Missinterpretation der rechtlichen Verantwortung hin." Die Reaktion auf diese Kritik fiel kurz aus. "Nach Auskunft des Bundesvorstands, wie auch der externen Wirtschaftsprüfung ist alles in Ordnung", schreibt die Landesgeschäftsführerin Bärbel Hartmann.

"Auch die Tatsache, dass bereits sehr viele Menschen aus unterschiedlichen Bundesländern und Parteien an solchen Reisen teilgenommen haben, kann ein Hinweis darauf sein, dass es kein Problem mit solchen Reisen gibt." Selbstverständlich stehe es Chiron aber frei, sich auch an den Bundesschatzmeister zu wenden.

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Daraufhin bat Chiron den geschäftsführenden Landesvorstand, ihm das Gutachten der Wirtschaftsprüfer und die Stellungnahme des Bundesschatzmeisters in Kopie bis zum Montag dieser Woche zur Verfügung zu stellen. Er bekam nichts.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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