F.A.Z. exklusiv: Die hessischen Grünen haben die umstrittenen Auslandsreisen ihres Ko-Vorsitzenden Andreas Ewald zur Privatsache erklärt. Der Versuch, die falsche Auskunft zu verheimlichen, ist missglückt.
Die hessischen Grünen haben die zwei umstrittenen Auslandsreisen ihres Ko-Vorsitzenden Andreas Ewald gegenüber der Bundestagsverwaltung als Privatsache deklariert. Das belegt eine von der Schatzmeisterin Nina Eisenhardt verschickte E-Mail, die der F.A.Z. vorliegt. Die Auskunft dürfte den Ausschlag dafür gegeben haben, dass das für Parteispenden zuständige Referat der Bundestagsverwaltung die Teilnahme an den beiden Programmen in einer rechtlichen Bewertung unbeanstandet ließ.
Ewald hatte sich von einer israelischen Organisation und vom US-Generalkonsulat einladen lassen. Parteifreunde warfen ihm daraufhin vor, damit nicht nur gegen die Compliance-Richtlinien der Grünen, sondern auch gegen das Gesetz verstoßen zu haben.
Wenn Parteien Zuwendungen wie etwa von Dritten finanzierte Reisen annehmen, handelt es sich dabei in der Regel um Spenden. Sie sind illegal, wenn sie, wie in diesen beiden Fällen, aus dem außereuropäischen Ausland stammen. Im Laufe der parteiinternen Auseinandersetzung hatte Ewald zunächst schriftlich mitteilen lassen, dass nach Auskunft des Bundesvorstands und externer Steuerprüfer "alles in Ordnung" sei. Belege dafür konnte er aber nicht vorweisen.
Was wie eine Art Freispruch aus Berlin wirkte
Inzwischen musste Ewald zugeben, dass es nur zu einem "Austausch" mit der Bundesgeschäftsstelle gekommen sei und man auf einen "kostenpflichtigen externen Prüfungsbericht verzichtet" habe. Der Umgang des geschäftsführenden Landesvorstands mit den Vorwürfen veranlasste die Ko-Vorsitzende Kathrin Anders, in einem Schreiben an führende Parteifreunde auf Distanz zu Ewald zu gehen. Julia Frank, die Vorsitzende des bei Weitem größten Kreisverbandes Frankfurt, forderte die Bildung eines unabhängigen Gremiums zur Aufklärung des Sachverhalts – vergeblich.
Die innerparteiliche Debatte schien sich zu beruhigen, als die Bundestagsverwaltung Anfang November das Ergebnis ihrer Prüfung verkündete. Es wirkte wie eine Art Freispruch. In ihrer Pressemitteilung des Bundestags wurde allerdings mehrfach unterstrichen, dass die Bewertung nur "auf der Grundlage der Sachverhaltsdarstellung durch die Partei" , also der Grünen, beruhe.
Den Ausschlag gab die E-Mail, mit der die hessische Schatzmeisterin Eisenhardt am 1. November eine Nachfrage aus Berlin beantwortete. Darin stellt sie fest, dass sie Ewalds Auslandsreisen nicht genehmigt habe. "Als Landesvorstand haben wir jedoch die von ihm außerhalb seiner dienstlichen Pflichten getätigten Reisen begrüßt."
Nach dieser Darstellung war Ewald also rein privat unterwegs. In den Genuss der teuren Reisen soll er nicht als Parteivorsitzender, sondern als einfacher Bürger gekommen sein. Also: Keine Zuwendung an die Partei, keine illegale Spende. Das war die Botschaft aus Wiesbaden, die man in Berlin für bare Münze nahm. Sie steht allerdings in einem eklatanten Widerspruch zu allen anderen einschlägigen Verlautbarungen des geschäftsführenden Landesvorstands. Als sich etwa die F.A.Z. und das Frankfurter Parteimitglied Florian Chiron unabhängig voneinander nach Ewalds Reisen erkundigten, rechtfertigte die Geschäftsführerin Bärbel Hartmann sie in teilweise gleichlautenden Antwortschreiben mit der Erklärung, dass den Landesvorsitzenden nach der Geschäftsordnung "die Außenvertretung und die Wahrnehmung von Terminen" obliege. "Diese Aufgaben unterliegen keiner Genehmigungspflicht", hieß es von ihr.
"Keine Privatangelegenheiten Ewalds"
In der gesamten innerparteilichen Debatte war zu jedem Zeitpunkt unstrittig, dass Ewald in Israel und Amerika in seiner Eigenschaft als Parteichef dienstlich unterwegs war. Das spiegelt sich auch in der Kommunikation der Führungsspitzen wider. So äußert sich Hartmann beispielsweise in der Korrespondenz mit Chiron zur richtigen Handhabung "der Reisen des Landesvorstands".
Dass dies aus ihrer Sicht keine Privatangelegenheiten Ewalds waren, erkennt man schon daran, dass sie in ihrem Schreiben nicht seinen Namen nennt, sondern nur das Amt. Weil die Einlassung gegenüber der Bundestagsverwaltung offenkundig das Gegenteil dessen war, was in der Partei und in der Öffentlichkeit kommuniziert und gedacht wurde, unternahmen die Spitzen der Grünen alles, um die Korrespondenz mit dem Bundestag geheim zu halten.
"Wir bitten um Verständnis, dass wir über Interna keine Auskunft geben können", teilte der Landesvorstand mit, als die F.A.Z. vor Wochen um die Herausgabe des Schriftwechsels bat. Auch die Bundesgeschäftsstelle hält sich bis heute bedeckt. Die Bundestagsverwaltung teilte auf mehrfache Nachfragen hin mit, dass sie die erbetenen Dokumente ohne die Genehmigung der Partei nicht veröffentlichen dürfe.
Am Mittwoch konfrontierte die F.A.Z. die Schatzmeisterin Eisenhardt und die beiden Vorsitzenden Anders und Ewald mit der E-Mail und der Behauptung, Ewald habe seine beiden Auslandsreisen "außerhalb seiner dienstlichen Pflichten" absolviert. Auf die Bitte um eine Stellungnahme zu dieser "falschen Auskunft" reagierte der geschäftsführende Landesvorstand mit einer Frage: "Wie kommen Sie zu der Einschätzung, Frau Eisenhardt habe eine falsche Auskunft erteilt?" Neue Informationen gab es nicht: "Für uns ist die Angelegenheit seit der Mitteilung der Bundestagsverwaltung, dass keine Bedenken hinsichtlich der parteienrechtlichen Zulässigkeit dieser Reisen bestehen, erledigt." © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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