Personalmangel bei der DB: Weil der Deutschen Bahn Personal für Stellwerke fehlt, können Züge der Hessischen Landesbahn oft nicht fahren. Dann bekommen sie kein Geld von den Verkehrsverbünden, haben aber weiter laufende Ausgaben.

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Die Hessische Landesbahn ist seit Jahren auf Wachstumskurs, die von diesem Eisenbahnunternehmen und seinen Beteiligungsgesellschaften befahrenen Strecken reichen inzwischen weit über die Grenzen des Bundeslands hinaus. Aber die Landesbahn ist nahezu ausschließlich auf Gleisen der Deutschen Bahn unterwegs. Damit ist die Landesbahn aber darauf angewiesen, dass der Betrieb auf den fremden Anlagen ordnungsgemäß abgewickelt wird.

Das allerdings ist nach den Worten von Veit Salzmann, Geschäftsführer der Landesbahn, immer seltener der Fall. Wie er am Dienstag berichtete, haben Stellwerksausfälle der Deutschen Bahn, verursacht durch fehlendes Personal, im ersten Halbjahr 2024 dazu geführt, dass die Landesbahn ungefähr zehn Prozent ihrer Fahrten nicht absolvieren konnte. Denn wenn ein Stellwerk nicht besetzt ist, kann der Betrieb auf der Strecke und in den Bahnhöfen nicht gelenkt werden. Wenn die Landesbahn nicht fährt, bekommt sie aber auch kein Geld von ihren Auftraggebern, das ist im Ballungsraum Frankfurt der Rhein-Main-Verkehrsverbund. Kosten entstehen dennoch, vor allem für das Personal.

Die Folge ist, wie sie Salzmann am Dienstag schilderte: Die Landesbahn rutscht in die roten Zahlen. Weil der Betrieb auch im vergangenen Jahr beeinträchtigt war, betrug das operative Ergebnis 2023 unter Einbeziehung der Tochtergesellschaften minus 370.000 Euro. Für 2024 erwartet Salzmann nichts Besseres. Die Verträge ließen auch nicht zu, dass die Landesbahn die Deutsche Bahn in Regress nehme. Es sei nur vereinbart, dass der Konzern künftig für den Schienenersatzverkehr mit Omnibussen aufkomme.

Landesbahn kämpft mit Personalmangel

Tobias Beckers, neben Salzmann der zweite Geschäftsführer der Landesbahn, zählte auf, wo überall gegenwärtig Stellwerke zu bestimmten Zeiten gar nicht oder nicht mit ausreichend Personal besetzt seien: im Frankfurter Hauptbahnhof, in Hanau, Aschaffenburg, Wetzlar, in der Wetterau und im Westerwald. In Aschaffenburg, wo Züge der Landesbahn enden, sei es bisweilen nicht möglich, sie in eine Abstellanlage zu fahren. In Frankfurt endeten Züge abends manchmal nicht im Hauptbahnhof, sondern im Westbahnhof. Hinzu kämen überall Bautätigkeiten, die oftmals nicht planmäßig verliefen.

Salzmann gestand zu, dass auch die Landesbahn, die mit ihren Beteiligungsgesellschaften zusammen 2200 Frauen und Männer beschäftigt, mit Personalmangel kämpfe. Deshalb habe es Ende vergangenen Jahres etwa auf der Strecke von Wiesbaden über Darmstadt nach Aschaffenburg Zugausfälle gegeben. Im Moment werde jedoch überall nach Fahrplan gefahren. Die Fluktuation unter den Lokführern sei niedrig, es würden gegenwärtig 80 im Jahr ausgebildet.

Auch das Personal für die neue Werkstatt in Butzbach, wo 80 Stellen entstehen, habe man fast beisammen. In Butzbach errichtet die Landesbahn für 110 Millionen Euro eine Instandhaltungsanlage, in der man nicht nur die eigenen Fahrzeuge, sondern gegen Geld auch die anderer Eisenbahnunternehmen warten möchte. Die Arbeiten dafür haben im Januar begonnen, die Inbetriebnahme eines ersten Abschnitts ist für Januar 2026 geplant, die gesamte Werkstatt soll dann im Mai jenes Jahres eröffnet werden.

Im laufenden Jahr sollen Züge der Landesbahn und ihrer Beteiligungsgesellschaften alles in allem 29,9 Millionen Kilometer zurücklegen. Das wäre der höchste Wert, den die Gruppe jemals erreicht hat. Die Zugkilometer waren von 2011 bis 2021 kontinuierlich von 14,3 auf 27,7 Millionen gestiegen, weil sich die Landesbahn-Gruppe wieder und wieder bei Ausschreibungen gegen die Konkurrenz hatte durchsetzen können. Dann aber waren sie bis 2023 auf 24,6 Millionen Kilometer gesunken, weil die Landesbahn ausgerechnet bei der Ausschreibung ihrer Stammstrecke, der Frankfurt-Königsteiner Eisenbahn, sowie bei der Taunusbahn nach Brandoberndorf der Deutsche-Bahn-Tochtergesellschaft Start unterlegen war. Dieses Unternehmen fährt dort nun auf Gleisen, die der Landesbahn gehören und weiterhin von ihr unterhalten werden.

Für kurze Zeit fährt die Landesbahn sogar bis nach Dortmund

Im Jahr 2024 ist bei der Landesbahn dafür der Mittelhessenexpress hinzugekommen, der bis Ende 2023 von der Deutschen Bahn betrieben worden war. Dies erklärt den Anstieg der Zugkilometer im laufenden Jahr. Beim Mittelhessenexpress handelt es sich um Regionalexpress-Züge von Frankfurt nach Gießen und dann einerseits nach Dillenburg, andererseits nach Marburg und weiter bis Treysa. Hinzu kommen Züge zwischen Gießen und Hanau über Friedberg. Die Betriebsaufnahme durch die Landesbahn hatte zunächst darunter gelitten, dass die neuen Fahrzeuge nicht rechtzeitig ausgeliefert worden waren, weshalb die Deutsche Bahn hatte aushelfen müssen.

Zu den neuen Leistungen der Landesbahn zählt auch eine ungewöhnliche im Norden: Wegen der Unterbrechung der Autobahn 45 als Folge einer baufälligen Brücke bei Lüdenscheid wurde der Eisenbahnverkehr zwischen Finnentrop und Iserlohn-Letmathe verstärkt, so dass dort nun auch die Landesbahn verkehrt. Vom Fahrplanwechsel im Dezember an sollen ihre Züge sogar alle zwei Stunden bis Dortmund fahren – allerdings nur solange, bis die A 45 wieder durchgängig befahrbar ist.

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Die Landesbahn hat selbst alte Fahrzeuge verkauft, und zwar nach Rumänien und Tschechien, wie Salzmann weiter berichtete. Dies führte auch dazu, dass der Jahresabschluss des Konzerns für 2023 trotz des Verlusts im laufenden Geschäft mit einem Gewinn vor Steuern in Höhe von 13,2 Millionen Euro abgeschlossen werden konnte, bei einem Umsatz von 475 Millionen Euro. An das Land Hessen als alleinigen Anteilseigner wird wie in den früheren Jahren eine Million als Dividende überwiesen. Zum laufenden Jahr sagte Salzmann, der Verlust im operativen Geschäft belaufe sich wegen der Stellwerkprobleme nach sechs Monaten schon auf etwa 700.000 Euro.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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