Rhein-Main-Link: Der Landtag plädiert dafür, die Pflicht zur Erdverlegung bei der Starkstromtrasse aufzuheben und Bedenken von Kommunen stärker zu berücksichtigen. Der Vorhabenträger Amprion warnt indes vor Verzögerungen.

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Mit der Starkstromtrasse Rhein-Main-Link, die einmal von Nord nach Süd durch Westhessen verläuft und die Landkreise von Waldeck-Frankenberg bis zur Bergstraße quert, hat sich der Hessische Landtag befasst. Das Landesparlament hat einen Beschluss gefasst, in dem in acht Punkten dafür geworben wird, die Bedenken der Gemeinden, Anwohner, Landwirte und Winzer stärker zu berücksichtigen. Gebaut und betrieben wird die Strecke durch Amprion, genehmigen muss den Verlauf aber die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde.

Zwar erkenne der Hessische Landtag an, dass die vier Gleichstromvorhaben des Rhein-Main-Links als leistungsstarke Nord-Süd-Verbindungen von hoher Bedeutung für die Energiewirtschaft seien, heißt es in dem gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen CDU und SPD. Allerdings müssten die Interessen der Betroffenen bei der geplanten Trassenführung stärker berücksichtigt werden. Ohne eine Akzeptanz in der Bevölkerung sei eine zügige Umsetzung nicht gewährleistet.

Weinbau müsse "besondere Rücksichtnahme erfahren"

"Der Landtag fordert die Bundesnetzagentur (BNetzA) und Amprion auf, die Bürgerinnen und Bürger sowie die kommunalen Vertreterinnen und Vertreter vor Ort offensiver und umfassender in die Planungen einzubeziehen und deren Anliegen stärker zu berücksichtigen", heißt es in dem Antrag. Dazu gehöre auch die Darstellung einer zweiten Trassenvariante als Alternative, beispielsweise entlang der Autobahnen, sowie eine raumverträglichere, landschafts- und bodenschonendere Realisierung: "Der für Hessen wichtige Weinbau muss eine besondere Rücksichtnahme erfahren."

Tatsächlich haben bisherige Planungen besonders die Hochheimer Winzer und ihre Weinberge unterhalb der Stadt stark betroffen. Zahlreiche Kommunen und Landkreise hatten sich bereits dafür eingesetzt, einen Verlauf entlang bestehender Trassen zu prüfen. Zudem hatten die Einwender an mehreren Terminen Gelegenheit gehabt, ihre Bedenken vorzubringen.

Allerdings gilt für Rhein-Main-Link ein beschleunigtes Verfahren entsprechend dem Bundesbedarfsplangesetz, das heißt, nicht alle Hürden eines üblichen Planfeststellungsverfahrens müssen genommen werden. Zudem wurde ein Verlaufskorridor mit Künstlicher Intelligenz ermittelt, der nur bei gravierenden Bedenken verschwenkt werden darf. Und es gilt die Pflicht, die Kabel unterirdisch zu verlegen – dadurch sollte die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht werden. Weil aber eine enorm breite Schneise aufgegraben werden muss und hinterher nicht mehr mit Tiefwurzlern wie Bäumen oder auch Weinreben bepflanzt werden darf, steht gerade die Pflicht zum Erdkabel nun besonders in der Kritik.

"Der Landtag fordert den Bund auf, die Pflicht zur Erdverlegung schnellstmöglich, auch für laufende Verfahren, aufzuheben und auch die Trassenführung als Freileitung rechtssicher zu ermöglichen", heißt es in dem Antrag der Regierungskoalition. Zudem wolle man sich in Hessen "auch weiterhin mit großem Nachdruck bei der Bundesregierung und der Bundesnetzagentur für Verschwenkungen des Trassenkorridors" einsetzen. Außerdem solle ermöglicht werden, streckenweise von der ausschließlich unterirdischen Bauweise abzuweichen oder verträglichere Spülbohrverfahren in Betracht zu ziehen. Durch solche Spülbohrverfahren könnten die Kabel in größere Tiefen eingebracht werden, allerdings ist das deutlich teurer und aufwendiger, als einfach die Trasse aufzubaggern.

Amprion-Sprecher warnt vor Verzögerungen von mindestens fünf Jahren

Dass der Antrag im Hessischen Landtag angenommen wurde, sieht man bei Amprion "mit großer Sorge". Der schnelle Ausbau der Netze sei für die Energiewende erforderlich, heißt es in einer Pressemitteilung des Netzbetreibers. Zudem nehme man als Vorhabenträger die Bedenken der Bürger und Kommunen sehr ernst und suche fortlaufend den Dialog. "So haben wir beispielsweise durch einen intensiven Dialog mit den Winzern aus der Weinbauregion rund um Kostheim und Hochheim nördlich des Mains ein gemeinsames Verständnis dafür gefunden, die Weinberge mit unserer Erdkabeltrasse geschlossen zu unterqueren", heißt es weiter. Diese verträgliche Lösung verfolge man nun mit Hochdruck.

Zudem sei das Vorhaben als Erdkabel-Projekt geplant und entsprechend im Bundesbedarfsplangesetz verankert. "Sollte der Erdkabelvorrang beim Rhein-Main-Link aufgegeben werden, wie von der hessischen CDU und SPD gefordert, müsste die Planung wieder bei null starten", sagt der Amprion-Sprecher, das bedeute eine Verzögerung von mindestens fünf Jahren.

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In der Rhein-Main-Region seien allerdings anstehende Industrieprojekte bereits auf den Strom angewiesen. Für eine Freileitung gälten andere Raumkriterien als für eine Erdkabeltrasse, außerdem müssten zwei Freileitungstrassen gebaut und müsse der Weg dafür gefunden werden. Für das bereits laufende Projekt seien bereits Kosten in Höhe von rund einer Milliarde Euro entstanden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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