Urteil aus Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verwirft einen Teil der rechtlichen Regelungen für die Arbeit des hessischen Geheimdienstes.

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Innenminister Roman Poseck (CDU) hätte sich eine stärkere Beachtung des Aspekts der Sicherheit gewünscht, kündigt aber Korrekturen an.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die rechtlichen Regelungen für die Arbeit des hessischen Geheimdienstes teilweise als grundgesetzwidrig verworfen. So erlaubten die Bestimmungen zur Ortung von Mobilfunkgeräten über einen längeren Zeitraum hinweg die Erstellung von Bewegungsprofilen. Das sei aber nur gerechtfertigt, wenn die Schutzgüter des Verfassungsschutzes konkret bedroht seien.

Dass diese Voraussetzung gegeben sei, stelle das Gesetz nicht sicher, heißt es in einem am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. Geklagt hatten Vertreter der vom hessischen Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuften Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Rechtsanwälte und ein freier Journalist. Sie wandten sich gegen verschiedene in dem Gesetz erlaubte Befugnisse zur Erhebung und Übermittlung von Daten. Sie waren zum großen Teil nach einem Urteil der Karlsruher Richter im Jahr 2023 geändert worden.

Intensive Grundrechtseingriffe

Die "hinreichende Eingriffsschwelle" vermisst das Gericht auch in den Vorschriften, die beispielsweise das Abrufen von Daten bei Fluggesellschaften betreffen. Die Einholung von Namen, Adressen Abflugzeiten und Buchungsmodalitäten lieferte zwar nur einen begrenzten Einblick in das Leben der Betroffenen. Aber je nach Ausmaß und Dauer würden "Grundrechtseingriffe von erhöhtem Gewicht" ermöglicht.

So könnten sämtliche zum Zeitpunkt der Anordnung noch gespeicherten Reisebewegungen abgefragt werden. Eine zeitliche Beschränkung der Anordnung sei offensichtlich nicht vorgesehen. Das erhöhte Gewicht des Eingriffs verlange nach der Festlegung von konkreten Kriterien. Dieser Anforderung werde das Gesetz nicht gerecht.

Ähnlich fällt auch die Beurteilung der Bestimmungen zum Einsatz verdeckter Ermittler aus. Er soll erlaubt sein, wenn es zur Aufklärung einer bestimmten beobachtungsbedürftigen Bestrebung oder Tätigkeit im Einzelfall geboten ist. Diese Regelung ermöglichte intensive Grundrechtseingriffe, genüge aber nicht den daraus folgenden Anforderungen an ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung, so die Richter.

"Starkes Zeichen für den Schutz der Grundrechte"

Sie monieren auch die Regelungen zur Weitergabe gewonnener Informationen an Strafverfolgungsbehörden. Sie dürfe "nur zum Schutz eines herausragenden öffentlichen Interesses und daher nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten" in Betracht kommen. Das Gesetz gewährleiste nicht, dass diese Voraussetzung eingehalten werde.

"Der lange Atem für die Grundrechte lohnt sich", sagte eine Sprecher der Gesellschaft für Freiheitsrechte "Das Bundesverfassungsgericht weist den hessischen Verfassungsschutz in die Schranken und festigt damit seine grundrechtsfreundliche Rechtsprechung zu den Geheimdiensten."

Moritz Promny, der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, sprach von einem "starken Zeichen für den Schutz der Grundrechte vor übermäßiger staatlicher Überwachung durch Geheimdienste". Innenminister Roman Poseck (CDU) kündigte an, "zeitnah Neuregelungen auf den Weg zu bringen und dafür Sorge zu tragen, dass diese innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Übergangsfrist bis Ende 2025 in Kraft treten können".

Das Bundesverfassungsgericht habe den Persönlichkeitsrechten in seiner Entscheidung eine hohe Bedeutung eingeräumt. "Dies gilt es zu respektieren, auch wenn ich mir eine stärkere Beachtung der Sicherheitsgesichtspunkte gewünscht hätte."

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Gerade in der heutigen Zeit vielfältiger Bedrohungen von innen und außen durch Extremismus, Terrorismus und Spionage seien gut ausgestattete Sicherheitsbehörden nötig, die über die notwendigen Befugnisse verfügen. "Daran werden wir nach Maßgabe des Rahmens, den das Bundesverfassungsgericht nun gesetzt hat, auch weiterarbeiten."  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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