"Magic Maids": Eisa Jocson und Venuri Perera beschwören im Mousonturm das Widerstandspotential gegen die globale Ausbeutung von Care-Arbeiterinnen.

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Frankfurt ⋅ Ein ganzes Sortiment an Besen ist an der Wand aufgereiht. In der Ecke bereiten sich die Performerinnen Eisa Jocson und Venuri Perera vor. Es wirkt wie ein kleines Ritual, wenn sie sich gegenseitig mit den Händen über den Körper streichen. Ein Ritual, das vorbereitet, schützt, vielleicht stärkt und aktiviert. Dann werfen sie eine Gewürzmischung aus kleinen Schalen auf Bühne und Publikumsränge, während ihre Lippen sich bewegen, als flüsterten sie eine Beschwörung. Ist der Raum derart bereitet, greifen sie beide zu einem Besen, klemmen ihn sich zwischen die Beine und beginnen, sich langsam durch den Raum zu bewegen, eins werdend mit den Besen, die hinter ihnen über den Boden streichen, als wären sie Verlängerungen ihrer Körper.

In ihrer neuen Tanzperformance "Magic Maids", die nun im Künstlerhaus Mousonturm uraufgeführt wurde, stellen Jocson und Perera eine Verbindung zwischen Hexen und Hausmädchen her. Für sie sind es zwei weibliche Archetypen, die in patriarchalen Gesellschaften verachtet und gefürchtet werden. Die Besen, mit denen sie sich in ihrer Performance immer wieder auf unterschiedliche Weise verbinden, mit denen sie beinahe verwachsen, symbolisieren beide Typen. Sie changieren auf der Bühne zwischen Reinigungsgerät und Hexenbesen, mutieren dabei vom Werkzeug schnell auch zur Körpererweiterung. Wie großartig Jocson, die ihren Lebensmittelpunkt in Manila hat, sich an weiblichen Archetypen und kolonialen Stereotypen abarbeiten kann, dürfte dem Frankfurter Publikum noch aus ihrer Trilogie "Happyland" vertraut sein, die zwischen 2017 und 2021 am Mousonturm zu sehen war. Gemeinsam mit Perera, die aus Colombo kommt und nun in Amsterdam lebt, findet sie auch für "Magic Maids" Körperbilder, die mit Vertrautem und Klischees spielen.

Etablieren sie anfangs noch in der Stille und im langsamen Durchschreiten des Raumes Körperbilder, die sacht auf der Kippe stehen, dreht die Performance im Verlauf des Abends zunehmend auf. Mysteriöse, beschwörende Klänge und düstere Lichtstimmungen rahmen den immer wilderen Ritt auf den Besen als Hexenzeremonie. Der laszive Gestus, den Jocson und Perera etablieren, kippt vom selbstbewusst provokanten Auftritt jedoch bald in ein Spiel mit einer Art Männerphantasie vom lasziv-unterwürfigen Hausmädchen, nur um gleich darauf wieder verzerrt zu werden. Dazu Technomusik und schließlich ein Bruch: Die Performerinnen machen eine Pause, kommen zu Atem, trinken etwas, tauschen sich aus.

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Dann wenden Perera und Jocson sich direkt an das Publikum, fragen einzelne Besucher, ob sie Hausmädchen aus Sri Lanka und von den Philippinen haben. Erzählfragmente von Care-Arbeiterinnen aus beiden Ländern und aus Indonesien schließen sich an, die von moderner Sklaverei weiblicher Körper in einer globalisierten, noch immer kolonialisierten Welt zeugen. Die kurzen Erzählungen genügen, um ein düsteres Bild zu zeichnen. "Let’s hang them", beschließen Jocson und Perera, und es wird klar, dass sie wörtlich verstanden die Besen meinen, die sie in ein Netz aus Seilen über der Bühne hängen. Doch die Besen haben sie während des Erzählens modifiziert, und Assoziationen an eine Art von Puppe und damit an die Puppenmagie aus Hexengeschichten liegen nicht allzu fern. So kann der Ausruf nach den drastischen Geschichten von Misshandlung und Ausbeutung auch als Beschwörung, Fluch oder Aufruf gegen die Unterdrücker verstanden werden, als Aufruf, Schluss zu machen mit der Ausbeutung von Care-Arbeiterinnen. Dass es dafür an der Zeit ist, macht die Performance deutlich. Das Vermögen der Körper im Widerstand ebenso.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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