Moritz Daniel Oppenheim: Erstmals zeigt das Jüdische Museum in Frankfurt den sogenannten Hagar-Zyklus des jüdischen Malers Moritz Daniel Oppenheim. Er blickt anders auf die Bibelgeschichte als die christlichen Künstler.

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Heute würde man wohl von einer Patchworkfamilie sprechen. Oder vielleicht von einer Leihmutterschaft? Weil Sara, die Frau von Abraham, davon ausging, sie werde kinderlos bleiben, brachte sie ihren Mann dazu, mit der ägyptischen Sklavin Hagar ein Kind zu zeugen. Hagars und Abrahams gemeinsamer Sohn Ismael kam bald darauf zur Welt. Doch auch Sara wurde unerwartet schwanger. So gab es nun auf einmal zwei Söhne: Ismael und Isaak. Sara drängte Abraham, seine Geliebte und ihren Sohn fortzuschicken. In der Wüste aber drohte ihnen der Tod. Ein Engel rettete die beiden und führte Hagar und Ismael zu einer Wasserquelle.

In drei Gemälden erzählt der jüdische Maler Moritz Daniel Oppenheim von dieser biblischen Dreiecksgeschichte. Oppenheim, 1800 in Hanau geboren und der erste Jude, der an einer Kunstakademie in Deutschland eine Ausbildung erhielt, zeigt den Moment, in dem Sara die Sklavin Hagar und ihren Mann zusammenbringt, er malt, wie Hagar und Ismael die Familie verlassen müssen und auch ihre Rettung in der Wüste. Im Jüdischen Museum in Frankfurt kann man diesen Hagar-Zyklus nun erstmals vereint sehen: Am Montagabend wurde die Neupräsentation in der Dauerausstellung des Museums gefeiert.

Nachdenklich und zögerlich statt erotisch aufgeladen

Zwei Bilder aus dem Zyklus konnte das Museum jüngst erwerben. Der Förderverein des Museums, die Frankfurter Crespo Foundation und die Kulturstiftung der Länder haben den Ankauf des 1832 entstandenen Gemäldes "Sara führt Hagar Abraham zu" gemeinsam finanziert. "Die Errettung von Hagar und Ismael in der Wüste" von 1826, das auch vorher schon als Leihgabe im Museum zu sehen war, wurde mit Mitteln des Fördervereins gekauft. Das dritte Bild aus dem Zyklus, das 1826 entstandene "Die Verstoßung der Hagar", ist im Besitz des Städelmuseums und wird an das Jüdische Museum ausgeliehen.

Die Hagar-Geschichte wurde vor allem im Barock häufig von Künstlern in Szene gesetzt – gerne schwülstig und erotisch aufgeladen. Oppenheims Gemälde dagegen sind anders: Er zeigt Hagar und Sara als nachdenkliche, zögerliche Figuren. Bei ihm erscheinen die Frauen auch nicht zwangsläufig als Konkurrentinnen, sondern zunächst als Verbündete. Zärtlich, sich vorsichtig an den Händen haltend malte Oppenheim die beiden auf dem Gemälde "Sara führt Hagar Abraham zu". Und Abraham erscheint darauf auch nicht wie ein Draufgänger. Skeptisch, zweifelnd blickt er seine Frau Sara an. Besonders wohl scheint es ihm mit der Ménage-à-trois nicht zu sein.

Oppenheims Blick auf die Geschichte von Hagar, Sara und Abraham unterscheidet sich so auch davon, wie christliche Künstler vor ihm das Geschehen deuteten. Sie schilderten die Dreiecksbeziehung meist als einen Triumph des Christentums über die jüdische Religion: Sara, als Christin identifiziert, setzt sich gegen Hagar, die "Ungläubige", durch. Mit seiner Darstellung, die die beiden Frauen nicht als Verfeindete zeigt, widersetzte sich Oppenheim dieser Logik.

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Das Jüdische Museum in Frankfurt hat vor Kurzem noch ein weiteres Gemälde des Künstlers in seine Sammlung aufnehmen können. Es ist als Schenkung eines Privatsammlers an das Haus gekommen. Auch dieses Bild zeigt eine biblische Geschichte: Oppenheim malte den persischen König Kyros, der den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem anordnete und den Juden damit die Rückkehr aus dem Exil ermöglichte. Auch für dieses Werk soll nun möglichst bald ein Platz im Museum gefunden werden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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