Deutscher Alpenverein: Die Sektion Frankfurt des Deutschen Alpenvereins ist der drittgrößte Sportverein der Stadt.
Das liegt am Trend zum Wandern und der Begeisterung für das Klettern. Der Verein erfüllt zudem wichtige Aufgaben in den Alpen.
Die Senioren hängen in den Seilen. Das ist anerkennend gemeint. Am Vormittag sind sie in einer Gruppe von einem guten Dutzend Kletterern gerade allein in der Halle des Deutschen Alpenvereins, Sektion Frankfurt zu Gange. Von Kletterkameraden am Boden mit dem Seil gesichert, erobern sie die Routen, die in die Steilwände hineingesetzt worden sind. Sie begeben sich nicht in die allerschwierigsten Überhänge, die die Halle bietet. Aber waghalsig darf man das Freizeitvergnügen schon nennen.
"Hier klettern Menschen jeden Alters", sagt Daniel Sterner, Vorsitzender der Frankfurter Sektion. "Jetzt um die Mittagszeit ist es sicherlich am angenehmsten." Es ist nicht so ruhig wie an entlegenen Alpenwänden, es ist auch nicht ganz so idyllisch. Aber in der Kletterhalle, sozusagen in den Preungesheimer Alpen, fühlt es sich dann schon ein bisschen wie in der Bergwelt an.
Boom durchs Klettern
Dort geht es seit dem Boom des Kletterns als Freizeitsport ohnehin immer leistungsorientierter zu. Dem Deutschen Alpenverein haben das Sportklettern und das Bouldern, bei dem ohne Seil bis in eine halbwegs ungefährliche Absprunghöhe von rund vier Metern geklettert wird, in den vergangenen Jahren einen kontinuierlichen Mitgliederzuwachs beschert.
Die Entwicklung der Frankfurter Sektion ist dafür beispielhaft. 2013 eröffnete der Verein neben seinem Stammsitz an der Homburger Landstraße eine Kletterhalle, seither ist der Mitgliederbestand von 5500 Bergsportbegeisterten auf mehr als 13.000 gewachsen, die Sektion ist somit der drittgrößte Sportverein der Stadt, übertroffen nur von der Eintracht und der TG Bornheim. Um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden, wurde die Zahl der Mitarbeiter auf 18 erhöht, verteilt auf fünf bis sechs feste Stellen im Kletterbetrieb und der Mitgliederverwaltung. Der Jahresetat beträgt rund eine Million Euro. "Klettern ist weiter unglaublich im Kommen, derzeit ist es auch als Schulfach in Hessen auf dem Vormarsch", sagt Sterner. "Nur das Frankfurter Schulamt tut sich noch etwas schwer damit."
Immerhin begibt sich aber gerade eine Klasse der Rackow-Privatschule auf den Weg zurück ins Klassenzimmer. Die Kinder wirken ausgepumpt von der Anstrengung an der Wand, aber sie strahlen, als sie das Gelände verlassen. Pädagogen schätzen am Klettern, dass sich die Kinder dabei sehr breit sportlich betätigen, aber auch lernen, sich zu konzentrieren. Dem Klettern wird gar eine therapeutische Wirkung nachgesagt. In Preungesheim gibt es dafür sogar einen "KlettTherapie-Treff". "Es ist faszinierend zu sehen, dass Klettern wirklich auf vielfältige Weise helfen kann", sagt Thomas Demmer. Er ist ebenfalls Mitglied in der Frankfurter Sektion und hilft dem Vorstand bei der Kommunikation. Das Klettern helfe auch Kindern, die mit Hyperaktivität zu kämpfen hätten. Sie fänden in der Kletterwand eine stumme, aber herausfordernde Helferin.
Viertälteste Sektion des DAV
Dem Alpenverein bescherte die Aufnahme des Kletterns ins Programm der Olympischen Sommerspiele außer dem Mitgliederzuwachs den Status einer olympischen Sportorganisation, die nun die Qualifikationswettkämpfe für die Olympischen wie für die Paralympischen Spiele verantwortet. Aus Frankfurt ist Tim Schaffrinna ein Kandidat, der seiner Sportart gemäß hoch hinaus will und von einem Start bei den Paralympics träumt. Schaffrinnas Sehfähigkeiten sind seit einer Hirnblutung eingeschränkt, zudem ist die rechte Körperseite beeinträchtigt. Seine Kletterkünste durfte der 29 Jahre alte Frankfurter beispielsweise schon beim Ball des Sports in der Festhalle vorführen.
Mit dem Klettern hat Frankfurt als 1869 gegründete viertälteste Sektion des wenige Monate zuvor in München ins Leben gerufenen Alpenvereins gewissermaßen die Brücke in die Moderne geschlagen. Die Tradition lebt aber ebenfalls weiter. Im Verlauf des Jahres 2024 hat der Verein in großem Maß in die Sanierung der Gepatschhütte, einer der vier von der Sektion verwalteten Schutzhäuser in den österreichischen Alpen, investiert – unter anderem in einen Anbau und eine 1500 Meter tiefe Bohrung, die dazu dient, Erdwärme zu erschließen. Wie viele andere deutsche Sektionen engagieren sich auch die Frankfurter in enger Kooperation der Alpenvereine aus Deutschland, Österreich und Südtirol grenzübergreifend für die Alpen.
Das Gepatschhaus, auf knapp 2000 Meter Höhe in den Ötztaler Alpen am Ende des Kaunertals gelegen, ist die älteste durchgängig bewirtschaftete Hütte des Deutschen Alpenvereins. Seit sie vor Jahrzehnten durch eine Straße erschlossen wurde, hat sie sich zu einem sehr beliebten Ausflugsziel auch für weniger lauffreudige Besucher entwickelt. Unter anderem deshalb wird sie gern für die Serie "Die Bergretter" und andere Fernsehproduktionen als Kulisse genutzt. Die Küche steht in gutem Ruf, weshalb ihr bei der Sanierung ein großer Teil der Investitionen in Höhe von rund vier Millionen Euro zugutekam. Das Engagement des Vereins wird nicht nur von Touristen, sondern auch von den Einheimischen geschätzt, wie Demmer sagt. "Die Verbindung der Region zu Frankfurt ist sehr innig. Wenn du dich in der Region als Mitglied der Sektion vorstellst, dann sind die Leute sehr aufgeschlossen. Es wird respektiert, was wir dort leisten."
Komfort auf 2000 Metern
Mit ihrem Anspruch auf gute Gastronomie steht die Hütte in der Tradition der Gründerväter. Der erste Frankfurter Sektionspräsident Theodor Petersen, ein Chemieprofessor, soll einst auch schon darauf geachtet haben, dass im Gepatschhaus immer gute Rheingauer Rieslinge vorrätig waren. Petersen war aber auch ein Bergpionier, nach dem ein Gipfel in den Ötztaler Alpen benannt ist, die rund 3500 Meter hohe Petersenspitze. Und so gehören Bergsteigen und Erforschen, aber auch die Pflege der Wege vor allem zwischen den vier recht nah beieinander gelegenen Frankfurter Hütten bis heute zu den Aufgaben des Vereins.
"Das ist eine große Verpflichtung, gerade jetzt in Zeiten des Klimawandels, weil sich auch die Bedingungen für Bergwanderwege teils massiv verändern. Wo vor Kurzem noch Eis oder Schnee waren, müssen wir jetzt matschige Wege befestigen", sagt Sterner, der zudem auf Vorträge und andere Angebote verweist, mit denen der Verein für die Gefahren der Bergwelt sensibilisieren will. "Aber dem haben wir uns eben als Alpenverein verschrieben." An diesen Arbeiten beteiligen sich allerdings nur wenige Dutzend der 13.000 Mitglieder, auch wenn gut die Hälfte ausdrücklich Engagement für den Naturschutz und gegen den Klimawandel als Motivation bei der Anmeldung angegeben haben.
Immerhin winkt jenen, die aktiv sind im Vereinsleben, ein langes Leben voller Gesundheit, wenn man Thomas Demmer glauben darf. "Wenn man die ersten Jahre im Klettern überlebt hat, dann hat man eine hohe Lebenserwartung", sagt er schmunzelnd. "Unter unseren Mitgliedern sind jedenfalls viele der ältesten Frankfurter, und die sind noch sehr agil." Nur in die Kletterwand begäben sie sich vernünftigerweise dann doch nicht mehr. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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