Zu viele Vorschriften: Zu wenig Geld für Pflichtaufgaben, immer mehr Auflagen etwa in der Kinderbetreuung: "Die Bürokratie macht uns fast handlungsunfähig", sagt der Präsident von Hessens Städte- und Gemeindebund. Und fordert Hilfe vom Bund.
Hessens Städte und Gemeinden ersticken an der Bürokratie. Außerdem stecken sie tief in den roten Zahlen, weil sie Kosten für Pflichtaufgaben nur unzureichend erstattet bekommen und aufgrund hoher Standards kaum in der Lage sind, ausreichend Personal für Kindertagesstätten zu gewinnen. Das hat das Präsidium des Hessischen Städte- und Gemeindebundes am Donnerstag mitgeteilt und den Staat zum Handeln aufgefordert. "Die Bürokratie macht uns fast handlungsunfähig", sagte Präsident Markus Röder, Bürgermeister von Hofbieber. Bund und Land müssten den Kommunen vertrauen und diese in die Lage versetzen, sich wieder selbst zu verwalten.
Der Städte- und Gemeindebund vertritt gut 400 kreisangehörige Städte und Gemeinden. Laut Röder müssen die Regelungsdichte zurückgefahren und den Kommunen weniger kostenintensive Vorgaben gemacht werden. Positiv erwähnte er das von der Landesregierung initiierte Bündnis für den Bürokratieabbau und die vom Sozialministerium angekündigten Vereinfachungen bei der Kinderbetreuung. Die Realisierung vieler Vorhaben stehe jedoch aus, beim Bürokratieabbau sei nur "kleinteiliges Vorgehen" sichtbar.
Forderung nach mehr Digitalisierung
Was bürokratische Vorschriften auslösen können, berichtete der Viernheimer Bürgermeister und Vizepräsident Matthias Baaß (SPD). Auf einer Bürgermeisterversammlung habe der Kreisbrandinspektor berichtet, dass jede Kommune Betreuungsplätze für 50 Menschen für Notfälle nachweisen müsse. Die Vorschrift gebe es offenbar seit 2018, wurde aber eher nicht angewendet. "Wenn bei uns ein Haus abbrennt, gucken wir natürlich, wo die Menschen bleiben. Wir kümmern uns", sagte Baaß. "Aber warum muss man das jetzt regeln?" Die Stadt müsse nun nachweisen, dass sie 50 Feldbetten gekauft habe, die sie wahrscheinlich in den nächsten Jahren nicht benötige.
Das bringe zum Ausdruck, dass den Bürgermeistern misstraut werde. "Wir können es. Wir machen es schon lange. Lasst uns in Ruhe mit den ganzen überflüssigen Regelungen, die ihr euch in den letzten Jahren erdacht habt", schimpfte Baaß.
In den Kommunen müsse auch die Digitalisierung vorangetrieben werden, damit knappes Personal für andere Aufgaben bereitstehe. Dazu gehört laut Röder auch die Antwort auf die Frage, wie lange digitale und analoge Prozesse noch parallel betrieben werden. Auf den Nägeln brenne vielen Gemeinden zudem der Katastrophenschutz, weil Feuerwehrautos immer größer würden. Laut Erstem Vizepräsidenten Carsten Helfmann (CDU), Bürgermeister von Eppertshausen, steigen damit die Anforderungen an neu zu bauende Feuerwehrgerätehäuser.
"Wir stehen an der Kippe"
Um die Hilfsfrist von zehn Minuten einzuhalten, ist der Platz für neue Gerätehäuser nicht immer frei wählbar, und viele müssen im Außenbereich errichtet werden. Helfmann sprach sich dafür aus, die Neubauten zu privilegieren, damit kein aufwendiger Bebauungsplan aufgestellt werden müsse. Aktuell erhalten die Städte eine Brandschutzförderung vom Land von 47 Millionen Euro. Der Betrag solle verstetigt werden, damit die Kommunen besser planen könnten. 2023 wurden in Hessen 69 Feuerwehrhäuser und 159 Feuerwehrfahrzeuge gefördert – insgesamt gibt es 2403 freiwillige Feuerwehren.
Hessens Kommunen wiesen 2023 laut Rechnungshof insgesamt ein Defizit von 694 Millionen Euro aus. "Wir stehen an der Kippe", sagte Röder. Die Ursache für die Finanzmisere resultiert seiner Meinung nach daraus, dass gesetzliche Vorgaben von Bund und Land an die Kommunen weitergereicht, aber deren Kosten nicht erstattet werden. Daher würde manche Kommune nicht umhinkommen, den Hebesatz für die Grundsteuer stärker anzuheben.
Der Präsident forderte, den Kommunen keine höheren Standards und weiteren Aufgaben aufzuerlegen. Bei der Kinderbetreuung würden die Folgen deutlich, obwohl in Hessen 326.000 Kitaplätze genehmigt seien, würden nur 280.000 Kinder dort betreut. Der Grund: Es fehlt an qualifiziertem Personal, die "Personalstandards" seien unerfüllbar. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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