Weltkulturen Museum Frankfurt: Schon 1938 sind Frankfurter Forscher um Leo Frobenius in Nordwestaustralien gewesen. Das Weltkulturen Museum gleicht die Expedition mit der Gegenwart ab und zeigt indigene Kunst.

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Es braucht nicht wirklich viel, um einen Zugang zu dieser Ausstellung zu finden. Auch wenn es naturgemäß nicht leichtfällt, in die Welt der Indigenen in Nordwestaustralien einzutauchen. Schließlich kennt man sich in den Überlieferungen, Mythen, Ritualen, in Kunst und Kultur auch der Woddordda, Ngarinyin und Wunambal, den Gemeinschaften der Wanija Wunggurr also, schlicht nicht aus. Hier aber, im Weltkulturen Museum, das sich mit der Ausstellung "Country bin pull’em" auf die Frankfurter Frobenius-Expedition im Jahr 1938 zurückblickt, ist es "unser täglich Brot, Weltbilder und Ideen anderer Gesellschaften zu zeigen und zu vermitteln", wie der Kustos für Ozeanien, Matthias Claudius Hofmann, sagt.

Das, keine Frage, gelingt der Schau mit historischen Fotografien, mit in Schwarz-Weiß aufgenommenen Zeugnissen von Felsmalereien etwa und den im Zuge der Forschungsreise entstandenen Kopien der die Expedition begleitenden Malerinnen Agnes Schulz und Gerda Kleist, mit dokumentarischen Filmaufnahmen, zahlreichen Artefakten wie Speerspitzen, Grabstöcken oder Parierschilden auf nachhaltig beeindruckende Weise. Und doch möchte man Hofmanns Blick auf die Kernaufgabe dieses Hauses in Anbetracht von "Country bin pull’em" pures Understatement nennen.

Leistet das gemeinsame Projekt des Weltkulturen Museums mit den Aboriginal Corporations Dambimangari, Wilinggin und Wunambal Gaambera, dem Frobenius-Institut der Frankfurter Goethe-Universität sowie dem Centre for Rock Art Research der University of Western Australia doch beinahe spielend ungleich mehr. Im Grunde wechselt die Ausstellung in jedem Saal zunächst beinahe unbemerkt die Perspektive. Folgt etwa auf die Dokumente und Berichte der historischen Expedition der Blick auf erste, seinerzeit von Kleist und Schulz vor den Felsbilder von Koralyi aquarellierte Malereien, widmet sich die Schau den hier vor Tausenden von Jahren in Erdfarben kunstvoll formulierten Bilderzählungen und richtet dann wieder den Blick auf die eigene Sammlungsgeschichte.

"Das Land hat sie zu sich gezogen"

Die Pointe aber ist noch einmal ungleich aufregender. Verlässt doch die Präsentation immer wieder den historischen Rahmen, weshalb man von einer "musealen", allein die Vergangenheit in den Blick nehmenden Ausstellung eigentlich nicht ernsthaft sprechen möchte. Mehr noch, indem 2023 eine Reise von Forschern des Frobenius-Instituts um Richard Kuba zu den zahlreichen in den Dreißigerjahren dokumentierten Felsbildstellen und zu den dort lebenden Menschen zurückführte, verortet sie die Kultur der Wanija Wunggurr-Gemeinschaften ganz selbstverständlich in der Gegenwart. Und blickt von dort zurück und nach Europa.

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Immerhin hatten die Forscher auch Faksimiles von Agnes Schulz’ und Gerda Kleists vor Ort entstandenen Aquarellen im Gepäck. "Das Land hat sie zu sich gezogen", könnte man den von den indigenen Kooperationspartnern gewählten Titel "Country bin pull’em" übersetzen. Und spätestens hier beginnt man zu verstehen, was er meint. Bis im nächsten Saal erneut die Perspektive wechselt. Hatte doch das Weltkulturen Museum im Herbst 2023 mit Leah Umbagai, Pete O’Connor oder Rona Gungnunda Charles Künstler aus den Gemeinschaften der Wanija Wunggurr nach Frankfurt eingeladen, sich mit den Sammlungen des Hauses zu beschäftigen.

Entstanden sind malerische wie grafische Arbeiten, kunstvolle Objekte, aber auch und Artefakte wie traditionelle Formen aufnehmender Tanzschmuck, welche die fortdauernde Präsenz und Gültigkeit der Mythen, Zeichen und Symbole nicht einfach bloß behaupten. Vielmehr scheinen sie buchstäblich aufgehoben im konzentrierten künstlerischen Prozess. Denn auch wenn sie mit Acryl auf Leinwand statt mit natürlichen Pigmenten auf Baumrinden oder Felsen malen, wiewohl auch die Künstler auch wenn sie mit Tusche ebenso zeichnen wie Holzschnitt, Siebdruck oder Linolschnitt das Repertoire der klassischen künstlerischen Techniken selbstverständlich erweitern: In der indigenen Kunst der Gegenwart führen Themen und Motive die Bild gewordenen Erzählungen der Alten fort.

Und halten sie, auch wenn sie vielleicht doch nicht aller Zeit enthoben sind, doch allemal lebendig. Was die vielleicht erstaunlichste, sich zunehmend verdichtende Erkenntnis ist, die den Besucher beim Rundgang durch die Schauräume begleitet. Von einer "sterbenden Welt in Nordwestaustralien" hatte schließlich einst der Leiter der historischen Expedition, Helmut Petri, in seinem erst in den Fünfzigerjahren erschienenen Bericht über die Kultur der Wanija Wunggurr geschrieben. Die sterbende Welt aber, so nimmt man auch als Laie aus dieser glänzend aufbereiteten Ausstellung mit, sie hat nicht nur in Museen, Depots und in Archiven ihren Ort. Sie lebt.

Country bin pull’em, Weltkulturen Museum Frankfurt, bis 31. August 2025. Ein Katalog ist in Vorbereitung.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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