Rhein-Main-Link: Die Stadt Butzbach lehnt wie Münzenberg und Rockenberg den geplanten Verlauf der Trassen für den Rhein-Main-Link ab. Das hat mit Baugebieten und großen Waldflächen der Kommune zu tun.
Wenn Michael Merle auf den geplanten Verlauf der Rhein-Main-Link genannten Küstenstromleitungen denkt, sagt er unumwunden: "So kann die Trasse nicht verlaufen." Der sozialdemokratische Bürgermeister von Butzbach kann den bisher von der Bundesnetzagentur bekannt gemachten anderen Möglichkeiten aber auch nichts abgewinnen. Für sie müsste die Stadt am Nordrand der Wetterau nicht nur Dutzende Hektar mit Buchen und Eichen bewachsenen Wald opfern. Der Bau der Stromtrasse machte außerdem Investitionen in neue Bäume zunichte, die Butzbach als Ersatz für sterbende Buchen pflanzen lässt.
Merle sieht außer Butzbach auch die Nachbarstadt Münzenberg und die ebenfalls nur wenige Kilometer entfernt gelegene Gemeinde Rockenberg einem erheblichen Leidensdruck ausgesetzt. Die Pläne der Bundesnetzagentur bringen demnach "auseinander, was kommunale Familie genannt wird". Die zuerst vorgesehene gemeinsame Stellungnahme zu den Plänen des Bundes wird es nicht geben. Schließlich muss jede Kommune mit Blick auf den Rhein-Main-Link ihre Interessen verfolgen. Münzenberg fürchtet um seine Wasserversorgung. Denn die Bauarbeiten für die Stromleitungen würden sie aufbrechen. Als Folge könnte Regen in der Erde gebundenes Nitrat ins Grundwasser spülen und zwei der vier städtischen Brunnen verunreinigen, lautet die von Bürgermeisterin Isabell Tammer (FWG) formulierte Sorge.
Rockenberg sieht durch den bevorzugten Trassenverlauf die Entwicklung des Baugebiets zwischen seinen beiden Ortsteilen in Gefahr. Denn die vier Leitungsbündel sollen sich zwischen Eberstadt und Muschenheim hindurchschlängeln, Trais-Münzenberg rechts passieren und bald hinter dem Ort nach Westen abbiegen. Anschließend verlaufen sie fast parallel zur Landesstraße von Münzenberg und Rockenberg. Die Stränge lassen danach Oppershofen knapp südlich liegen, um an Ostheim und Fauerbach vor der Höhe vorbei dem Taunus zuzustreben. Schon zur Vorstellung der Pläne im August in Butzbach hat Rockenbergs Bürgermeisterin Olga Schneider (Dorfpartei) einige Bedenken skizziert.
"Die Stromautobahn neben die Autobahn legen"
Der Bürgermeister von Butzbach belässt es aber wie seine Amtskolleginnen in den Nachbarkommunen nicht bei dem grundsätzlichen Nein zu den Plänen des Bundes für den Verlauf der Küstenstromleitungen. Zumal er weiß: Der Rhein-Main-Link ist das überregionale Infrastrukturprojekt hierzulande schlechthin. Es soll Windstrom von der Küste in den Großraum Frankfurt bringen und dort die Energieversorgung sichern helfen. Die nördliche Wetterau profitierte davon bestenfalls am Rande, hätte aber große Lasten zu tragen.
Angesichts dessen sollte sich der in Fragen der regionalen Flächenplanung federführende Regionalverband Frankfurt/Rhein-Main viel vernehmlicher einschalten, meint Merle. Schließlich gehörten Butzbach, Münzenberg und Rockenberg dem Verband an. Nun lässt sich eines nicht ändern: Der Strom muss von Norden nach Süden. Aber die teils geschützte Landschaft zu queren, sie in einem 75-Meter-Streifen umzupflügen, bei sonstigen Bauvorhaben zum Tragen kommende Schutzvorschriften für Tiere und Pflanzen zu ignorieren und vielleicht auch noch Wälder dauerhaft abzuholzen – das lehnt die Stadt Butzbach ab. Deshalb spricht Merle sich wie seine Amtskolleginnen in Münzenberg und Rockenberg für Freileitungen aus. "Die Stromautobahn neben die Autobahn legen", lautet sein Motto. Gemeint ist die A 5.
Der Butzbacher Magistrat lässt sich rechtlich und planerisch beraten, dazu hat er Experten für Bodenkunde engagiert. Aus den Gesprächen sind zwölf Seiten voller Bedenken und zwölf Anregungen für die Bundesnetzagentur und den Netzbetreiber Amprion entstanden. Demnach soll der Bund seine Autobahn GmbH nicht als Zaungast ansehen. Vielmehr solle er bisher für die Autobahn geschützte Flächen in die Planung einbeziehen. Dabei geht es um 40 Meter links und rechts von der A 5, und das nicht nur in der Wetterau, sondern auch den nördlich davon gelegenen Landkreisen. In dieser Zone besteht ein sogenanntes Anbauverbot, wie ein Planer während einer Konferenz Ende August in Butzbach sagte. Dort lägen Kabel und Rückhalteräume für Regen, zudem müsse der Raum für einen möglichen Ausbau der Autobahn frei gehalten werden.
Boden wird von Archäologen geprüft
Er ließ aber ein Hintertürchen offen: Kabel nahe der A5 seien nicht ausgeschlossen. Was er nicht sagte, aber offensichtlich ist: Sollte die A5 gen Norden ausgebaut werden, müssten die 40-Meter-Streifen einbezogen werden für den Straßenbau. In der Folge gäbe es neue Anbauverbotszonen. Insofern gibt es Spielraum. Merle stört an den Planungen, dass für die Trasse beste Agrarböden geopfert werden müssten und die Stadtentwicklung eingeschränkt würde. Nun will Butzbach auf solchen Agrarflächen selbst Gewerbe ansiedeln, so wie es in der Vergangenheit schon geschehen ist zwischen der Kernstadt und Nieder-Weisel. Nur: Diese Bautätigkeit käme der Stadt zugute – anders als der Rhein-Main-Link.
Derzeit schauen sich Archäologen den in Rede stehenden Boden an und haben schon bedeutende Funde gemacht. Dies habe ihm Kreisarchäologe Jörg Lindenthal gesagt. Das verwundert nicht. Denn Bandkeramiker, Kelten und Römer haben vielerorts in der Wetterau ihre Siedlungsspuren hinterlassen. In Butzbach herrscht sogar ein Siedlungsverbot, wo das Weltkulturerbe Limes betroffen ist. Je weiter entfernt von der A 5 gegraben werde, desto mehr komme die Archäologie ins Spiel. Grabungen kosteten Geld und Zeit.
Ob sich angesichts dessen der Plan halten ließe, bis 2026 die Feinarbeiten am Trassenverlauf abzuschließen? Das sei unkalkulierbar und ein "Riesenthema" für die Planer, sagt Merle. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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