Fall Messari-Becker: FDP und Grüne in Hessen tun so, als müssten sie in dem Untersuchungsausschuss zur Entlassung der Staatssekretärin Messari-Becker ein großes, dunkles Geheimnis lüften. Dabei kennen sie - und nicht nur sie - die Antwort auf die wichtigste Frage seit langem.

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Nach "fest" kommt "ab", sagen Handwerker, wenn sie eine Schraube anziehen – und sind entsprechend vorsichtig. Gegen diese Regel haben die Landespolitiker von Grünen und FDP im Fall der entlassenen Wirtschafts-Staatssekretärin Lamia Messari-Becker verstoßen. Sieben Wochen lang trieben sie den Minister Kaweh Mansoori (SPD) mit hoher Professionalität vor sich her.

Sein Fehler: Er trennte sich von der Professorin nicht nur, sondern lieferte noch eine überflüssige Begründung, gegen die sie nun juristisch vorgeht. Mehr kann eine Opposition aus einem solchen Vorgang nicht herausholen. Doch mit dem Antrag, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, sind FDP und Grüne zu weit gegangen. Sie haben überdreht.

Grüne und FDP erwecken falschen Eindruck

Abgeordnete aller Fraktionen müssen sich jetzt noch intensiver mit einem Vorgang beschäftigen, der angesichts seiner begrenzten Bedeutung kaum einen Bürger interessiert – und dies, während die Krisen der Luftfahrtwirtschaft und der Automobilindustrie über das Land kommen. Dabei erwecken Grüne und FDP den falschen Eindruck, dass sie ein Geheimnis aufklären müssten.

Tatsächlich kennen die beiden Fraktionen – und nicht nur sie – die Antwort auf die von ihnen gestellte wichtigste Frage seit Langem. Sie betrifft das von Mansoori monierte "Fehlverhalten". Der Vorwurf, den Messari-Becker bestreitet, läuft darauf hinaus, dass sie ihr Regierungsamt für den Versuch missbraucht habe, eine bessere Abiturnote für ihre Tochter zu erwirken. Politiker und Journalisten haben sich über Details bisher nicht öffentlich geäußert. Sie wollten auf Messari-Beckers Privatsphäre, vor allem aber auf die Tochter Rücksicht nehmen.

Wann kann man von Amtsmissbrauch reden?

Darum wird über den Sachverhalt in Wiesbaden nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Kann man von Amtsmissbrauch erst reden, wenn eine Mutter die Schulleitung mit dem ausdrücklichen Hinweis auf ihre hohe Position explizit unter Druck setzt? Oder ist es nicht genauso fragwürdig, wenn sie ihre Stellung bewusst, aber nur nebenbei anklingen lässt und im Ringen um eine bessere Note für ihre Tochter lediglich allgemein für eine konsensfähige Lösung plädiert?

Dazu kann man unterschiedliche Meinungen haben. Dass ein Sozialdemokrat wie Mansoori, der sich aus einfachen Verhältnissen hocharbeiten musste, beim Thema Chancengerechtigkeit sensibel ist, wird man ihm zugestehen müssen. Und nur auf ihn kommt es in diesem Fall an.

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Der Untersuchungsausschuss nimmt sich Messari-Beckers Auftreten in der Schule nun im Einzelnen vor. Der in der Verwaltung vorhandene "Sachverhaltsbericht" wird vorgelegt und damit praktisch öffentlich. Was Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) Mutter und Tochter ersparen wollte, fordert jetzt der Untersuchungsausschuss. Mansoori könnte am Ende besser dastehen als jetzt. Denn in dem Gremium sind die Regierungsfraktionen gezwungen, endlich entschieden Partei für ihn zu ergreifen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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