Milliardenprojekt in Frankfurt: Die Stadt Frankfurt steht vor dem Abschluss des Grundstücksgeschäft für einen Neubau ihres Schauspiel genannten Theaters.

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Anfangs fürchtete der Magistrat hohe Risiken, jetzt wähnt man sich auf der sicheren Seite. Doch es fehlt noch eine Entscheidung aus Brüssel.

Die Frankfurter Stadtverordneten finden die Beschlussvorlage an diesem Mittwoch in ihren Postfächern. Sie sollen einem mehr als 210 Millionen Euro teuren Grundstücksgeschäft zustimmen, mit dem der Neubau des Schauspielhauses zwischen den Hochhäusern des Bankenviertels ermöglicht wird. Die Stadt zahlt diese Summe an die Frankfurter Sparkasse und erhält als Gegenleistung ein über 199 Jahre laufendes Erbbaurecht für ein 5500 Quadratmeter großes Grundstück an der Neuen Mainzer Straße. So sieht es der Plan vor, den der Magistrat am vergangenen Freitag abgesegnet hat.

Grundzüge dieses mit der Sparkasse und ihrer Muttergesellschaft, der Landesbank Hessen-Thüringen, ausgehandelten Geschäfts haben Oberbürgermeister Mike Josef und Kulturdezernentin Ina Hartwig (beide SPD) schon im Juli präsentiert. Die Höhe der Zahlung wurde damals von einigen Stadtverordneten kritisiert, denn das Grundstück ist nach den offiziellen Bodenrichtwerten deutlich weniger wert: Je nachdem welches Jahr man als Referenz heranzieht, kommt man auf rund 94 bis 126 Millionen Euro.

Aus der aktuellen, von Hartwig erstellten Vorlage, geht jetzt hervor, wie der Magistrat die Summe von 210 Millionen Euro rechtfertigt. Demnach kommen zum Verkehrswert in Höhe von 131,6 Millionen Euro ein gutachterlich ermittelter Aufschlag für die "erhöhte Lagequalität" in Höhe von 9,2 Millionen Euro sowie eine Entschädigung für die Umzugskosten der Sparkasse in Höhe von 69,2 Millionen Euro hinzu. Das Geldinstitut hat seine Zentrale derzeit noch auf dem künftigen Schauspiel-Grundstück, hat aber bereits ein im Rohbau fertiggestelltes Büro- und Geschäftshaus an der Hauptwache gekauft. An den Kosten für den Abbruch des Altbaus an der Neuen Mainzer Straße beteiligt sich die Stadt mit weiteren 3,75 Millionen Euro.

Inflation und mögliche Kriege verunsichern

Insgesamt schlägt das Grundstück also mit rund 214 Millionen Euro zu Buche, die in den nächsten Jahren in den städtischen Haushalten berücksichtigt werden müssen – neben den Kosten für Planung und Realisierung der Neubauten von Oper und Schauspiel. In den nächsten vier Jahren sollen für Planung und Bau zunächst insgesamt 77 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Wann die 214 Millionen Euro für das Grundstück fällig werden, muss noch im abschließend auszuhandelnden Erbbaurechtsvertrag festgelegt werden. Auf jeden Fall muss die Stadt die Summe auf einmal aufbringen. Ursprünglich waren eine Einmalzahlung von 35 Millionen Euro und jährliche Zahlungen in Höhe von jeweils 1,99 Millionen Euro über 199 Jahre ins Auge gefasst worden. Das sind zusammen 431 Millionen Euro – und damit auf den ersten Blick deutlich mehr als die jetzt vereinbarten 210 Millionen Euro. Politiker der Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt sprachen deshalb davon, dass eine für die Stadt günstigere Lösung gefunden worden sei. Wie aus Hartwigs Vorlage hervorgeht, sind die beiden Varianten finanziell ungefähr gleichwertig. Das Ratenmodell hätte nach Einschätzung des Magistrats jedoch schwer kalkulierbare Risiken mit sich gebracht. Denn die Sparkasse verlangte eine Wertsicherungsklausel, die zu regelmäßig steigenden Raten geführt hätte. Bei einer jährlichen Preissteigerung von 2,5 Prozent hätte sich über 199 Jahre eine Gesamtsumme von mehr als einer Milliarde Euro ergeben. Währungsreformen, Inflation oder Kriege hätten nach Einschätzung des Magistrats die künftigen Raten zusätzlich beeinflusst. Die Einmalzahlung sei deshalb risikoärmer.

EU-Kommission prüft monatelang

Ob sie finanziell besser oder schlechter ist, hängt aber von verschiedenen Annahmen ab. Wirtschaftlich gleichwertig sind die Varianten, wenn man eine jährliche Preissteigerung von 2,5 Prozent und einen Zinssatz für die Refinanzierung in Höhe von 3,5 Prozent zugrunde legt. In den vergangenen Jahren konnten sich Kommunen allerdings zu deutlich günstigeren Konditionen Geld leihen.

Ein weiteres Risiko befindet sich in Brüssel: Ob der Betrag für das Erbbaurecht angemessen ist oder eine unerlaubte Beihilfe für die Sparkasse darstellt, muss die EU-Kommission prüfen. Dieses sogenannte Konformitätsverfahren könne "deutlich mehr als zwölf Monate in Anspruch nehmen", heißt es in der Vorlage. Und der Ausgang sei nicht vorherzusehen.

Parallel zu diesem Verfahren will der Magistrat Architektenwettbewerb, Bürgerbeteiligung und die Änderung des Bebauungsplans vorbereiten. Für die Steuerung des Projekts soll eine "Realisierungsgesellschaft Städtische Bühnen" gegründet werden, zu der die Mitarbeiter der heute dafür zuständigen Stabsstelle des Kulturdezernats wechseln sollen.

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Die Gesamtkosten des Bühnenprojekts müssen jetzt neu berechnet werden. In der zuletzt veröffentlichten Schätzung in Höhe von 1,3 Milliarden Euro waren die Kosten für das Grundstück an der Neuen Mainzer Straße noch nicht enthalten. Es ist aber nicht so, dass Geld keine Rolle spielt: In Punkt sieben der aktuellen Beschlussvorlage wird der Magistrat beauftragt, eine Kostenobergrenze zu erarbeiten – zumindest für den Neubau des Schauspielhauses.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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