Weltkulturen Museum: Am Weltkulturen Museum gibt Mona Suhrbier die kommissarische Leitung Ende des Jahres ab. Im April verlässt sie das Haus, in dem sie eine Reihe indigener Künstler bekannt machte.
Gut vorbereitet sind Mona Suhrbier und ihr Team, wenn Larissa Förster, Honorarprofessorin am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität Berlin, das Weltkulturen Museum in Frankfurt Anfang Januar als neue Direktorin übernimmt.
Ein Jahr lang hätten sie in Frankfurt Zeit gehabt, sich zu sammeln und sich darüber klar zu werden, wer sie sind und wofür sie stehen, sagt Suhrbier. Seit Direktorin Eva Raabe das Haus zum Ende des Jahres 2023 verlassen hat, leitet sie das Weltkulturen Museum kommissarisch.
Es ist die Spitze einer langen Karriere: Seit 1988 ist Suhrbier, die in Düsseldorf geboren wurde und in Frankfurt und Marburg Ethnologie studierte, schon am Weltkulturen Museum beschäftigt, zunächst mit einem Werkvertrag, dann seit 1990 fest angestellt. Sie ist Kustodin für Amerika, mit einem Schwerpunkt auf Lateinamerika, besonders auf das Amazonasgebiet und Afrobrasilien. Seit 2020 war sie stellvertretende Direktorin, das Haus und seine Mitarbeiter kennt sie wie ihre Westentasche.
Digitalisierung ist noch nicht so weit vorangeschritten
Mit den 23 Mitarbeitern ging es 2024 in moderierten Gesprächen um Themen, die für das Haus wichtig sind – vor allem die Dekolonialisierung. Sie stehe zudem in engem Austausch mit der zukünftigen Direktorin Förster, die über viel Erfahrung in der Provenienzforschung verfüge.
Der kritischen Aufarbeitung kolonialer Kontexte fühlt sich das Frankfurter Haus wie auch andere ethnologische Museen im deutschsprachigen Raum verpflichtet, die 2019 gemeinsam die "Heidelberger Stellungnahme" zur Dekolonialisierung unterzeichnet haben.
Auch die Digitalisierung ist noch nicht so weit vorangeschritten, wie Suhrbier und ihr Team das gerne hätten. Zwar seien alle Objekte inventarisiert, aber die Sammlung ist noch nicht im Internet zugänglich. Dabei ist die Einrichtung einer Onlinedatenbank auch deshalb wichtig, weil sie es erheblich erleichtern würde, mit indigenen Aktivisten, internationalen Wissenschaftlern und Vertretern von Herkunftsgesellschaften im Dialog über die Museumssammlungen zu bleiben.
Mit Hilfsbereitschaft gleicht das Museum die fehlende Onlinedatenbank aus: "Egal, wer uns anfragt, es gibt immer eine Liste der jeweiligen Exponate", so Suhrbier. Diese zu erstellen bedeute aber Mehrarbeit für die Kustodinnen.
Experimentelle Herangehensweise des Museums
Rund 65.000 ethnographische Objekte aus Ozeanien, Afrika, Südostasien sowie Nord-, Mittel- und Südamerika befinden sich in der Sammlung des Weltkulturen Museums. Ausgewählte Objekte bekommt das Publikum in den Ausstellungen zu sehen, die immer Sonderausstellungen sind: Eine Dauerausstellung gibt es in den historischen Villen des Museums am Schaumainkai nicht. In der geplanten Dependance an der Neuen Mainzer Straße soll aber von 2027 an mehr Raum für Präsentationen und Veranstaltungen zur Verfügung stehen.
Mit einer experimentellen Herangehensweise "an der Schnittstelle von Ethnologie und Kunst" findet das Weltkulturen Museum sein Publikum. Schließlich sei es das erste ethnologische Museum in Deutschland gewesen, sagt Suhrbier, das zeitgenössische Kunst gesammelt habe.
In den Siebzigerjahren habe die Afrika-Kustodin Johanna Agthe während eines Forschungsaufenthaltes in Kenia Kunstwerke zu sammeln begonnen, eine Idee, die der neue Direktor Josef Franz Thiel aufgenommen und so die Sammlung systematisch ausgebaut habe.
Damit sei eine andere Sichtweise auf die Werke im Museum einhergegangen, sagt Suhrbier. Kunstgegenstände von Indigenen seien nach westlichen Kriterien erworben worden, das heißt, von jedem Werk kenne man seinen Urheber: "Vorher waren unsere Werke namenlos."
"Wer spricht für wen?"
Ein besonderes Anliegen sei ihr immer gewesen, die Augenhöhe zwischen den Kulturen herzustellen, so Suhrbier. In der Ausstellung "Healing" zeigte sie vor zwei Jahren im Westen anerkannte Künstler neben noch unbekannten indigenen Künstlern, Marina Abramović neben dem Maler Harry Pinedo aus Peru – "er ist jetzt ganz gut auf dem europäischen Markt angekommen", sagt Suhrbier.
Er ist nicht der Einzige, der durch das Weltkulturen Museum internationale Aufmerksamkeit erhielt. "Wir waren oft Pioniere", sagt Suhrbier. "Als Erste luden wir 2001 den Künstler Jak Katarikawe aus Uganda ein". Als junger Hirte hatte er ohne Ausbildung zu zeichnen begonnen, später gehörte der 2018 gestorbene Katarikawe zu den bekanntesten Malern Ostafrikas und ist in Sammlungen und Museen auf der ganzen Welt vertreten.
In die von ihr kuratierten Ausstellung "Entre terra e mar – Zwischen Erde und Meer" lud Suhrbier 2017 die brasilianische Rap-Gruppe Brô MC´s ein – vier junge Männer, deren Anliegen es ist, die Aufmerksamkeit auf die Lage ihres Volks, der Guaraní, zu lenken. "Sie wurden nach ihrem Auftritt international bekannt", sagt Suhrbier. Genau wie der von ihr ausgestellte afro-brasilianische Künstler Ayrson Heráclito, der in seinen Arbeiten die Sklaverei in Brasilien thematisiert.
Immer sei ihr Ansatz die Frage gewesen: "Wer spricht für wen? Ethnologen sprechen nicht mehr für die anderen, sondern indigene Gemeinschaften und Künstler sprechen für sich selbst." Daher auch die Einladungen, um in den Ausstellungen zu den ethnologischen Exponaten zu arbeiten oder Ausstellungen zu kuratieren.
Ihre Rolle als Ethnologin sieht Suhrbier darin, Wege zu finden, andere zum Sprechen zu bringen. Sie sei "Ermöglicherin", sagt sie. Ende April 2025 wird sie in den Ruhestand gehen. Endlich wieder Zeit, zu reisen: "Ich habe viele Freunde in der ganzen Welt, die werde ich alle besuchen." © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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