Frankfurter Gesichter: Andreas Mulch leitet das Frankfurter Senckenberg-Institut. Er erforscht Gebirge, aber leistet im Museum auch Aufklärung, wenn es um Naturschutz geht. Denn dieser fängt für ihn im Kleinen an.
Umweltverschmutzung kann so schön sein. Zumindest mit den Augen eines Fotografen betrachtet. Auf den ersten Blick könnte man das großformatige Bild an der Wand von Andreas Mulchs Büro für ein abstraktes Gemälde halten: eine Komposition von rotem und purpurnem Gewölk vor tiefblauem, nach oben hin lichter werdendem Hintergrund. Mulch erklärt, was da zu sehen ist: Es sind die Schlieren des Öls, das 2010 aus der Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko austrat.
Ökologische Desaster zu verklären, liegt dem Professor fern, das versteht sich angesichts seiner Stellung von selbst. Mulch gehört schließlich zum Leitungsteam einer Institution, die den Untertitel "World of Biodiversity" führt. Er firmiert als Direktor von Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg; formal über ihm steht nur Senckenberg-Generaldirektor Klement Tockner.
Nach Tockner ist Mulch, Jahrgang 1973, in Frankfurt die bekannteste Führungskraft der traditionsreichen Wissenschaftseinrichtung. Oft vertritt er Senckenberg bei Veranstaltungen wie der 200-Jahr-Feier des Physikalischen Vereins. Innerhalb der Senckenberg-Welt, die mittlerweile acht Institute und Museen umfasst, kümmert er sich vor allem um die Forschung und den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die diversen Ausstellungen.
"Wir müssen mehr mit Optimismus-Themen arbeiten"
Das saloppe, unkomplizierte Auftreten des Mittelhessen Mulch und die etwas leisere Art des Österreichers Tockner ergänzen einander gut. Ähnlich ist ihr Blick auf die globalen Herausforderungen: Beide verfallen angesichts der nicht besonders rosigen Aussichten für Klima- und Umweltschutz weder in Resignation noch in wissenschaftsfremden Aktivismus.
"Wir müssen mehr mit Optimismus-Themen arbeiten und positive Zielbilder schaffen", findet Mulch. Im Museum will er die Besucher nicht gleich mit "Doomsday-Storys" erschrecken, sondern ihnen etwa erst einmal die Schönheit eines Korallenriffs zeigen – um dann zu erklären, warum diese bedroht ist.
Aufklärung über Naturschutz
Ebenso wichtig ist ihm, Ehrenamtliche in die Senckenberg-Arbeit einzubinden und praktisches Wissen über Naturschutz in die Gesellschaft zu tragen. Das ermögliche Erfolge auch im Kleinen: "Wenn ich in meinem Garten zwei Schmetterlingsarten mehr habe, dann habe ich etwas erreicht."
Mulch selbst ist nicht der Prototyp des Naturmenschen, wie er zugibt. Er hat zwar in der Jugend Fossilien gesammelt, Geologie studierte er aber vor allem wegen der Vielseitigkeit des Fachs, das angewandte Physik, Chemie und Biologie in sich vereint. Er konzentrierte sich auf Isotopenanalysen sowie die Zusammenhänge zwischen Gebirgsbildung, Klima und Artenvielfalt. Bevor er nach Frankfurt wechselte, hatte er eine Professur in Hannover inne; auch an den Universitäten Minnesota und Stanford hat er gearbeitet.
Aus der amerikanischen Eliteuni hat der Vater zweier Kinder eine Devise mitgenommen, die ihm Ansporn und Hypothek zugleich war: "Mach einfach, was du willst – aber du musst darin der Beste der Welt sein." Inzwischen erzählt Mulch diese Anekdote gerne den Nachwuchsforschern, die zu Senckenberg kommen, aus eigener Erfahrung wissend, welchen Leistungsdruck eine derart konditionierte Freiheit erzeugen kann: "Daran musste ich mich erst gewöhnen."
Mulch freut sich darüber, dass er immer öfter junge Wissenschaftler aus dem Ausland in seinem Büro begrüßen kann. Auch sie kann er dann raten lassen, was es mit dem purpur-blauen Bild an der Wand auf sich hat. Und mit den beiden Steinplatten auf seinem Besprechungstisch. Die eine ist Quarzit mit metallisch funkelnden Glimmer-Einschlüssen, 25 Millionen Jahre alt, die andere Sandstein: ein fossiles Stück Strand, garantiert nicht mit Erdöl verunreinigt. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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