Fotokunst: Das Fotomuseum Winterthur zeigt in der Frankfurter DZ Bank Kunststiftung eine Auswahl aus seiner Sammlung.

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Frankfurt ⋅ Vielleicht lag es damals einfach in der Luft. Die Protagonisten der Düsseldorfer Becher-Schule waren längst erwachsen, die Fotografie drängte mit Macht in die Museen und den Kunstbetrieb, es lag vor gut 30 Jahren also alles andere als fern, dass private und institutionelle Sammlungen zeitgenössischer Kunst sich verstärkt der Fotokunst zuwandten. Auch und gerade in Frankfurt, wo Jean-Christophe Ammann schon früh ganze Werkgruppen von Barbara Klemm, Abisag Tüllmann, Thomas Ruff und Jeff Wall für das Museum für Moderne Kunst erwarb. Trotzdem: Ein mittlerweile weithin berühmtes Fotomuseum wie das in Winterthur oder eine Unternehmenssammlung, die zur Gänze dem Medium verpflichtet ist, wie die der heutigen DZ-Bank-Kunststiftung – so manchem Kunstbetrachter erschien das seinerzeit durchaus gewagt.

Insofern wirkt die Ausstellung "Der Sammlung zugeneigt", die nun in der Kunststiftung zu sehen ist, zunächst vor allem sammlungsgeschichtlich interessant. Als regelmäßiger Besucher am Platz der Republik kommt man schließlich kaum umhin, angesichts der Gastausstellung des Schweizer Museums die Philosophien beider Häuser miteinander abzugleichen. Tatsächlich sind die Kollektionen 1993 zeitgleich begründet worden, eine ganze Reihe von längst zu Klassikern avancierten Positionen wie die Nan Goldins sind zudem sowohl in Frankfurt als auch in Winterthur vertreten.

Doch obwohl man die Auswahl der Winterthurer Kuratorin Alessandra Nappo von gerade einmal 16 Künstlern kaum repräsentativ wird nennen wollen, setzen beide Sammlungen offenbar unterschiedliche Akzente. Schon die erste Frankfurter Sammlungsleiterin Luminita Sabau hat installative und in die Skulptur ausgreifende Arbeiten angekauft, ein Ansatz, der bei den Gästen nur eine Nebenrolle spielt. Vor allem aber war die DZ Bank seit den Neunzigerjahren darauf bedacht, für die eigene Sammlung nicht nur Einzelwerke, sondern ausnahmslos ganze Werkgruppen zu erwerben.

Sich öffnenden Blicke zurück nach vorn

"Der Sammlung zugeneigt" stellt Diane Arbus derweil mit gerade einmal zwei Aufnahmen vor. Hannah Collins’ gewaltiger Silbergelatineprint "Sex II" macht buchstäblich Lust auf Meer, und Zoe Leonards "1998 Bearded Lady Calendar" setzt lange vor der Zeit genderpolitische Zeichen. Die Schau legt eine ganze Reihe höchst unterschiedlicher Spuren durch die Schweizer Sammlung. Es sind Fäden, die inhaltlich vornehmlich um das Thema Identität kreisen, formal indes ebenso in die Kunstgeschichte führen wie zur Reportage, zum Selbstporträt und zum Stillleben, mithin in eine Fotografie, die der Kunst und der Dokumentation verpflichtet ist. Sie führt den Besucher zu schlicht großartigen Arbeiten wie Roni Horns "From Some Thames" zu Lewis Baltz’ 1988 entstandener Serie "Candlestick Point" und zu den ebenso spontanen wie experimentellen Polaroids des früh gestorbenen Mark Morrisroe, dessen Nachlass das Museum Winterthur verwaltet.

Manche Spuren aber führen schlicht ins Nichts. Eine seriell arbeitende Künstlerin wie Cindy Sherman mit einem einzigen ihrer legendären, in Schwarz-Weiß aufgenommenen "Untitled Film Stills" vorzustellen ist dann doch einigermaßen abenteuerlich.

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Es sind die sich öffnenden Blicke zurück nach vorn, die Akzente setzen. Wenn Marc Lee und die junge taiwanische Künstlerin John Yuyi die Welt der Bilder im Zeitalter der neuen Medien, Likes und Algorithmen reflektieren, führt das den Betrachter unmittelbar ins Zentrum aktueller Diskurse. Lorna Simpsons Blickrichtung ist derweil nur scheinbar eine gänzlich andere, wenn sie sich mit "Summer ’57/Summer ’09" auf die Pin-up-Fotografie der Fünfzigerjahre bezieht und dabei als ihr eigenes Modell vor der Kamera inszeniert. Auch sie schließt an wegweisende Arbeiten an, etwa die Shermans. Als schwarze Frau, die sich mit ihrer Reihe auf ein gefundenes Fotoalbum bezieht, das wiederum auf Pin-up-Bilder der Fünfziger rekurriert, setzt die New Yorker Künstlerin aber nachhaltig eigene, ebenso selbstbewusste wie künstlerisch überzeugende Akzente.

Der Sammlung zugeneigt Kunststiftung DZ Bank, Platz der Republik, Frankfurt, bis 28. September, geöffnet dienstags bis samstags von 11 bis 19 Uhr  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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