Brückensicherheit: Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden hat die Sicherheit der Brücken in den Blick gerückt. Geprüft wird nach Vorschrift, auch in Frankfurt. Manchmal kommt dabei ein Boot zum Einsatz.

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Sicherheit geht in die Arme. "Die beiden werden das heute Abend spüren", prophezeit Andreas Herzog, Leiter des Sachgebiets Bauwerksunterhaltung beim Frankfurter Amt für Straßenbau und Erschließung. Die beiden, das sind zwei Mitarbeiter eines Ingenieurbüros aus der Nähe von Mannheim, die mit einer Kurbel den Brückenwagen am Arthur-von-Weinberg-Steg in Bewegung setzen. Mit Muskelkraft rollen sie ein Stahlseil auf, um die Arbeitsbühne nach oben zu ziehen. Auf diese Weise lässt sie sich auch die Brücke entlang bewegen.

Die Konstruktion heißt in der Fachsprache Untersichtwagen. Während er für die Radfahrer und Fußgänger verborgen ist, die den Weinberg-Steg zwischen dem Frankfurter Stadtteil Fechenheim und Offenbach-Bürgel nutzen, bietet er dafür den Prüfingenieuren einen umso besseren Blick auf die Unterseite der Brücke.

Doch sie nehmen die Stahlträger nicht nur aus nächster Nähe mithilfe einer Stirnlampe in Augenschein. Abdul Othmann haut auch mit einem Hammer dagegen und gibt so auf der Oberseite des Stegs zumindest ein akustisches Zeichen seines Tuns. Die alle sechs Jahre anstehende Hauptprüfung heißt "handnah", und das ist wörtlich gemeint.

16 Mainbrücken werden geprüft

Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden hat dem Thema Brückensicherheit neue Aufmerksamkeit beschert. In Frankfurt hat man damit voriges Jahr weniger dramatische, aber ebenfalls einschneidende Erfahrungen gemacht. Damals wurde die Omegabrücke in Griesheim kurzfristig gesperrt und kurzfristig abgerissen. War bei ihr der Stahl in Beton eingeschlossen, so liegt die Stabbogenkonstruktion des 1982 fertiggestellten Arthur-von-Weinberg-Stegs offen zutage und lässt sich entsprechend leicht beurteilen.

"Ein Riss im Beton macht erst mal nichts", sagt Sachgebietsleiter Herzog. "Den kann man weiter beobachten, denn die Spannung liegt im Stahl darin." Beim Stahl selbst hingegen gebe es keine Toleranz. "Riss ist Riss, egal wie groß." Bauingenieur Herzog hat zwar selbst die Zusatzausbildung zum Prüfingenieur. Die Kontrolle der Brücken vergibt das Amt jedoch vollständig an externe Büros. "Wir schreiben sie in Losen aus", sagt der Sachgebietsleiter. Oft seien die Büros spezialisiert, etwa auf Holz- oder Betonbrücken.

Die Mannheimer Prüfingenieure nehmen in diesem Jahr 16 Frankfurter Mainbrücken unter die Lupe. Das zu bündeln ist nach Worten Herzogs auch deshalb sinnvoll, weil sie sich dafür mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung absprechen müssen und dies dann gleich für alle Untersuchungstermine tun können.

Generalsanierung in zwei bis drei Jahren

Wenn sich der Untersichtwagen in Richtung Brückenmitte und damit der Fahrrinne des Mains bewegt, legt ein sogenanntes Wahrschauboot vom Ufer ab. Die Arbeitsbühne verringert die Durchfahrtshöhe unter der Brücke, deshalb warnt das Boot herannahende Schiffe und zwingt sie zur Kurskorrektur – ähnlich wie ein mit Blinklichtern und Leuchtpfeil ausgestatteter Sicherungswagen der Autobahnmeisterei. Außerdem werden Warnschilder an den Schleusen aufgestellt.

Nach jeder Brückeninspektion bekommt Herzog Skizzen, auf denen Rostflecken und Schadstellen festgehalten sind. "Bei der Fortschreibung können wir dann schauen, ob sich etwas verändert hat." Je nach Ergebnis veranlasst er Ausbesserungsarbeiten oder leitet eine Sanierung in die Wege.

Die Bögen des Arthur-von-Weinberg-Stegs haben große matte Flächen. "Das sind keine Roststellen, sondern Flechten", sagt der Sachgebietsleiter. "Die Brücke hat eher ein optisches Problem." Sie sei ebenso sicher wie die anderen Frankfurter Brücken. Aber in zwei bis drei Jahren stehe eine Generalsanierung an, dann werde man den Steg wohl für mindestens sechs Wochen sperren müssen.

Ultraschall, Röntgen und Radar

Bis dahin steht auch wieder die alle drei Jahre vorgeschriebene einfache Prüfung an, bei der nur geschaut wird – bei Bedarf auch mit dem Fernglas. "Dreimal im Jahr machen wir noch eine Begehung mit oberflächlicher Kontrolle", sagt Herzog.

Rein vorsorglich hat sein Amt gerade den Fußgänger- und Radfahrersteg an der Deutschherrnbrücke neben der Europäischen Zentralbank gesperrt. Anders als die Brücke selbst, auf der nach wie vor Züge rollen und die ebenso wie die eigentliche Stegkonstruktion nicht gefährdet ist, hat ein Prüfingenieur keine Garantie mehr für einzelne Betonplatten des Stegs geben wollen, auf denen Radfahrer und Fußgänger neben den Gleisen über den Main kommen.

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"Die Platten müssen 500 Kilogramm je Quadratmeter aushalten können", sagt Herzog. "Und wir können Menschenansammlungen auf der Brücke nicht verhindern, sei es bei einem Konzert an der Weseler Werft oder an Silvester." Jetzt sollen die Platten mit einem neuen Verfahren per Ultraschall, Röntgen und Radar durchleuchtet werden. Einzelne auszutauschen sei nicht schwierig, sagt Herzog. "Aber wir suchen jemanden, der uns eine Garantie für die anderen gibt."  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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