Bestattungskultur: Die Bestattungskultur wandelt sich. Auf dem Frankfurter Hauptfriedhof sind gerade kleine Grabplatten auf großen Rasenflächen sehr beliebt, das liegt auch an den (Folge-)Kosten.

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Ohne Orientierungshilfe ist es schwer, auf einer der großen Rasenflächen die Stelle zu finden, an dem der Angehörige, Nachbar oder Lieblingsmensch beigesetzt wurde. Die Baumgruppe oder eine bestimmte Zahl der Schritte, die man vom Weg aus zurücklegen muss, können den Besuchern der Urnengräber auf dem Frankfurter Hauptfriedhof helfen.

Von Weitem ahnt man nicht einmal, dass es Grabstätten in dieser parkähnlichen Landschaft gibt. Dabei haben die Gräber Steinplatten, doch sie sind flach im Rasen eingelassen. Die meisten sind ganz klassisch mit Namen, Geburts- und Todestag versehen, in Reihen angeordnet. Die Friedhofsverwaltung kann Auskunft geben, wo sich eines der inzwischen 10.000 Rasengräber befindet auf diesem größten der insgesamt 36 Frankfurter Friedhöfe.

Die Zeiten, in denen die Asche der Toten anonym auf dem "Feld der Ungenannten" beigesetzt werden konnte, ist vorbei. Dort gab es für Besucher keinerlei Möglichkeit, die exakte Stelle im Rasen mit der Urne zu finden. "Anonyme Grabfelder gibt es bei uns seit zehn Jahren nicht mehr", sagt Norbert Schlüter, der den Hauptfriedhof verwaltet.

Wer heute die Anonymität sucht, kann nur noch auf die etwa buchgroße Grabplatte im Rasen verzichten. Dabei war die anonyme Bestattung eine ganze Zeit äußerst beliebt, schließlich war es die günstigste Art, um der gesetzlichen vorgeschriebenen Bestattungspflicht nachzukommen. Kein Grabstein, keine Platte, kein Kreuz. Nur ein kleines Erdviereck mit einer Grassode, über die Friedhofsmitarbeiter mit einem Aufsitzrasenmäher fahren können.

Heute werden auf dem Hauptfriedhof vor allem die sogenannten Urnenrasenreihengräber nachgefragt, eben jene Rasengräber mit der Grabplatte. Sie werden gewählt, damit Beerdigung und Beisetzung nicht zu viel Geld kosten. Heute ist sie die kostengünstigste Form. Auch hier besteht die Pflege allein aus dem Mähen des Rasens. Damit das möglich ist, gibt es die Vorgabe, nichts, aber auch wirklich gar nichts auf den Grabplatten abzustellen: keine Blumen, keine Figuren, kein persönliches Andenken. Doch es ist offenbar schwer für diejenigen, die weiterleben, diese strenge Regel zu befolgen.

Schon bei den Orten der anonymen Beisetzungen hatten sich die Hinterbliebenen immer wieder über diese vertragliche Absprache hinweggesetzt, was letztendlich die Friedhofsverwaltung veranlasste, diese Bestattungsform nicht mehr anzubieten. Denn wenn die Friedhofsgärtner erst die gesamte Fläche, die wöchentlich gemäht wird, zu Fuß ablaufen müssen, um niedergelegte Blumengebinde, kleine Skulpturen oder auch nur ein kleines Windrad entfernen zu müssen, geht die Gebührenkalkulation der Friedhofsverwaltung nicht auf.

Grabstelle als Verbindung für Hinterbliebene

Doch nicht nur in Frankfurt ist deutlich geworden, dass Hinterbliebene häufig den Umgang mit dem Tod eines Menschen falsch einschätzen. Auch aus anderen Städten ist zu hören, dass der Trend zwar eindeutig zur Urne und nicht mehr zur klassischen und damit teureren Erdbestattung geht – in Frankfurt wird nur noch jeder Vierte im Sarg beigesetzt, in Hamburg machen die Urnenbeisetzungen sogar schon 80 Prozent, in Berlin sogar 90 Prozent aus. Doch gleichzeitig wird der Wunsch der Angehörigen immer spürbarer, eine Grabstelle zu haben, die sie aufsuchen können, auch um einen Gruß zu hinterlassen.

"Der Tod braucht eine Örtlichkeit", sagt Carsten Helberg, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kommunaler Friedhöfe. Dort ist von einigen Mitgliedern zu hören, dass die Entwicklung der Bestattungskultur in den vergangenen drei Jahrzehnten – verstärkt seit 2004, als das bei den Krankenkassen bis dahin gesetzlich verortete Sterbegeld wegfiel – hin zu immer kostengünstigeren Beisetzungen ein "Irrweg" sei.

Die Frage sei doch, sagt Helberg: "Was ist uns die letzte Ruhestätte unserer Angehörigen wert?" Auch in Frankfurt reagiert die Friedhofsverwaltung auf diese Trends. Inzwischen gibt es das Rasengrab auf dem Hauptfriedhof auch in einer Form, bei der Mitbringsel abgelegt werden können. Es gibt mit Stauden bepflanzte Beete, gesäumt von einer gepflasterten Umrandung, die als Ablagefläche dient, und dann erst folgt das Rasengrab.

Auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg hat man sogar eine Gedenkstätte mit dem Titel "Gedanken an Dich" geschaffen, in der der Name eines Verstorbenen, aber auch geliebten und wie auch immer verloren gegangenen Menschen eingraviert werden kann. Die Nachfrage ist enorm.

Die Verwaltung des Hauptfriedhofs versucht auch den Wünschen der Frankfurter nachzukommen, auch wenn die Zahl derer, die in Frankfurt sterben, sich aber außerhalb der Stadt beisetzen lassen, stetig wächst. Gleichzeitig muss sie Friedhofsgebühren und die verbleibenden Kosten für die Stadt im Blick behalten. Mehr denn je wird über den städtischen Haushalt ausgeglichen, um den Hauptfriedhof mit seinem großen, alten Baumbestand auch als größte Grünanlage der Stadt zu erhalten.

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Um auf Friedhöfe als Orte der sich wandelnden Bestattungskultur aufmerksam zu machen, findet seit mehr als 20 Jahren bundesweit der Tag des Friedhofs statt, initiiert vom Bund deutscher Friedhofsgärtner. Seit 2002 nimmt auch die Stadt Frankfurt mit dem Hauptfriedhof teil. An diesem Sonntag, 15. September, gibt es deshalb wieder zahlreiche Führungen, Musik, Infostände und Beratungen – alles unentgeltlich. Weitere Informationen sind unter www.friedhof-frankfurt.de zu finden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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