Preiswert übernachten: Jugendherbergen etablieren sich jenseits von Klassenfahrten als preiswerte Alternative für Familien. Anfang 2025 eröffnet ein neues Haus im Odenwald.

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Vor mehr als 100 Jahren wurde in Altena im Sauerland die erste deutsche Jugendherberge eröffnet. Nachdem diese ursprünglich als Übernachtungsstätten für Schüler gedachten Einrichtungen zwischenzeitlich etwas aus der Mode gekommen waren, erfreut sich das Konzept inzwischen wieder großer Beliebtheit. Zu Beginn des nächsten Jahres soll etwa das traditionsreiche ehemalige Kloster in Höchst im Odenwald zur Jugendherberge werden. Das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) kündigt aus diesem Anlass ein neues "Juwel im Süden Hessens" an, das künftig allen für Veranstaltungen wie Gruppenreisen, Tagungen und Familienurlaube offenstehe.

Rund 400 Jugendherbergen gibt es in Deutschland noch. Mitte der Fünfzigerjahre, als viele Jugendliche aus der DDR zu Besuch im Westen waren, hatte das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) noch 300 Häuser mehr im Angebot; im Jahr nach der Wiedervereinigung waren es immerhin noch 643. Seitdem ist die Zahl der Jugendherbergen rückläufig.

Zuletzt hatten die Betreiber von Burg Hessenstein in Vöhl-Ederbringhausen (Kreis Waldeck-Frankenberg), Hessens ältester Jugendherberge, wegen rückläufiger Buchungen aufgeben müssen. Auf längere Sicht geht die Nachfrage generell zurück: 10,4 Millionen Übernachtungen wurden im Jahr 1990 gezählt, im vergangenen Jahr waren es nach Angaben des DJH nur noch 9,3 Millionen. Immerhin bedeutet diese Zahl einen Zuwachs von acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr (8,6 Millionen), womit das DJH schon fast wieder an die Zahlen aus der Zeit vor der Corona-Pandemie heranreicht.

Für die meisten Übernachtungen ausländischer Gäste sorgten im Jahr 2023 Franzosen (73.000), Schweizer (55.000) und Niederländer (55.000). Diese Nationalitäten seien auch in den hessischen Jugendherbergen besonders stark vertreten, heißt es beim DJH auf Anfrage. Die Fußball-Europameisterschaft in diesem Jahr habe nach ersten Erkenntnissen "keinen außergewöhnlich hohen Anstieg" der Buchungen zur Folge gehabt.

"Alles wird teurer für Familien"

Unklar ist allerdings, ob die Zahlen repräsentativ sind. Denn der Begriff Jugendherberge ist seit einem Urteil des Bundespatentgerichtes 2009 rechtlich nicht mehr geschützt. So war etwa die Jugendherberge Hessenstein, die im Sommer Insolvenz angemeldet hat, schon seit 2007 nicht mehr Mitglied im Deutschen Jugendherbergswerk.

Wie viele Einrichtungen es gibt, die sich als Jugendherberge bezeichnen, aber nicht Mitglied im DJH sind, ist dem Verband nicht bekannt. Die Jugendburg Hessenstein wurde zuletzt vom Naturschutzbund NABU Hessen, dem Landkreis Waldeck-Frankenberg und der dortigen Kreishandwerkerschaft gemeinsam betrieben.

Die klassische Jugendherberge gibt es schon lange nicht mehr, ebenso wenig wie den lauwarmen Hagebuttentee aus der Blechkanne – jahrzehntelang ein Markenzeichen dieser Form des Gastgewerbes. Heutzutage gibt es in Jugendherbergen Cappuccino aus dem Vollautomaten, können auch Senioren und Geschäftsleute hier ganz selbstverständlich übernachten oder einen Urlaub verbringen. Auf ihren Websites werben die DJH-Landesverbände intensiv für den Besuch junger Familien. "Alles wird teurer für Familien. Das darf nicht sein", heißt es etwa in Rheinland-Pfalz und im Saarland.

Nicht alle Häuser treffen die Anforderungen

Der Aufenthalt von Kindern im Alter von bis zu drei Jahren sei deshalb unentgeltlich, Kinder von vier bis 14 Jahren zahlten nur die Hälfte. Drei Tage mit Vollpension und Freizeitangeboten gibt es zwischen November und März für Erwachsene bereit ab 89 Euro, für Kinder zwischen vier und 14 Jahren von 44,50 Euro an.

Allerdings stehen DJH-Jugendherbergen grundsätzlich nur Reisenden zur Verfügung die Mitglied im Verband sind. Dafür werden jährlich 22,50 Euro für Familien, 22,50 Euro für Einzelmitglieder von 27 Jahren an und sieben Euro für Einzelmitglieder bis einschließlich 26 Jahren fällig. Ein Beitrittsformular kann man auch spontan beim Besuch einer Jugendherberge ausfüllen.

Die Anforderungen der Gäste, zum Beispiel der Wunsch nach einem eigenen Badezimmer, seien gestiegen, weshalb das DJH darauf mit "baulichen Änderungen" habe reagieren müssen – "und weiterhin muss", teilt ein Sprecher des Verbandes mit. Zudem machten Brand- und Denkmalschutzbestimmungen aufwendige Sanierungen erforderlich, für die nicht immer genug Geld zur Verfügung stehe. Einige Häuser seien wegen Sanierungsarbeiten temporär geschlossen. Zum Beispiel sei im Jahr 2022 mit dem Abriss der Jugendherberge Marburg begonnen worden. Die Neueröffnung stehe aber schon für den Spätsommer 2025 an.

Der hessische Landesverband beschreibt die wirtschaftliche Situation als "weitestgehend entspannt". Bei Familienreisen habe man wieder "vorpandemische Zahlen" erreicht, bei Klassenfahrten liege man sogar leicht darüber. Das sei vermutlich "auf einen gewissen Nachholeffekt" zurückzuführen, teilt ein Sprecher mit. Allerdings könne man bei Tagungen und Seminaren, die vor der Pandemie rund ein Drittel des Umsatzes ausgemacht hätten, nicht mehr an die Zahlen von 2019 anknüpfen. Daher habe man die technische Ausstattung verbessert, sodass nun auch hybride Konferenzen möglich seien.

Angespannte Wirtschaft trifft auch Verbandshäuser

Der Niedergang der Burg Hessenstein passt insofern nicht in das vom DJH gezeichnete grundsätzlich positive Bild. Im vergangenen Jahr schien die wirtschaftliche Situation des Hauses nahe dem Edersee noch weitestgehend entspannt zu sein. Da verzeichnete die nordhessische Übernachtungsstätte eigenen Angaben zufolge einen "positiven Belegungsabschluss". Im Juli dieses Jahres sprach Geschäftsführer Berthold Langenhorst dann von einem Einbruch der Buchungszahlen, der auf die schlechte ökonomische Lage zurückzuführen sei.

Um eine Jugendherberge ohne wirtschaftliche Verluste betreiben zu können, brauche diese mindestens 150 Betten. Das sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Jugendherbergswerkes, Oliver Peters, im August dem Deutschlandfunk. Die Jugendburg Hessenstein hat eigenen Angaben zufolge 123 Betten. Der Trend gehe zu größeren Einrichtungen, so Peters. Allerdings versuche man auch die kleineren Häuser zu halten. Denn Schulklassen gehörten zur Hauptzielgruppe der Jugendherbergen. Vor allem Grundschulen veranstalteten ihre Klassenfahrten oftmals in der näheren Umgebung – und damit in ländlichen Regionen.

Aber auch Einrichtungen des DJH sind vor Schließungen nicht gefeit. Ende 2020 gab das Deutsche Jugendherbergswerk die Häuser in Gießen, Weilburg und Zwingenberg an der Bergstraße auf. Die DJH-Landesverbände entschieden eigenständig darüber, ob ein neues Haus gebaut, eine Jugendherberge saniert oder ein Standort geschlossen werde, sagt ein Sprecher des Bundesverbandes. Da Jugendherbergen gemeinnützig seien, könnten größere Standorte mit starker Auslastung nach dem Solidaritätsprinzip dabei helfen, die Existenz kleinerer Häuser zu sichern. Und selbst im Falle von Schließungen gilt: Nicht alle davon sind für immer. So soll etwa die Jugendherberge Wetzlar nach einer Kernsanierung am 1. Oktober wieder eröffnet werden.

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Auch für die Jugendburg Hessenstein muss das Aus nicht endgültig sein. Auf der Internetseite der Betreiber ist zu lesen, dass weiterhin Buchungen für die Jahre 2024 und 2025 angenommen würden. Auf Anfrage teilt der Insolvenzverwalter mit, dass die Gespräche mit dem Land Hessen über eine Weiternutzung als Jugendherberge bisher konstruktiv verlaufen seien. Sie könnten "bestenfalls dazu führen, dass ein neuer Betreiber für die Burg Hessenstein an den Start gehen wird".  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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