Wandertipp: Gut 450 Millionen Jahre auf fünf Kilometern: Diesen Zeithorizont schreitet der "Geo-Erlebnispfad" nahe Oberjosbach im Taunus ab.
Dabei veranschaulicht eine beeindruckende Felsformation wie der Hohle Stein das Entstehen und den Aufbau des Mittelgebirges.
Von Zeit zu Zeit schrecken Meldungen auf, der gesamte Eifelschild hebe sich stärker als der langjährige Mittelwert von einem Millimeter. Und dann ist da noch die bedenkliche Zunahme der aus den Tiefen des Laacher Sees steigenden Kohlensäurebläschen (Mofetten) als Anzeichen verstärkter seismischer Aktivität. Eigentlich, wird suggeriert, wäre der Ausbruch eines Vulkans überfällig. Das steht realistisch nicht zu erwarten, wenn aber, dann im Eifelraum, schließlich liegt nach geologischen Maßstäben der letzte Ausbruch gerade eine Woche – entsprechend 12.900 Jahren – zurück: ebenjener, in dessen Krater der Laacher See entstand.
Das Frappierende solcher an sich lokaler Ereignisse sind ihre weitreichenden Folgen. Ausgeworfenes Material staute selbst den Rhein auf, während monatelang eine dunkle Aschewolke die Sonne verfinsterte. Nachweisbar noch heute. Bis zum Taunus sind in windgeschützten Lagen wie an der Hohen Wurzel Ablagerungen der körnigen Asche erhalten. Aus diesem Sandkasten brauchte man sich nur für den "Geologischen Erlebnispfad" bei Oberjosbach, einem Ortsteil von Niedernhausen, zu bedienen, um ihn an einer der zehn Stationen bis hinauf zur markanten Quarzitrippe Hohler Stein hinter Glas auszustellen.
Schon vor 20 Jahren hat man sich dem Anspruch verschrieben, über die Erdgeschichte zur besonderen des Taunus zu gelangen und auch lokale Eigenheiten zu berücksichtigen: hier die schon für das Mittelalter belegte, 1925 beendete Montantradition. Abgebaut wurde zuletzt hauptsächlich Eisen- und Manganerz.
Die entsprechende Schautafel steht an einem kahlen, bis vor Kurzem noch bewaldeten Hang. Die Bäume mussten den flächenhaften Fällaktionen seit 2020 weichen, was dem Geo-Pfad jedoch eine neue Qualität eröffnete. Nicht nur, dass sich der Hintertaunus weit überschauen lässt, jetzt gibt sogar der Hohle Stein ungeahnte Anschauung.
Wo zuvor dunkle Fichten die zerklüftete Felsgruppe verbargen, leuchtet sie nun in den schillerndsten Farben. So ergibt sich fast von selbst die Erkenntnis, warum der Taunus als Teil des Rheinischen Schiefergebirges trotz seiner langen Reise vom Äquator nach Norden allen Fährnissen, Auffaltung und Erosion, Druck und Ablagerung mehr als 350 Millionen Jahre standhielt.
Natürlich war das Gebirge einmal viel höher und größer, aber durch das alte, teils von Kieselsäure ausgehärtete Gestein, wie den Quarzit, konnten die Erdkräfte tektonischer und vulkanischer Natur weniger gefährdend wirken. Die mächtige Decke dürfte auch die nächsten Jahrmillionen auf der weiteren Trift gen Norden überdauern, bevor sie in einem abermals zusammenwachsenden Superkontinent aufgehen wird.
Wegbeschreibung:
Für den Gang durch die geologische Welt von Niedernhausen bieten sich zwei Möglichkeiten an: eine längere ab dem S-Bahnhof – dort auch zwei Großparkplätze (geringe Tagesgebühr) – oder verkürzt vom Oberjosbacher Ortsrand. Autonutzer fahren dann, aus der Limburger Straße kommend, in der Dr.-Jakob-Wittemann-Straße an den Waldrand. Leicht links versetzt beginnt der Geo-Pfad.
Beim Start in Niedernhausen läuft man über die Austraße hinab zum Daisbach und links durch die von einer Grünanlage gesäumte Talung. Nach gut 500 Metern heißt es mit der hinzugetretenen Markierung schwarzer Strich rechts und kurz darauf links in offenes Terrain zu einigen Betrieben; dort rechts über die nahe Landstraße in den Wald.
Drüben biegen wir links ab und begleiten eine Weile die Hochspannungstrasse, ehe sie scharf rechts zu unterqueren ist. Wenn kaum hundert Meter weiter der Strich links in den Hang schwenkt, verbleibt man geradeaus. Zu sehen sind grüne Radwegtafeln. Auch sie kreuzen nach ausholender Links- und enger Rechtskurve eine Stromleitung und führen – assistiert vom Naturparkzeichen braunes Eichhörnchen – dann bei leichtem Gefälle Oberjosbach entgegen.
Noch vor den Häusern wählen wir an der Gabelung die linke Variante, um weniger als 150 Meter weiter links in den Geo-Erlebnispfad einzusteigen. Gleich vorne erläutern vier an Stelen angebrachte Tafeln die geologischen Zeitalter und die mit ihnen verbundenen Lebensformen. Das enge Schriftbild ist allerdings nicht typisch für die ansonsten übersichtlich gestalteten Einzelthemen der lose verteilten Stationen. Sie verknüpft das Emblem einer aufgeschnittenen Erde.
Mit der Plattentektonik und dem Entstehen von Gesteinen macht der nächste Halt vertraut. Die vorherrschenden des Taunus – Quarzit, Tonschiefer und Sandstein – sind im nächsten Schritt exemplarisch vertreten. Hier biegt der Lehrpfad links ab, und nach der weiten Rechtskurve schaffen die großräumigen Rodungen unvermutete Perspektiven über das Daisbachtal. Da baumlos, lässt sich dann auch das einstige, von großen Kuhlen angezeigte Bergbaurevier am Fuße des Hohlen Steins erkennen. Kurz darauf erreichen wir per Pfad die steil aufragenden Felsen.
Die Markierung umrundet die Quarzitgruppe und entschwindet via schmalen Pfad in einem Wäldchen; dahinter rechts. Trotz der Rodungen ist sie auch hier gut vorhanden, ebenso das Zeichen roter Fuchs. Es wird bald nach links relevant, soll es mit dem Geo-Pfad nicht direkt retour gehen (es folgen noch die Themen Wald und Erdbebengefahr).
Der Gang über das Hochplateau stimmt wehmütig. Man sieht zwar jetzt weit in die Ferne. Eine radikal entkernte Fläche, aus der nur vereinzelt Baumgerippe ragen, ist freilich kein erhebender Anblick. Und noch immer regiert die Motorsäge, wie zu sehen, seit wir am höchsten Punkt, dem 513 Meter messenden Nickel, rechts zum roten Strich abgebogen sind.
Holzstöße passierend, geht es munter bergab. Dem dann auftretenden Asphalt ließe sich nach 500 Metern halb rechts zur Markierung grüne Tanne ausweichen. Diesen Pfad versperren allerdings umgestürzte und gefällte Stämme. Also gut 450 Meter tiefer und mit dem Zeichen schwarze Eule zwischen den Losen 306 und 311 rechts zurück in den Laubwald; 400 Meter später links hinab bis vor Oberjosbach. Unter den dort anzutreffenden Wanderlotsen genügt die Orientierung am schwarzen Zeiger.
Bis gegen Ende ist er uns ein verlässlicher Begleiter. Zunächst berührt er die eröffnende Geo-Pfad-Tafel, führt kurz über den Hinweg, dann aber geradeaus talwärts zum Freibad von Niedernhausen. Mit Rechtsbogen wird es umgangen und anschließend, nach der Wiesenpartie, quer durch ein ausgedehntes Eigenheimquartier – bei mehrfachem Richtungswechsel – hinab zur Austraße.
Anfahrt
Niedernhausen liegt nahe der A 3 zwischen Wiesbaden und Idstein. Viel Parkraum besteht beiderseits des S-Bahnhofs. Von der zentralen Kreuzung erreicht man Oberjosbach. – Die S2 verkehrt halbstündlich; weitere Verbindungen mit Regionalbahn
Sehenswert
Wie viele Taunusgemeinden besitzt Niedernhausen keine herausragenden Sehenswürdigkeiten. Der bedeutendste Schatz ist die Natur, insbesondere ausgedehnte Wälder, wenn auch die höheren Lagen seit den flächenhaften Rodungen der vergangenen Jahre dezimiert sind. Ein "Geo-Erlebnispfad" von dem Ortsteil Oberjosbach an zeigt sich deshalb zweigeteilt – den Laubbäumen unten stehen kahle Hänge oben gegenüber. Dafür wirkt die freigestellte, zerklüftete Quarzitformation Hohler Stein imposanter. Außerdem werden nun weite Ausblicke über die Höhen des Hintertaunus eröffnet. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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