Protest an Universitäten: Palästina-Camps, Klimakleber und Sparpläne: Den hessischen Universitäten könnten unruhige Wochen bevorstehen. Doch Protest braucht Grenzen.

Mehr News aus Hessen finden Sie hier

Hanna Veiler wollte nicht sagen, welche Uni es war, an der per Flugblatt zur Ermordung einer israelischen Dozentin aufgerufen wurde, die dort einen Vortrag halten sollte. Die Hochschulleitung, klagte Veiler, habe keinen Grund gesehen, sich hinter ihren Gast zu stellen. Der Fall, den die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion unlängst auf einer Frankfurter Konferenz über Antisemitismus erwähnte, ist auch ohne Ortsangabe erschreckend genug: Er zeigt ein weiteres Mal, dass manchen Pro-Palästina-Aktivisten im Kampf für ihre Sache alle moralischen Maßstäbe abhandengekommen sind. Und das auf einem Terrain, das wie kaum ein anderes dem Meinungsstreit auf höchstem geistigen Niveau gewidmet sein sollte – einem Campus.

Den hessischen Hochschulen, in denen an diesem Montag die Vorlesungen des Wintersemesters begonnen haben, könnten unruhige Wochen bevorstehen. Nicht nur, weil die anhaltende Eskalation im Nahen Osten Palästinafreunde – und Israelfeinde – wieder in größerer Zahl zur Teilnahme an "Protestcamps" und anderen Aktionen motivieren dürfte. Das Treiben der Letzten Generation in Kassel zeigt, dass die selbst ernannten Klimaretter weiterhin glauben, ihrem Anliegen durch Rechtsbrüche zu dienen, und die Okkupation eines Hörsaals – wie etwa im Dezember 2022 an der Uni Frankfurt – erscheint gerade im Winter komfortabler und risikoärmer als eine Straßenblockade.

Sparkurs könnte weiteren Unmut hervorrufen

Überdies könnte der Sparkurs der hessischen Landesregierung neuen Unmut bei Studenten, Professoren und ihren Mitarbeitern wecken, sollten die angekündigten Etatkürzungen spürbare Folgen für den Lehr- und Forschungsbetrieb haben. Noch fehlt es an Belegen dafür, dass sich die Warnungen der Gewerkschaften vor Wiederbesetzungssperren und Institutsschließungen in Kürze bewahrheiten werden.

Über welches Thema auch immer gestritten wird: Alle Diskutanten sollten das auf eine Weise tun, die dem Anspruch des Ortes gerecht wird, den sie zwecks Erkenntnisgewinns aufsuchen (sollten). Dass es Menschen um diesen zu tun ist, die "From the River to the Sea" brüllen, darf bezweifelt werden, aber um der Meinungsfreiheit willen muss eine Universität bisweilen Parolen ertragen, die jedem akademisch Gebildeten Übelkeit verursachen sollten.

Interessieren Sie die Artikel der F.A.Z.?
Uneingeschränkter Zugriff auf diesen und alle weiteren zahlungspflichtigen F+ Inhalte auf FAZ.NET. Jetzt Abo abschließen.

Was eine Hochschule niemals tolerieren darf, sind persönliche Beleidigungen, Einschüchterungen oder gar tätliche Angriffe. Wer einer Dozentin mit Mord droht, sollte nicht nur strafrechtliche Konsequenzen zu spüren bekommen. Nach rechtskräftiger Verurteilung eines Täters hat jede Uni in Hessen und Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, institutionelle Strafen zu verhängen – bis hin zur Exmatrikulation. Wie bei vielen Herausforderungen für die öffentliche Ordnung gilt auch hier: Die nötigen Gesetze sind vorhanden. Man muss sie nur anwenden.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.