Landgericht Darmstadt: Vater und Sohn sollen zwei Töchter ihrer Familie ins Ausland gebracht haben sollen – eine unter Vorwand, die andere mit Gewalt. Nun verhandelt das Landgericht Darmstadt über diesen Fall.
Wegen der Zwangsheirat einer Minderjährigen müssen sich zwei Männer vor dem Landgericht Darmstadt verantworten. Die beiden 52 und 23 Jahre alten Syrer sind Vater und Sohn. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, eine Tochter der Familie im Alter von 13 Jahren ohne ihr Wissen ins Ausland gebracht und in Syrien zu einer Ehe genötigt zu haben. Dafür sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor.
Die Angeklagten sollen außerdem eine zweite Tochter der Familie im Alter von 16 Jahren ins Ausland entführt haben, um sie ebenfalls gegen ihren Willen zu verheiraten. Dazu kam es laut Anklage aber nicht, das Mädchen kehrte in ihre Wohngruppe in Darmstadt zurück, in der das Jugendamt sie untergebracht hatte.
Dem älteren Angeklagten wird darüber hinaus zur Last gelegt, für die jüngere Tochter zu Unrecht mehr als 5000 Euro an Kindergeld bezogen zu haben, als diese das Land schon verlassen hatte. Das gestand sein Verteidiger ein.
Verteidiger bestreiten den Hauptvorwurf
Die Verteidiger beider Angeklagter haben am Mittwoch, dem ersten Verhandlungstag, den Hauptvorwurf bestritten. Sven Golüke, Anwalt des 52 Jahre Nazal A., sagte, eine Zwangsheirat habe es nicht gegeben und sei auch nicht geplant worden.
Hans Georg Kaschel, Verteidiger des 23 Jahre alten Mahmoud A., sagte: "Es gibt keine Zwangsheirat in Syrien, das ist ausgeschlossen." Darüber hinaus gaben die Verteidiger an, ihre Mandanten äußerten sich nicht zu den Vorwürfen.
Flug ging nach Beirut, nicht nach Spanien
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren beide Mädchen vom Jugendamt in Obhut genommen worden. Die beiden Angeklagten brachten die damals Dreizehnjährige im Jahr 2022 zunächst nach Amsterdam, und zwar unter dem Vorwand, sie werde in einen Urlaub nach Spanien gebracht, wie Staatsanwalt Wolfgang Sattler in der Anklage vorgetragen hatte. Der Flug sei aber nicht nach Spanien, sondern nach Beirut gegangen, von wo das Mädchen mit dem Auto nach Syrien gebracht und verheiratet worden sei.
Der jüngere Angeklagte fing seine andere Schwester im April dieses Jahres in Darmstadt auf der Straße ab, wie es in der Anklage heißt. Damals lebte das 16 Jahre alte Mädchen in einer Wohngruppe. Die Familie sei mit ihrem Lebenswandel nicht einverstanden gewesen, sagte der Ankläger. Mahmoud A. habe seine Schwester gegen den Kopf geschlagen und sie zusammen mit einem Mittäter in ein Auto gezwungen. Dann sei er mit ihr zu einem Industriegebiet gefahren, wo der Vater in einem anderen Fahrzeug gewartet habe.
Anklage: Bruder hat Schwester in Auto gezerrt
Das Mädchen sei in dieses Auto gedrängt, auf den Hinterkopf und den Rücken geschlagen, an den Haaren gezogen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden. Schließlich wurde sie zu einem Mann in Amsterdam gebracht, der ihr die Rückreise nach Deutschland ermöglichte, wie es in der Anklage hieß.
Ein Rechtsmediziner, der sie nach der Rückkehr untersucht hatte, berichtete als Sachverständiger im Gerichtssaal von zahlreichen Verletzungen am Körper des Mädchens – unter anderem großflächigen blauen Flecken und Kratzern am Hals.
Mutmaßliches Opfer will Vorwürfe nicht bestätigen
Im Gerichtssaal wollte die heute 17 Jahre alte Jugendliche die Vorwürfe gegen Vater und Bruder nicht bestätigen. Als Zeugin behauptete sie, die Angehörigen seien mit ihr nach Amsterdam gefahren, um dort ihren Geburtstag zusammen mit einer befreundeten Familie zu feiern.
Sie habe dann aber doch lieber in Darmstadt feiern wollen und sei mit dem Zug zurückgefahren. Die Verletzungen habe sie erlitten, als sie in Amsterdam von Betrunkenen überfallen worden sei. Der Vorsitzende Richter Jens Aßling wies mit Stirnrunzeln darauf hin, bei der Polizei habe die Jugendliche anders ausgesagt. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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