Händler unter Druck: In diesen Jahr gibt es vergleichsweise weniger Fichten und Tannen. Aber nicht nur der Mangel schlägt auf die Preise für Weihnachtsbäume durch. Der erste Händler in Frankfurt gibt auf – und glaubt nicht, dass er der einzige bleibt.

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Demnächst wollte Claus Rottstedt alles für seinen Verkaufsstand am Frankfurter Oeder Weg planen. Dort hat der Baumzüchter aus der nahen Wetterau seit Jahrzehnten in der Adventszeit seine Weihnachtsbäume angeboten. Er hat Stammkundschaft, doch diese gute Beziehung dürfte nun abrupt enden. "Ich überlege jetzt stattdessen, wie ich ein Transparent herstelle, mit dem ich mich von meinen Kunden verabschieden kann", sagt er. Das Angebot der Stadt, wie in den Vorjahren einen Verkaufsstand vor den Häusern 56 bis 58 aufzubauen, lehnt er schweren Herzens ab.

Der Grund: Im Frühjahr wurde die Satzung der Stadt über Sondernutzungen an öffentlichen Straßen durch die Stadtverordnetenversammlung überarbeitet und die dafür fälligen Gebühren neu festgelegt. Für Rottstedts Weihnachtsbaumverkauf sollen sie deshalb von bislang 150 Euro auf 4205 Euro steigen, wie aus einem Angebot der Stadt hervorgeht, das der F.A.Z. vorliegt.

25 Jahre ohne Anpassung

Dass die höheren Gebühren den Weihnachtsfrieden stören könnten, hatte wohl niemand bedacht. Ohnehin hatten sich lediglich die Ortsbeiräte 4 und 5 gegen die Satzungsänderung ausgesprochen – vornehmlich wegen der Auswirkungen auf die in den Stadtteilen Bornheim oder Sachsenhausen besonders betroffene Außengastronomie, die ebenfalls deutliche Gebührenerhöhungen verkraften musste. Die Stadtteilpolitiker blieben mit ihren Vorbehalten aber ungehört.

Die Weihnachtsbaumstände hatte wohl niemand im Blick, da die Erhöhung für sie nicht unmittelbar ins Auge sticht. Doch nachdem die Stände zuvor mit einer niedrigen Pauschale abgerechnet wurden, sieht die neue Satzung eine quadratmetergenaue Abrechnung vor. Im Falle Rottstedts multiplizieren sich dann 90 Quadratmeter Verkaufsfläche an 31 Tagen für 1,50 Euro pro Einheit zuzüglich einer Verwaltungsgebühr von 20 Euro zu der großen Summe.

Die Stadt erklärt die Erhöhungen damit, dass die Satzung zuvor seit 1998 unverändert gelassen wurde. "Der öffentliche Raum in Frankfurt ist durch die Vielzahl an Sondernutzungen stark beansprucht, und es stehen zunehmend weniger Flächen zur Verfügung." Daher sei es wichtig, diese Flächen verantwortungsvoll und im Interesse der Allgemeinheit zu verwalten. "Auch wenn es durch die Neufassung zu einer Erhöhung gekommen ist, möchten wir betonen, dass die Gebühren im Vergleich zu anderen deutschen Städten weiterhin im unteren Drittel liegen", heißt es weiter.

Gastronomen in Mainz oder vor allem Darmstadt müssen laut einer von der Stadt erstellten Vergleichsliste tatsächlich mit vielfach höheren Kosten für ihre Sommergärten auf Gehsteigen und Plätzen kalkulieren. Bei den Weihnachtsbäumen trifft das im Städtevergleich ebenfalls zu. In Köln etwa waren Gebühren in der nun in Frankfurt angesetzten Höhe bereits vor einem Jahrzehnt üblich.

Emotionaler Verlust

Rottstedt möchte diese Erklärungen freilich nicht gelten lassen. "Wenn das auf einen Schlag geschieht, dann zerstört das die langen Traditionen von Weihnachtsbaumständen in Frankfurt. Wir müssten gut zehn Euro auf den Baum aufschlagen nur wegen der erhöhten Gebühr", sagt er. Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem er wegen einer Knappheit an Bäumen mit einer Verteuerung der Fichten und Tannen von gut sechs Euro im Einkauf rechnet. "Wir müssten so massiv erhöhen, dass das keiner mehr verstehen würde", sagt Rottstedt und fügt an: "Ich persönlich kann die 4200 Euro deshalb nicht ausgeben. Ich arbeite ja für mich, nicht dafür, dass die Stadt Frankfurt Gebühren einnimmt."

Für Rottstedt wiegt nach eigenen Worten der emotionale Verlust noch mehr als der wirtschaftliche, er verkaufe die Bäume anders als andere genauso belastete Anbieter im Nebenerwerb. Sein Auskommen sei also nicht drauf angewiesen. Er habe aber Weihnachtsbäume am Oeder Weg schon gemeinsam mit seiner Mutter verkauft, seit er zwölf Jahre alt war. "Ich habe manchmal die Schule geschwänzt, um ihr zu helfen. Das geht mir schon nahe, wenn das jetzt vorbei sein soll."

Auf die Bitte um ein Angebot zur Güte habe ihm die Stadt kürzlich lediglich angeboten, die Standzeit zu verkürzen, was die Summe auf 2600 Euro drücken würde. Auch das sei keine Option für ihn. Aus logistischen Gründen müsse er Ende November aufbauen, auch wenn er erst um den 10. Dezember mit dem Verkauf beginne. Er werde stattdessen Stammkunden, die sich bei ihm meldeten, Bäume gegebenenfalls nach Hause liefern, kündigt der Züchter an.

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Rottstedt kann sich nur schwer vorstellen, dass in den Straßen Frankfurts in diesem Winter überhaupt noch Weihnachtsbäume angeboten werden, wenn nicht private Grundstücke zur Verfügung gestellt werden. "Profitieren werden die Baumärkte auf der grünen Wiese, die als einzige Anlaufstätte für Stadtbewohner bleiben", sagt er.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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