Neubrandenburg/Frankfurt am Main - Das von den Stadtvertretern jüngst beschlossene Verbot der Regenbogenflagge stand nach Angaben von Neubrandenburgs Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) "am Ende einer langen Kette von Ereignissen", die ihn zum Rückzug aus dem Amt bewegten.

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Eine zentrale Rolle hätten die sozialen Netzwerke gespielt. Auf Facebook etwa habe er extremste Beleidigungen in Form von Sprachnachrichten erhalten, die er dutzendfach zur Anzeige gebracht habe, sagte Witt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Kritik auch an Parteien

In dem Gespräch übte er aber auch scharfe Kritik an den Parteien in der Stadt. Gegen ihn sei mit Unterstellungen, Schmähungen, Beleidigungen und Vorwürfen gearbeitet worden. "Man nannte mich das Mädchen, den Kleinen, das Männchen - und das alles im höchsten Gremium der Stadt, in der Stadtvertretung", berichtete Witt, der sich zu seiner Homosexualität bekannt und stets für ein weltoffenes und tolerantes Neubrandenburg stark gemacht hatte.

"Da ist eine Stimmung kreiert und von allen Parteien zugelassen worden, die mit einer konstruktiven Zusammenarbeit nichts zu tun hat", konstatierte Witt, der als parteiloser Verwaltungschef in der Stadtvertretung über keine Hausmacht verfügt, in der Bevölkerung aber einen breiten Rückhalt findet. Bei seiner Wiederwahl im Januar 2022 votierten 87,5 Prozent der teilnehmenden Wähler für eine zweite Amtszeit Witts. Diese würde bis 2029 dauern. Doch kündigte Witt unmittelbar nach dem umstrittenen Beschluss der Stadtvertreter, die Regenbogenfahne nicht mehr am Bahnhof zu hissen, seinen Rücktritt zum 1. Mai 2025 an.

Aufruf zu Kampf gegen die AfD

Witt ruft in dem Zeitungsinterview zum Kampf gegen die AfD auf, die seit der Kommunalwahl im Juni im Stadtrat Neubrandenburgs stärkste Kraft ist. Die demokratischen Parteien dürften sich der AfD nicht anbiedern und diese auch nicht als Verhandlungspartner akzeptieren. "Die AfD wird damit nicht schwächer, sondern stärker", warnte Witt. Insbesondere im kommunalen Bereich heiße es oft, AfD-Vertreter seien auch gewählt und normale Menschen, mit denen könne man doch verhandeln. Doch das sei falsch. "Die stellen unseren Staat infrage. Die stellen meine Lebensweise infrage, das, was Artikel eins des Grundgesetzes schützt, die Unantastbarkeit der Menschenwürde", sagte der Kommunalpolitiker. Die Demokratie zu verteidigen sei nicht nur Aufgabe von Parlamenten und Regierungen, sondern vor allem eine Bürgerpflicht.

Für Donnerstag hat die Vereinigung queerNB zu einer Demonstration und zu Kundgebungen in Neubrandenburg aufgerufen, um ein sichtbares Zeichen gegen Intoleranz und Ausgrenzung zu setzen. Hausbesitzer, Mieter und Institutionen sollen dabei Regenbogenflaggen an Fenstern, Balkonen und Flaggenmasten anbringen. "Wir wollen damit ein Stadtbild schaffen, dass für Vielfalt und Akzeptanz steht", erklärt Nils Berghof, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Vereins.  © Deutsche Presse-Agentur

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