Leer - In einem deutsch-niederländischen Forschungsprojekt wollen Expertinnen und Experten der maritimen Wirtschaft in den kommenden Jahren Anforderungen für einen autonomen Fährverkehr im Wattenmeer untersuchen und erproben.

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Damit Fähren künftig zumindest teilweise selbstständig in der Nordsee unterwegs sein könnten, solle auch Künstliche Intelligenz helfen, sagte Katja Baumann, Geschäftsführerin des Maritimen Kompetenzzentrums (Mariko) im ostfriesischen Leer. Dort wird das Projekt koordiniert. "Wir sehen die Perspektive, dass durch Künstliche Intelligenz die Sicherheit erhöht, die Effizienz eines Schiffes verbessert und das Personal entlastet werden kann", sagte sie.

Für das Projekt mit dem Titel "Ferry Go!" haben sich neun Unternehmen und Organisationen aus der maritimen Wirtschaft zusammengefunden - darunter neben der Mariko GmbH auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), eine Werft, Technologieanbieter und zwei Reedereien. Beteiligt sind die Reederei Doeksen, die den Verkehr zur niederländischen Insel Terschelling betreibt, und die Reederei Norden-Frisia, deren Fähren zu den Inseln Juist und Norderney fahren. Kürzlich fiel der offizielle Startschuss für das dreijährige Projekt.

Die Themen autonome Schifffahrt und Künstliche Intelligenz würden zunehmend in der Branche diskutiert, sagte Mariko-Chefin Baumann - auch da sich Rahmenbedingungen des Schiffsverkehrs änderten. Auch in der Schifffahrt gebe es einen Mangel an Fachkräften. Zudem sollten Fähren effizienter und ressourcenschonender betrieben und auch die Sicherheit könne durch intelligente Systeme verbessert werden, sagte Baumann. Die meisten Unfälle im Schiffsverkehr im Wattenmeer gingen auf menschliche Fehler zurück.

Passagierfähren sammeln Daten im Wattenmeer

Ziel des Forschungsprojektes sei es unter anderem, ein System für autonome Fähren im Wattenmeer zu entwickeln, mit dem ein weitgehend unbemannter Schiffsbetrieb simuliert werden könne, erläuterte Baumann. Das System soll mit Daten aus dem aktuellen Fährbetrieb gefüttert werden. Dazu sind zwei Passagierfähren der beteiligten Reedereien schon mit Technik ausgestattet worden. "Die sind jetzt dabei, über das Fahrgebiet Daten zu sammeln. Außerdem finden Beobachtungen statt, wie die Prozesse an Bord sind."

Diese Daten und Erkenntnisse würden gesammelt und auf ein Testschiff transferiert - auf das etwa zehn Meter lange DLR-Forschungsboot "Sally". "Dann kann dieses Testschiff operieren wie die großen Fähren, die zwischen den Inseln hin- und herfahren", sagte die Mariko-Geschäftsführerin. Bei Testfahrten mit Menschen an Bord, die stets eingreifen könnten, könnten die intelligenten Navigationssysteme optimiert werden. Größere Passagierschiffe sollen während des Forschungsprojektes dagegen nicht autonom fahren. Das sei gesetzlich auch nicht erlaubt, sagte Baumann.

Für die Entwicklung gebe es eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu berücksichtigen, sagte Baumann. "Erst mal ist das Wattenmeer an sich schon eine Herausforderung. Es ist eines der schwierigsten Fahrgebiete, die man sich überhaupt vorstellen kann, weil es so variiert durch Ebbe und Flut." Außerdem gehe es um technologische Aspekte und Anforderungen an den Schiffbau: Welche Techniken ließen sich überhaupt einsetzen und inwieweit würden diese von Menschen - etwa vom Schiffspersonal und Fahrgästen - auch akzeptiert? Das seien weitere zu untersuchende Fragen, sagte die Expertin. Klar sei aber bereits: Ganz ohne den Einfluss von Menschen würden auch selbstständig fahrende Fähren nicht auskommen.

Das Forschungsprojekt wird mit knapp zwei Millionen Euro unter anderem aus Mitteln der Europäischen Union, der Niederlande und des Landes Niedersachsen gefördert.  © Deutsche Presse-Agentur

Schiffe in der Nordsee
Auch durch den Wechsel von Ebbe und Flut gilt das Wattenmeer als eines der schwierigsten Fahrgebiete in der Schifffahrt. (Archivbild) © dpa / Sina Schuldt/dpa
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