Die Südstadt hat eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. In den 80er Jahren wurde sie zum bundesweit bekannten Feierhotspot, 2000 war sie out.
Doch inzwischen erlebt sie eine Renaissance, hat sich zum Ausgehviertel mit feiner Gastronomie gewandelt. Wir zeichnen den Weg nach.
Dieser Text gehört zu den beliebtesten Inhalten des Jahres 2024 und wurde erstmals am 9. April 2024 veröffentlicht. Mehr der meistgelesenen Artikel des Jahres finden Sie hier.
"Als ich hier anfing, da hatte ich null Ahnung von Gastro. Ich wusste noch nicht mal, wie man Bier zapft. Das haben mir dann Gäste gezeigt", erinnert sich Costa Fotiadis an das Jahr 1982, als er das "Filos" in der Merowingerstraße eröffnete. In dem Lokal befand sich vorher die Veedelskneipe "Lösch-Eck" – so benannt wegen der Nachbarschaft zur Feuerwache. "Die Fenster hatten dicke Bleiverglasungen, drinnen war es deshalb dunkel", sagt Fotiadis. Drumherum sah es nicht anders aus. "Es gab hier damals nur einfache Kneipen."
Fotiadis war Pionier mit seinem griechischen Restaurant mit einfachen Speisen und Fenstern, durch die man ins Innere schauen konnte. Er kam aus Frechen, hatte von der Südstadt nur eine vage Vorstellung. Dass er als Grieche und mit ihm weitere Landsleute – wie Fotis Paraschoudis mit seinem "Tavernaki" in der Alteburger Straße (1981 gegründet, musste 2016 einem Neubau weichen) – den Wandel in das Veedel brachten, sei Zufall gewesen. Der Erfolg aber nicht. "Wir kannten uns untereinander nicht. Aber damals war Griechenland bei Studenten, bei jungen Leute als günstiges Reiseziel sehr beliebt, und das Lebensgefühl suchte man dann in Restaurants zu Hause."
Das "Filos" brummte bald. Und gemeinsam mit dem "Chlodwig Eck", der "Ubierschänke" und dem "Opera" wurde es zum Anziehungspunkt für Feiernde. "Das waren wilde Zeiten. Man konnte die Wochentage nicht unterscheiden, es war immer voll, nicht nur am Wochenende. Hunderte Leute standen mit dem Kölsch auf der Straße." Südstadt-Promis wie der Musiker Richard Bargel und der Kabarettist Wilfried Schmickler wurden Stammgäste, ebenso wie die Mitglieder der Stunksitzung-Hausband Köbes Underground.
Kampf um das Stollwerck prägte die Südstadt
In der Südstadt flirrte die Stimmung. Und das hatte vor allem auch mit der Auseinandersetzung um das Stollwerck-Gelände zu tun, die für viele ein Kulturkampf war. Das Gelände war von der Stadt an eine Immobilienfirma verkauft worden, die Gebäude der ehemaligen Schokoladenfabrik sollten abgebrochen werden. Initiativen und Künstler kämpften für den Erhalt und die Umnutzung in preiswerte Wohnungen und Kulturräume. Das gipfelte in der Besetzung des Stollwerck im Mai/Juli 1980 durch bis zu 600 Protestierende. Der Konflikt in der damals von der SPD regierten Stadt macht bundesweit Schlagzeilen. Schließlich wurde erreicht, dass die Fabrik sieben Jahre lang von der Kunst- und Theaterszene genutzt werden durfte. Doch 1987 folgte dann der Abbruch.
Die Stollwerck-Szene prägte die Umgebung mit. Treffpunkt von Aktivisten und Künstlern war das "Chlodwig Eck", 1979 gegründet von Clemens Böll, Neffe von Heinrich Böll. Galerist Ingo Kümmel war hier anzutreffen, und das Lokal wurde das Wohnzimmer von
Robert Hilbers hat das "Chlodwig Eck" erst 1989 übernommen. "Aber auch da war die coole, anarchische Aufbruchstimmung noch sehr stark zu spüren." Der politische Höhepunkt war vorbei, aber die Feierlaune wurde immer größer. Es gab das "Schröders", das "Opera", das "Maxwell", "Linus" und sogar die Disco "Ekkstein" in der Alteburger Straße. "Ein geiles Veedel. Aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland kamen die Leute. Weil sie wussten, dass man hier gut feiern kann."
Sperrstunde war um ein Uhr. "Da hat sich aber keiner dran gehalten", sagt Hilbers. "Wegbier" kannte man damals noch nicht. Die Menschen kamen einfach zum Kölschtrinken und Quatschen. Und es gab einen regelrechten Bap-Tourismus. Fans kamen ins "Chlodwig Eck" in der Hoffnung, Niedecken zu sehen. Dem wurde es dann irgendwann zu viel.
Der Gastronom Thomas Wippenbeck kam 1992 in die Südstadt. "Da war das Veedel auf seinem Höhepunkt. Vor den Kneipen standen immer lange Schlangen." Er hatte sich in das schöne Lokal am Ubierring mit den Kacheln und den hohen Deckenbögen verliebt. "Das war ein wunderschöner Raum und er war frei." Drumherum jede Menge Lokale mit einfachen Speisen oder Pizza, aber außer dem "Filos" bot keines richtige Küche an.
"In diese Lücke wollte ich hinein. Es war zu spüren, dass die Schnitzel-Zeit vorbei war, die wir alle aus der Kindheit kennen, wenn man mit den Eltern essen gegangen ist. Die Leute wollte gutes Essen und einen schönen Café au lait." Er hatte das richtige Gespür, neugierige Gäste kamen in Scharen ins "Wippenbeck". Gekocht wurde bis ein Uhr nachts. "Die Leute wollten sich zeigen, HA Schult promenierte durchs Lokal, Michael Schumacher war hier." Dass es heute in Köln zwölf Sternerestaurants gibt, war damals noch nicht denkbar.
Im Jahr 2000 war die Südstadt tot
Die Südstadt lebte viele Jahre von und mit ihrem Ruf. Doch irgendwann ließ der Zauber nach. "Das war Ende 90er Jahre", erinnert sich "Filos"-Chef Costa Fotiadis. "Es kamen immer mehr Leute aus Bergheim und dem Umland." Viele mit dem Auto, sodass sie den Anwohnern die Parkplätze wegnahmen. Der Kneipentourismus ging den Südstädtern zunehmend auf die Nerven. Auch hatte so mancher Angst um den Ruf des Veedels.
"Und dann kam die Bisa." Die Bürgerinitiative Südliche Altstadt thematisierte die große Lärmbelästigung durch das Kneipenpublikum. Es gab Lärmmessungen und danach neue Vorschriften. "Meine Nachtkonzession war weg", sagt der "Filos"-Chef. Jetzt hieß es: ab 22 Uhr Tür zu und Fenster nicht auf Kipp. Am späten Abend draußen Kölschtrinken, das war nicht mehr möglich. "Das Ordnungsamt stand jede Nacht da."
Und Fotiadis sagt den Satz, der lange Zeit als Etikett an der Südstadt klebte: "Die, die früher an der Theke lehnten, hatten inzwischen Eigentumswohnungen und Volvos vor der Tür. Die wollten ihre Ruhe." Die Gentrifizierung, vor der nicht nur Wolfgang Niedecken immer gewarnt hatte, hatte offensichtlich stattgefunden. "Ich hatte Verständnis für die Nachbarn, aber damit war es natürlich mit der Südstadt aus."
Auch Robert Hilbers von "Chlodwig Eck" sagt: "Die Südstadt war Ende der 90er Jahre erfolgreich beruhigt." Erfolgreich aus Sicht der Bewohner. Und auch Thomas Wippenbeck spürte den Knick, wenn auch nicht so heftig wie die Kneipenkollegen. "Um 2000 war hier tote Hose." Stattdessen zog das Feiervolk nach Ehrenfeld und in die Friesenstraße, wo das Restaurant "Heising und Adelmann" neue Maßstäbe setzte. Das war jetzt schick, während die Südstadt an ihrem eigenen Erfolg erstickt war.
Viele Lokale haben die Entwicklung nicht überlebt, doch Thomas Wippenbeck, Robert Hilbers und Costa Fotiadis haben bis heute erfolgreich die Stellung gehalten. In der nächsten Folge erzählen sie, wie das gelang und warum die Südstadt eine Renaissance erlebt. © Kölner Stadt-Anzeiger
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