Sie sei von Anfang an alleine gewesen mit ihrem Kind, ohne Unterstützung der Familie oder anderer Menschen.
"Und ich habe mich auch oft sehr alleine gefühlt", sagt Jasmin Schwarz (Name geändert), wenn sie an die erste Zeit mit ihrer Tochter zurückdenkt. Die heute 23-Jährige berichtet, dass es häufig sehr schwer gewesen sei, ihre Vollzeitstelle bei einem Catering-Unternehmen mit dem Wunsch, für ihre Tochter da zu sein, unter einen Hut zu bekommen. "Manchmal musste ich die Kleine einfach mitnehmen zur Arbeit, zum Beispiel dann, wenn die Kita-Betreuung ausgefallen ist."
Dass Gerda Obels schließlich in ihrer beider Leben trat und dafür sorgte, dass Jasmin Schwarz in solchen Notfällen beruhigt zur Arbeit gehen und die heute vierjährige Noemi ein paar abwechslungsreiche Stunden mit der 65-Jährigen verbringen konnte, sei ein glücklicher Zufall gewesen. Jedoch einer, für den sie nachhaltig dankbar sei.
Caritasverband Euskirchen startete das Projekt im vergangenen Jahr
Unter dem Titel "Alleinerziehend – nicht allein!" startete der Caritasverband Euskirchen im Juli vergangenen Jahres ein durch das Erzbistum Köln gefördertes Projekt, dass sich um die Stärkung der seelischen Widerstandskraft von Solo-Eltern im ländlichen Raum bemüht. Alleinerziehend und berufstätig, das seien "Ultrastressfaktoren", resümiert Cilly von Sturm.
Die Bereichsleiterin beim Caritasverband Euskirchen hat die Sorgen und Nöte vieler Alleinerziehender kennengelernt. Die Idee, ehrenamtliche Familienpatinnen einzusetzen, um die Solo-Eltern zumindest ein wenig zu entlasten, ist dabei keine neue. Diesmal jedoch stehen Alleinerziehende mit kleinen Kindern im Fokus der Maßnahme. "Gemeinsam mit den Alleinerziehenden werden die verfügbaren Ressourcen angeschaut. Und in welchem Bereich sie dringend Unterstützung benötigen", erklärt die Diplom-Pädagogin. Das niederschwellige Angebot reihe sich ein in die "Frühen Hilfen", die der Caritasverband zur Stärkung der Familie anbietet und die zum Teil von geschulten Ehrenamtlichen mitgetragen werden.
Zeitweise gab es 18 Familienpatinnen, die zum Einsatz kamen. "Durch die Pandemie und die Flutkatastrophe sind viele abgesprungen. Zurzeit haben wir nur vier. Wir könnten also neue Ehrenamtliche gut gebrauchen – der Bedarf bei Alleinerziehenden ist jedenfalls sehr hoch", sagt Cilly von Sturm.
Gerda Obels beispielsweise schwebte schon lange vor, als Rentnerin ein Ehrenamt zu finden, bei dem sie sich mit Kindern befassen kann. Die ehemalige Bankangestellte, die zwei erwachsene Söhne hat, hatte ihren ersten Einsatz als Familienpatin bei einer Mutter mit einem Neugeborenem.
Dann stellte Cilly von Sturm ihr Jasmin Schwarz und Noemi vor – und die Chemie stimmte sofort. Das, so von Sturm, sei auch klare Voraussetzung, um miteinander klarkommen zu können. Zum Konzept gehört auch, dann eine schriftliche Vereinbarung zu treffen, in welchem Bereich man Unterstützung wünscht, aber auch über Vertraulichkeit und Datenschutz.
Familienpatin stand der jungen Mutter immer mit Rat und Tat zur Seite
Einen Tag in der Woche holte Gerda Obels Noemi aus dem Kindergarten ab, machte mit ihr kleine Ausflüge, bastelte Kastanienmännchen oder backte mit der Kleinen Kuchen. "Manchmal habe ich ein Foto geschickt bekommen, da konnte ich dann sehen, wie wohl sich Naomi bei Gerda fühlt", sagt Jasmin Schwarz. Und wenn die Kita-Betreuung ausfiel, sprang die Familienpatin ein: "Das hat soviel Druck bei mir rausgenommen", sagt die junge Mutter. Auch, als sie nicht wusste, wie sie den entwicklungsbedingten Trotzphasen der Tochter begegnen kann oder wie man einen Kindergeburtstag ausrichtet, stand ihr die Familienpatin mit wertvollen Tipps zur Seite: "Ich konnte Gerda immer um Rat fragen."
"Die Aufgaben, die man als Familienpatin hat, sind sehr vielseitig", erzählt die 65-Jährige und ergänzt: "Es ist ein Ehrenamt, das nicht immer einfach ist, aber auf jeden Fall immer schön." Mittlerweile hat Jasmin Schwarz eine neue Arbeit angenommen, die kinderfreundlicher ist und sich zeitlich besser in den Alltag von Mutter und Kind einfügt.
"Es war nicht so einfach, etwas zu finden. Viele Stellen sind mit Schichtdiensten einfach unfair gestrickt für Alleinerziehende", so die 23-Jährige. Die Hilfe einer Familienpatin anzunehmen, war für sie eine rundweg positive Erfahrung. "Es hat uns beiden sehr gutgetan. Ich kann es anderen Alleinerziehenden nur empfehlen."
Vor einigen Monaten haben sich Gerda Obels, Jasmin und Noemi Schwarz dann das letzte Mal gesehen. Die Begleitung ist zwar längerfristig angelegt, aber nicht für immer: "Ich bin jetzt so weit, dass ich ohne diese Hilfe klarkomme", sagt Schwarz. Und Noemi? Wie war der Abschluss der Patenschaft für sie? "Ich habe ihr erklärt, dass sich Gerda jetzt um eine andere Familie kümmern muss. Das hat sie verstanden."
Die meisten Alleinerziehenden in Deutschland sind weiblich
Rund 2,97 Millionen Eltern in Deutschland sind alleinerziehend (Stand 2023), davon rund 1,7 Millionen mit minderjährigen Kindern. Die Mehrzahl der Alleinerziehenden ist weiblich (2,39 Millionen.)
Das Projekt "Alleinerziehend – nicht allein!" des Caritasverbandes Euskirchen hat zum Ziel, die seelische Widerstandskraft Alleinerziehender von Kindern bis drei Jahren zu stärken. Ein Team geschulter Ehrenamtler hilft den Solo-Eltern, die oft keine Unterstützung aus ihrem sozialen und familiären Umfeld erhalten, im Alltag. Wie genau, das wird individuell festgelegt: Entlastungsgespräche, Kinderbetreuung, Unterstützung bei Einkäufen, Vermittlung von Hilfsangeboten, Begleitung zu Behörden und einiges mehr.
Interessenten für das Ehrenamt der Familienpatin sollten zwei bis drei Stunden pro Woche Zeit für die betreute Familie haben und darüber hinaus an verschiedenen Schulungen teilnehmen, die der Caritas-Verband anbietet. Alle sechs Wochen findet ein Austauschtreffen mit dem ganzen Team statt.
Alleinerziehende, die von dem kostenlosen Angebot der Caritas profitieren wollen, können sich gerne mit der Projektkoordinatorin Cilly von Sturm in Verbindung setzen, Tel.: 0 22 51/70 00 94 oder per E-Mail. © Kölner Stadt-Anzeiger
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