Mit vier Roten Bänken macht das Projekt "Runder Tisch gegen häusliche Gewalt im Kreis Euskirchen" am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen auf die Betroffenen aufmerksam.

Mehr News aus Nordrhein-Westfalen finden Sie hier

Die mit klaren Statements versehenen Bänke wurden vor dem Amtsgericht in Schleiden, der Polizeistation in Mechernich, am Marien-Hospital und vor dem Amtsgericht in Euskirchen eingeweiht. "Die Platzauswahl ist nicht zufällig. Es wurden bewusst Gebäude gewählt, die mit häuslicher Gewalt in Bezug stehen", berichtete die Gleichstellungsbeauftragte des Kreis Euskirchen, Astrid Günther, bei der Vorstellung der vierten neuen Bank.

Die ersten Bänke wurden am Kreishaus aufgestellt

Seit 2021 stehen zwei Rote Bänke vor dem Kreishaus in Euskirchen. Mit der Aktion vom "Runden Tisch" hat sich die Anzahl der Roten Bänke im Kreis auf sechs erhöht. Im Projekt gegen häusliche Gewalt arbeiten verschiedene Behörden, Verbänden, Institutionen und Einzelpersonen aus dem Kreisgebiet mit.

"Die Roten Bänke sollen das Thema als Mahnmale mitten in die Gesellschaft tragen", sagte Astrid Günther: "Im Zuge dessen lassen sich auch die geplanten Kürzungen des Landes NRW für Frauenschutzhäuser in Höhe von zwei Millionen Euro kritisch hinterfragen".

Die Bank vor dem Amtsgericht in Euskirchen enthält den Schriftzug "Nein zu Gewalt gegen Frauen". Die anderen drei Bänke tragen das Statement "Null Toleranz für häusliche Gewalt".

Häusliche Gewalt ist auch rechtlich ein großes Thema.

Alesha Gasior, Pädagogin

Alesha Gasior, Pädagogin und Mitarbeiterin im Schutzhaus erläuterte den Standort der Bank am Amtsgericht: "Häusliche Gewalt ist auch rechtlich ein großes Thema. Im Familienrecht reicht der Gewaltverdacht aus, um die Sicherung des Kindeswohls und den Opferschutz besser gewährleisten zu können." Das bedeute unter anderem, dass Einschätzungen des Schutzbundes vorläufig ausreichend seien, um rechtliche Schritte einleiten zu können, die Betroffene vor potenzieller Gewalt schützen. "Der damit verbundene Vertrauenvorschuss an mutmaßlich Betroffene ist wichtig", teilte die 26-Jährige mit.

Sie gibt zudem zu bedenken, dass Betroffene auch nach dem Erleiden körperlicher oder psychischer Gewalt oftmals weiter Gewalt in systemischer Form ausgesetzt seien.

Fälle von häuslicher Gewalt schwierig für die Polizei

Doch bevor Fälle von häuslicher Gewalt überhaupt vor Gericht verhandelt werden, müssen diese erst einmal zur Anzeige gebracht werden. Laut Polizeihauptkommissar Roger Kath seien Fälle häuslicher Gewalt nie einfach für die Einsatzkräfte: "Es ist sehr schwer, die Situation direkt einzuschätzen. Wir sind auf die nachträgliche Faktenlage angewiesen. Auch mit den Zeugen ist es häufig schwierig. Oft sind kleine Kinder im Zeugenstatus, in der Nachbarschaft gibt es meist Ohrenzeugen – wir brauchen aber Augenzeugen."

Auch für die missliche Lage der Nachbarn, die etwas Verdächtiges hören, habe die Polizei Verständnis: "Viele Menschen wollen sich nachbarschaftlich nicht einmischen. Wann man einschreitet, ist eine Gradwanderung."

Besser einmal zu viel, als zu wenig die Polizei rufen

Ellen Mende, die bei der Frauenberatung des Vereins "Frauen helfen Frauen" arbeitet, betont zu diesem Aspekt: "Es ist besser, einmal zu viel die Polizei zu rufen, als einmal zu wenig." Weiter sagte sie: "Gewalt ist nicht privat. Es hilft auch, im Vorfeld aktiv Personen anszuprechen." Dem stimmt auch Alesha Gasior zu: "Für viele Menschen sind Gewalterfahrungen normalisiert. Wenn Sie darauf angesprochen werden, kann das ein Bewusstsein schaffen und eine Referenz geben. Ansprechen bewirkt immer etwas, man gibt immer etwas mit."

Die Aktion des "Runden Tischs" mit ihren öffentlichen Appellen wird auch von Landrat Markus Ramers und Bürgermeister Sacha Reichelt sehr begrüßt. "Es ist eine tolle Aktion. Die Thematik soll weiter bekannt gegeben werden. Wir haben im Kreis sehr engagierte Gruppen – auch die Polizei und Krankenhausmitarbeiter beteiligen sich. Diese jahrelange Zusammenarbeit ist wichtig, damit die betroffenen Frauen Hilfe bekommen", lobt Markus Ramers.

Auch Sacha Reichelt ist froh über die Aktion: "Es ist toll, dass es so einen Tag gibt. Wir beleuchten in diesem Sinne auch später noch das Alte Rathaus in der Baumstraße in Orange." Die Farbauswahl bedingt sich aus der Bezeichnung "Orange Day" (orangefarbener Tag) für den 25. November im englischsprachen Raum. Die Farbgebung geht auf eine UN-Kampagne aus dem Anfang der 1990er zurück.

Warum Rote Bänke aufgestellt werden

In Italien sind 2016 zum ersten Mal Rote Bänke mit Gewalt gegen Frauen in Verbindung gebracht worden. In Perugia wurde "la pancchina rossa" auf einem öffentlichen Platz aufgestellt, um auf die tabuisierte Gewalt gegen Mädchen und Frauen aufmerksam zu machen. Das Konzept, geschlechtsspezifische Gewalt zu thematisieren, hat sich mittlerweile auch in Deutschland verbreitet.

Die rote Farbe symbolisiert Blut, das viele weibliche Opfer von Gewalt vergossen haben. Außerdem verweisen die Bänke darauf, dass die Plätze auf den Bänken leer bleiben, wenn Frauen Opfer von Gewalt werden. Gleichzeitig sollen die öffentlichen Zeichen dazu auffordern, mit dem Hinsetzen auf die Bank auch ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen zu setzen.

Häusliche Gewalt im Kreis Euskirchen

Laut Polizeistatistik gab es im vergangenen Jahr 643 angezeigte Fälle häuslicher Gewalt im Kreis Euskirchen. Das sind elf Prozent mehr Fälle als 2022 (576 Fälle). Frauen sind gemäß Kriminalhauptkommissarin Eva Winkel deutlich häufiger als Männer betroffen: Im vergangenen Jahr seien 488 Frauen und 209 Männer Opfer häuslicher Gewalt geworden. 2022 seien 432 Frauen und 196 Männer betroffen gewesen.

Vielen Dank für Ihr Interesse
Um Zugang zu allen exklusiven Artikeln des Kölner Stadt-Anzeigers zu erhalten, können Sie hier ein Abo abschließen.

Die Dunkelziffer sei voraussichtlich deutlich höher, gibt Winkel zu bedenken. Sie erklärt die steigende Zahl der erfassten Vorfälle auch mit einer verstärkten öffentlichen Diskussion. Hierdurch werde das Thema enttabuisiert.   © Kölner Stadt-Anzeiger

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.