Seit zwei Wochen führt die Bundespolizei an der Staatsgrenze zu Belgien wieder Grenzkontrollen durch.

Mehr News aus Nordrhein-Westfalen finden Sie hier

Doch an den beiden Grenzübergängen zwischen dem Kreis Euskirchen und der belgischen Provinz Lüttich am Losheimergraben sowie zwischen Losheim und Hergersberg ist davon aktuell nicht viel zu spüren: Ungehindert fließt der Verkehr zwischen den beiden Ländern, Bundespolizisten sind nicht auszumachen.

"Ich habe hier noch keine Grenzschützer gesehen", sagt eine Frau aus dem rheinland-pfälzischen Hallschlag, die täglich zur Bäckerei am belgischen Supermarkt kommt. Auch Günter Frings aus Euskirchen fährt hin und wieder zum Einkaufen in den Grenz-Supermarkt. "Ich habe mich schon gefragt, ob jetzt wieder ein Zöllner an der Straße steht und wissen will, wie viel Kaffee ich gekauft habe", sagt der Rentner und lacht.

Christof Irrgang, Pressesprecher der Bundespolizei in Aachen, bestätigt, dass "vorerst keine festen Kontrollstellen" in der Eifel geplant seien: "Es kann aber auch jederzeit in diesem Bereich zu Kontrollen durch Streifen- oder Zivilkräfte der Bundespolizei kommen. Wir passen unser Einsatzkonzept laufend an."

Bundespolizei schickt bei Aachen Schleuser nach Belgien zurück

In der Region konzentrieren sich die Kontrolltätigkeiten der Grenzschützer bislang auf die stark frequentierten Grenzübergänge an den Autobahnen. An der A44 bei Aachen wurde zum Beispiel am Donnerstag ein Schleuser gestoppt, der zwei afghanische Landsmänner nach Deutschland bringen wollte. Alle drei seien nach Belgien zurückgeschickt worden. "An diesem Tag konnten zudem elf weitere unerlaubte Einreisen festgestellt werden", so die Bundespolizei weiter.

Weiter südlich, an der Grenze zwischen Belgien und Rheinland-Pfalz, wurde an der A 60 zwischen Sankt Vith und Prüm zeitweise ein fester Kontrollpunkt an einem Parkplatz eingerichtet. Der Aachener Polizeihauptkommissar Christof Irrgang will daher nicht ausschließen, dass mit der Zeit auch die kleineren Grenzübergänge stärker überwacht werden: "Sollten wir den Verdacht haben, dass sich Grenzverkehre in Richtung Eifel verlagern, werden wir dort mehr kontrollieren."

Bürgermeister Rudolf Westerburg findet Grenzkontrollen schlimm

Dabei könne es auch im Grenzraum bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern (also etwa im Bereich des früheren "Zollgrenzbezirks") "stichpunktartig, punktuell wechselnd und temporär zu Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen kommen", so Irrgang.

"Ich persönlich finde das schlimm", sagt Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg, wenn er an die von der Bundesregierung angeordneten Grenzkontrollen denkt: "Ich kann mich noch gut an die Zeit vor dem Schengener Abkommen erinnern, als es noch Kontrollen gab."

Obligatorische Kontrollen wären ein Rückschritt für die Lebenssituation der Menschen in der Grenzregion, und zwar auf beiden Seiten der Grenze.

Rudolf Westerburg, Bürgermeister der Gemeinde Hellenthal

Am 26. März 1995 trat das Abkommen in Kraft, das auch den Verzicht auf Personenkontrollen zwischen den beteiligten Staaten beinhaltete. In die Zeit davor will Westerburg auf keinen Fall zurück: "Es ist doch toll, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten so eng zusammengewachsen sind."

Belgische Politiker sehen deutsche Grenzkontrolllen kritisch

Sollten die Kontrollen ausgeweitet werden, befürchtet Westerburg einen Stimmungsumschwung. "Obligatorische Kontrollen wären ein Rückschritt für die Lebenssituation der Menschen in der Grenzregion, und zwar auf beiden Seiten der Grenze", so der Bürgermeister: "Es sind so viele Freundschaften entstanden, wir fahren regelmäßig zum Einkaufen über die Grenze, es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Kollegen der belgischen Gemeinde Büllingen."

Sein dortiger Amtskollege Friedhelm Wirtz schätzt das ganz ähnlich ein. "Bislang sind etwaige Kontrollen nicht negativ aufgefallen in der ostbelgischen Bevölkerung", sagt der Bürgermeister aus Büllingen. Auch er wünscht sich, dass es nicht zur Einrichtung fester Kontrollstellen in der Region kommt. "Das könnte dann Auswirkungen auf den Warenverkehr zwischen unseren Ländern haben. Es gibt aber auch viele Grenzpendler, die auf der jeweils anderen Seite der Grenze arbeiten – die wären dann besonders betroffen, wenn es wegen der Kontrollen zu Zeitverzögerungen käme", so Wirtz: "Heutzutage hat doch niemand mehr Zeit."

Stationäre Kontrollen des Grenzverkehrs sieht auch Oliver Paasch, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Eupen, als größtes Problem an. "Das wäre außerdem ein Verstoß gegen Schengen", so der belgische Politiker: "Wir sind da im engen Austausch mit den Unternehmen, bislang gab es aber aus unserer Sicht keine Probleme." Offene Grenzen, so Paasch, "sind für die Region enorm wichtig".

Grenze zu Belgien: Katasteramt Euskirchen weiß Bescheid

Das Statistische Bundesamt gibt für die Grenze zwischen der Bundesrepublik und Belgien eine Länge von 204 Kilometern an, die sich auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verteilen.

Doch genau da fangen die Ungereimtheiten auch schon an: Denn während das Land NRW 99 dieser 204 Kilometer für sich beansprucht, reklamiert das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz 58 Kilometer für sich. Macht in der Summe 157 Kilometer. Wo die Bundes-Statistiker die fehlenden 47 Kilometer Grenze verorten, ist fraglich.

Vielen Dank für Ihr Interesse
Um Zugang zu allen exklusiven Artikeln des Kölner Stadt-Anzeigers zu erhalten, können Sie hier ein Abo abschließen.

Das Katasteramt der Kreisverwaltung Euskirchen kann mit einer weiteren Zahl aufwarten: "Genau 29,3 Kilometer misst die Grenze zwischen dem Kreis Euskirchen und Belgien", sagt Kreis-Pressesprecher Wolfgang Andres: "Da sind sich die Kollegen zu 100 Prozent sicher."   © Kölner Stadt-Anzeiger

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.