Malgorzata Chrostowska und ihr Mann Emil waren 2021 in Flamersheim gleich doppelt von der Flut betroffen.

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Die gebürtigen Polen hatten in Flamersheim gerade ein geschichtsträchtiges Haus gekauft und lebten im Juli 2021 aber noch in einer Mietwohnung nur eine Straße weiter. Das Hochwasser stand in beiden Objekten – teils höher als 1,30 Meter.

Mittlerweile sind die Chrostowskas in die Horchheimer Straße gezogen und fast alle Flutschäden sind beseitigt, da hat sich eine neue Baustelle eröffnet: eine Herzensbaustelle sozusagen. Das Ehepaar sammelt seit einigen Tagen Hilfsgüter für Flutbetroffene in ihrem Heimatland Polen. "Wir haben hier damals so viel Hilfe erfahren. Von Organisationen, von Nachbarn, von wildfremden Menschen. Dafür wollen und müssen wir etwas zurückgeben", sagt die 32-Jährige.

Flut: Flamersheimer wollen den Menschen in ihrem Heimatland helfen

Um genau das zu tun, haben die Chrostowskas ihren Innenhof in ein großes Spendenlager verwandelt und planen mindestens einen Hilfstransport in den Bezirk Klodzko, der von der Hochwasserkatastrophe hart getroffen wurde. "Wir wollen uns um die Orte rund um Klodzko kümmern, weil dort immer noch Orte vom Wasser eingeschlossen sind", sagt die 32-Jährige.

Und weil sich das Wasser noch nicht vollständig zurückgezogen habe und man aus eigener Erfahrung wisse, wie wichtig Hilfe auch nach vielen Monaten, wenn nicht gar Jahren sei, sei es auch nicht schlimm, dass der Hilfstransport erst Anfang Oktober starten soll. Bis dahin wolle man sammeln, was in Flutgebieten so benötigt werde. "Alles", sagt Emil Chrostowska. Und der 34-Jährige meint wirklich alles: Medikamente, Eimer, Schaufeln, Plüschtiere, haltbare Lebensmittel, Wasser, Trocknungsgeräte, Decken, Tiernahrung, Schuhe, Kleidung.

Was die Chrostowska aber nicht annehmen wollen: Geld. "Wir wollen helfen und natürlich können die Betroffenen auch Geld gebrauchen, aber wir möchten kein Geld annehmen, weil wir uns nicht nachsagen lassen wollen, dass das eh nie bei den Menschen vor Ort angekommen sei", sagt Emil Chrostowska. Wenn jemand keine materiellen Hilfsgüter beisteuern kann, würden sich die beiden Wahl-Flamersheimer für ihre Landleute auch über Einkaufsgutscheine freuen. Die würde man einlösen und die Ware in die Krisenregion mitnehmen.

Gemünder Verein hat ersten Hilfstransport auf die Reise geschickt

Ebenfalls kräftig Spenden und Hilfsgüter gesammelt hat der Verein "Fortuna hilft" in Gemünd. Die Gruppe um Rebecca Müller hat vom Malzirkus in Gemünd aus den ersten Hilfstransport nach Polen sogar schon gestartet. An Bord sind unter anderem viele Hilfsgüter für Tiere. Der Transport geht ebenfalls in die Region Klodzko, die von den Wassermassen getroffen wurde, nachdem am Fluss Biała Lądecka in Stronie Śląskie ein Staudamm gebrochen war.

"Wir haben so viele herzzerreißende Videos gesehen. Auch von völlig zerstörten Tierheimen, dass wir dort zunächst helfen wollen", sagt Müller. Der Verein "Fortuna hilft" sei seit gut drei Jahren im Dauer-Hilfsmodus. Nachdem die gröbsten Schäden und Hilfen in der Eifel und im Ahrtal abgearbeitet waren, engagierte sich der Verein in der Ukraine. Auch bei den Hochwassern in Slowenien, in Bayern und im Saarland waren Ehrenamtler vor Ort und unterstützten die Menschen mit Hilfsgütern.

Wir haben über Social Media einen Kontakt in die Region hergestellt und wissen, was die Menschen benötigen.

Rebecca Müller, Fortuna hilft

Nun also Polen. "Wir haben über Social Media einen Kontakt in die Region hergestellt und wissen, was die Menschen benötigen", sagt Müller. Was vor Ort am dringendsten benötigt werde, unterscheide sich nämlich nicht von dem in anderen Krisenregionen, in denen das Wasser viel Unheil gebracht habe.

Entsprechend habe man das über die vergangenen drei Jahre gewachsene Netzwerk genutzt, um bereits innerhalb weniger Tage den ersten Hilfstransport abfahrbereit zu machen. Aus der Flut im Kreis Euskirchen habe sie gelernt, dass die Senioren mitunter vergessen worden seien – und wie wichtig auch kleine Dinge wie Cola oder Schokolade seien. Allein für die Nerven.

Ganze Familie hilft bei der Organisation der Hilfstransporte

Nicht an die Nerven, aber ans Gemüt sind viele Videos auf den Sozialen Netzwerken der Flamersheimerin Malgorzata Chrostowska gegangen. "Die Bilder sind so erschreckend gleich zu hier", sagt sie: "Anders als hier bekommen die Menschen in meiner Heimat aber nicht so viel professionelle Hilfe wie hier."

Vor Ort wolle man dann entscheiden, wo in welchem Ort was benötigt werde, sagt die 32-Jährige, die von ihrer Schwägerin Magdalena und ihren Kindern (5 und 12 Jahre alt) beim Sortieren der Spenden unterstützt wird.

Der Verein "Fortuna hilft" hat laut Rebecca Müller sogenannte Bedarfslisten erstellt. Es gebe sogar ein deutschlandweites Routennetz der Hilfsorganisationen, an dem auch der Gemünder Verein beteiligt sei, um möglichst effizient die Hilfstransporte zu organisieren.

Benötigt werden unter anderem Babynahrung, Stromerzeuger, Besen, Powerbanks, Wasserkanister, stabile Müllsäcke, Decken, Eimer, Taschenlampen oder Putzmittel – und für die Haustiere beispielsweise Futternäpfe, Futter jeglicher Art, Körbchen oder auch Leinen.

Der Verein "Fortuna hilft" sammelt die Spenden am Malzirkus in Gemünd, Müsgesauel 37. Feste Zeiten für die Abgabe gibt es nicht.

Täglich ab 18 Uhr können Spenden bei den Chrostowskas, Horchheimer Straße 25 in Flamersheim, abgegeben werden.

Das Dinghaus in Flamersheim hat eine bewegte Geschichte

Wer in Flamersheim Hilfsgüter für die von der Flut betroffenen Menschen in Polen abgibt, sollte die Gelegenheit nutzen und einen Blick in den Hof der Chrostowskas werfen. Zwischen den sanierten und neu gebauten Häusern steht nämlich ein rot-gelbes Fachwerkhaus. Und das ist Flamersheimer Geschichte pur. Das Gebäude ist das ehemalige Flamersheimer Dinghaus.

Und das hat eine bewegte Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes. Bei der Umgestaltung des Marktplatzes ist das Fachwerkhaus aus dem späten 17. Jahrhundert nämlich transloziert worden – an die Horchheimer Straße mit der Hausnummer 25.

Einst wurde in dem alten Gebäude Hexen der Prozess gemacht. Während sich im oberen Bereich ein großer Gerichtssaal befand, gab es ebenerdig mindestens ein Gefängnis für die Frauen, die im Verdacht standen, mit dem Teufel im Bunde zu stehen.

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Und daher verwundert wohl auch nicht ein unheimlicher Zufall auch: 666 Quadratmeter ist das Grundstück insgesamt groß. Die 666 wird auch als die Zahl des Antichristen bezeichnet. Irgendwie passend, wenn es sich um ein Haus handelt, in dem Hexenprozesse durchgeführt wurden.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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