Der Plan hat nicht funktioniert. "Eigentlich wollten wir keine Lawine lostreten", sagt Bianka Paulus mit überraschtem Gesicht.

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Innerhalb von 22 Stunden ist der Facebook-Post, in dem sie und ihr Mann Harald Paulus ihren Followern mitteilen, dass das Schlossrestaurant Schleiden, das das Ehepaar gemeinsam betreibt, zum 23. Februar seinen Betrieb einstellt, mehr als 15.000-mal angesehen und 30-mal geteilt worden.

Eigentlich hätten sie das nur gemacht, um ihren Kunden mitzuteilen, dass die Gutscheine für einen Restaurantbesuch wahrgenommen werden müssten, sagt sie. Doch die Nachricht habe weite Kreise gezogen. "Viele sind traurig und enttäuscht darüber", beschreibt Harald Paulus die Reaktionen. Denn damit ist die Restaurantszene im Südkreis um einen weiteren Betrieb ärmer geworden.

Gehobene Küche ist nicht kostendeckend zu realisieren

Wie so viele Gastronomen in Deutschland seien auch sie "in die Mühle genommen worden", wie Harald Paulus sagt. "Seit Corona gibt es die Gastrokrise, und zwar deutschlandweit", beschreibt der Koch das Problem. Auch in Hamburg, wo er früher tätig gewesen sei, sei das nicht anders. "Dort schließen bekannte Gastronomen. Oder sie stehen kurz davor", erklärt er.

Gerade die gehobene Küche, wie Paulus sie im Schlossrestaurant angeboten hat, sei nicht mehr kostendeckend zu realisieren. "Wir haben einen gehobenen Anspruch, haben eine frische Küche. Qualität kennt aber keine Kompromisse", betont Harald Paulus. Der Aufwand, der dafür erforderlich sei, sei entsprechend teuer. "Frische Küche kostet ihren Preis", betont er. Gefrorene Convenience-Produkte zu verwenden, das sei nicht sein Ding.

Die Deutschen sparen beim Essen.

Harald Paulus, Gastronom

"Die Deutschen sparen beim Essen", hat er beobachtet. Das Konsumverhalten sei zurückhaltend. Dazu seien seit dem Beginn des Ukrainekrieges die Kosten explodiert. "Gerade für Betriebe, die einen gehobenen Anspruch haben, wird es immer schwieriger", sagt er. Restaurants mit zwei oder drei Sternen hätten eine Kundschaft, die nicht auf den Preis achte. Doch gerade für die mit einem Stern ausgezeichneten Betriebe sei es problematisch. Auch das Sternerestaurant "Bembergs Häuschen" in Flamersheim sei im September geschlossen worden.

Außer dem Umsatzrückgang gebe es das Problem, dass sich während des Lockdowns viele Mitarbeiter aus der Gastronomie verabschiedet hätten. "Du bekommst kein zuverlässiges Personal mehr", so Paulus. Selbst auf eine Stellenausschreibung für einen Aushilfsjob seien keine Bewerbungen eingegangen. "Doch der Todesstoß war die Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf 19 Prozent", sagt sie. So hoch sei die Umsatzsteuer zwar auch vor Corona gewesen, doch die Kosten seien nicht so hoch gewesen.

Chronischer Personalmangel und Mehrwertsteuer als Todesstoß

Es gab aber auch spezielle Schwierigkeiten im Betrieb. Die Probleme, Personal zu bekommen, hatten zur Folge gehabt, dass das Ehepaar immer wieder alleine den Betrieb im Restaurant schmiss: Er in der Küche, sie im Service. Lediglich in Spitzenzeiten wird Harald Paulus von seinen 16-jährigen Zwillingssöhnen unterstützt.

Wenn aber alle Tische im Schloss besetzt seien, sei das auch wieder zu wenig. "Ein erhöhtes Aufkommen kriegst du alleine nicht bewältigt", hat er feststellen müssen. Noch mehr: "Wenn einer von uns wegen Krankheit ausfällt, ist Schluss", betont er. Doch: "Je höher der Aufwand, desto mehr Hände brauchst du", weiß Harald. Die Gäste wollten aber nicht nur gut essen, sondern auch gut bedient werden. "Die wollen keine gehetzten Leute sehen", sagt er.

Schleidener Gastronomen sind desillusioniert und ausgepowert

Es habe auch immer wieder gute Phasen gegeben. Doch zunehmend sei das Geschäft unkalkulierbar geworden. "Manchmal war es mittwochs voll, aber dafür war am Freitag nur ein Tisch besetzt", beschreibt er die Situation. Das sei früher in der Gastro anders gewesen. Da habe man sich auf die Wochenenden als umsatzstarke Zeiten verlassen können. "Wir merken auch die Auswirkung der gesperrten Brücke über die Olef", fügt Bianka Paulus hinzu. Das sei für viele Besucher die direkte Zufahrt gewesen.

Immer wieder hätten sie die Erfahrung machen müssen, dass der Besuch im Restaurant für viele Menschen nur noch bei einem besonderen Anlass stattfinde. "Da verabschieden sich dann Gäste mit den Worten ,Bis nächstes Jahr'", berichtet Bianka Paulus. Davon könne kein Restaurant leben. Immer geringer sei der Ertrag geworden, bis die Erkenntnis klar war. "Im Großen und Ganzen kannst du von Gastronomie in der Eifel nicht leben. Deshalb machen wir zu", sagt Bianka Paulus.

Die Region muss ihre Restaurants unterstützen, sonst sterben die.

Bianka Paulus, Gastronomin

Was die Zukunft für Bianka und Harald Paulus bringen wird, ist noch ungewiss. Nur eines ist sicher: "Wir machen keinen neuen Laden auf", so der Koch. Er sei nicht der Meinung, dass bessere Zeiten kommen würden. "Wir wollen in einen sicheren Hafen, in ein Angestelltenverhältnis. Aber was es wird, wissen wir noch nicht", sagt Bianka Paulus. Und er fügt hinzu: "Wir haben nicht mehr die Kraft."

Schon jetzt würden sie viele der Gäste vermissen, die sie in den Jahren bekocht hätten, sagt Bianka Paulus. Am meisten aber tue es ihr für die 13 Mitarbeiter leid, die im Schlossrestaurant tätig sind, viele in Teilzeit oder Minijobs. Dazu komme das gute Verhältnis zum Vermieter, der Schloss Schleiden Immobilienverwaltung, die alles dafür habe tun wollen, das Ehepaar weiter im Schloss zu halten. "Einen besseren Vermieter als diesen gibt es nicht", ist Paulus sicher.

Doch eine Erkenntnis steht für Bianka Paulus fest: "Die Region muss ihre Restaurants unterstützen, sonst sterben die." Wenn es aber keine Gastronomie mehr gebe, sterbe auch der Tourismus. "Auch in einer Ferienwohnung will man sich nicht immer selbst verpflegen", sagt ihr Mann.

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Sechs Wochen wird das Ehepaar Paulus noch im Schlossrestaurant sein. Denn einen besonderen Termin haben sie, an dem sie auf jeden Fall den Vertrag noch erfüllen wollten. Am Valentinstag, Freitag, 14. Februar, findet in dem Restaurant ein Krimidinner mit der Autorin Jutta Wilbertz statt, das unter dem Titel steht: "Mein Schatz, du musst versteh'n, da hilft nur noch Arsen." Musikalisch begleitet wird die Autorin dabei von ihrem Mann Thomas Wilbertz.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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