Dann steht sie da, in all ihrer altgoldenen Überdimensioniertheit: die Showtreppe. Sie ist mehr als bloße Requisite.

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Sie ist Sinnbild einer ganzen Ära. Einer Fernsehzeit, in der Unterhaltung schrill, kalkuliert und zugleich naiv war – und in der sich Existenzen daran messen mussten, wie sie in Kameraeinstellung drei lächeln konnten. Auf Grundlage von Hape Kerkelings gleichnamigem Film aus dem Jahr 1993 wird eine tiefenscharfe Analyse medialer Mechanismen ausgerollt. Und das in bemerkenswerter szenischer Qualität.

Im Zentrum: Peter Schlönzke, überzeugend gespielt von Tom Schlabs, der die Figur weder parodiert noch idealisiert. Peter, ein ambivalenter Träumer aus dem Bottroper Kleinbürgermilieu, gerät in die Mühlen des Showgeschäfts – zunächst als Schnittchenlieferant, später als Moderator des altgedienten Fernsehformats "Witzischkeit kennt keine Grenzen". Was bei Kerkeling filmisch grotesk zugespitzt ist, erhält hier auf der Bühne eine zusätzliche Dimension: Die Figur wird zur Fläche gesellschaftlicher Sehnsüchte – nach Sichtbarkeit, Erfolg, Sinn. Schlabs gelingt es, diese Bruchlinien erfahrbar zu machen.

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Die Regie von Nadine Söhnert begreift den Stoff nicht als plattes Retrovehikel: Der Übergang zwischen grotesker Mediensatire und emotionaler Charakterstudie wird mit bemerkenswerter Klarheit inszeniert. Dabei vertraut sie nicht nur auf theatrale Überzeichnung, sondern auf klug gesetzte Brechungen und stillere große Momente. Das Bühnenbild ist eine Hommage an das Westdeutschland der Fernseh-Ära. Und besonders in dem Punkt hat sich das JML in Sachen Qualität und Vielseitigkeit selbst weit übertroffen. Ob Straßenzug, Wohnzimmer, Schnittchenladen oder Studio – große detailreiche physische Sets werden intelligenter mit Video projizierten Bühnenbildern gepaart, als viele große Produktionen diesen Spagat schaffen.

Die zentrale Showtreppe ist nicht nur Bühnenbild, sondern auch Symbol: Ein Ort, an dem Karrieren gemacht und Persönlichkeiten gebrochen werden. Die Musik von Achim Hagemann, kongenialer Partner Kerkelings, zeichnet sich durch stilistische Vielschichtigkeit aus. Da begegnet man der parodistischen TV-Show-Nummer ebenso wie melancholischen Balladen mit realer emotionaler Tiefe. David Welfens als musikalischer Leiter versteht es, diese kontrastreichen Klangwelten in ein homogenes Ganzes zu überführen. Besonders hervorzuheben ist die dynamische Chorarbeit. "Ich bin der Peter" wird gleich anfangs zum Ohrwurm, aber wird im Verlauf noch mehrmals abgelöst.

Zwischen schmieriger Entertainer-Fassade und latent sadistischem Machtmenschen

David Naser als Heinz Wäscher changiert überzeugend zwischen schmieriger Entertainer-Fassade und latent sadistischem Machtmenschen. Sophia Ehrlichs Oma Hilma ist mehr als nur komischer Sidekick und Publikumsliebling – sie verkörpert eine andere Generation, eine andere "Wahrheit". Und Jeannine Engelen gelingt es als Ulla, der Figur besondere emotionale Resonanz zu verleihen. Es ist genau dieses Nebeneinander von Typisierung und psychologischer Glaubwürdigkeit, das die Inszenierung trägt. Was formal eine Amateurproduktion ist, kann man nicht so nennen. "Kein Pardon" vom JML wird zu einer Reflexion über das Wesen von Unterhaltung, über den Preis des Applauses, über Identität im Lichte der Öffentlichkeit. Bemerkenswert. Das JML demonstriert mit dieser Inszenierung vor allem Spielfreude.

An einem Abend, der dem Zuschauenden erlaubt, viel zu lachen – und zugleich zu verstehen, worüber. Und das alles ehrenamtlich als Verein getragen. Mal sehen, ob sich Hape Kerkeling einer der weiteren Aufführungen anschließen wird - den hat das JML nämlich eingeladen.

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Weitere Vorstellungen

gibt es am Freitag, den 28. März um 19:30 Uhr, Samstag, den 29. März um 14:30 Uhr und 19:30 Uhr und am Sonntag, 20. März, 14 Uhr und 18:30 Uhr im Erholungshaus (Nobelstraße 37, 51373 Leverkusen) Tickets gibt es online zwischen 17 und 36 Euro.

www.jungesmusical.de  © Kölner Stadt-Anzeiger