Im August sah es so aus, als sei ein bizarrer und deutschlandweit einzigartiger Streit ums Wegerecht endlich beendet: Die Stadt Köln hatte nach vier Jahren erbitterter Nachbarschaftsauseinandersetzung eine Privatstraße in Junkersdorf öffentlich gewidmet – und war damit einem Ehepaar zur Seite gesprungen, das nach einem Urteil des Kölner Amtsgerichts zwischenzeitlich befürchten musste, festgenommen zu werden, sobald es sein eigenes Haus verließ.
Dieser Text gehört zu den beliebtesten Inhalten des Jahres 2024 und wurde erstmals am 9. Oktober 2024 veröffentlicht. Mehr der meistgelesenen Artikel des Jahres finden Sie hier.
Eigentümer der Privatstraße ficht Umwidmung an
Das Ehepaar hatte sich geweigert, als einzige Anwohner der Privatstraße im Stüttgerhofweg Nutzungsgebühren zu zahlen und damit argumentiert, dass die Eigentümerin der Sackgasse verpflichtet gewesen wäre, die Straße schon nach dem Bau im Jahr 1973 an die damalige Gemeinde Lövenich zu übertragen. Dieser Rechtsauffassung hatte die Stadt Köln sich vier Jahre nach Beginn des Nachbarschaftsstreits angeschlossen. Der Eigentümer der Privatstraße hat der öffentlichen Widmung allerdings jüngst widersprochen und ficht die Umwidmung der Straße an.
Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" legt die Klägerin, eine Immobiliengesellschaft, dabei unter anderem einen Formfehler zugrunde: Der notarielle Vertrag zur Übertragung der Straße an die Gemeinde Lövenich sei im Jahr 1973 nicht von der Gemeinde oder vom Bürgermeister unterzeichnet worden. Der Anwalt der Klägerin äußert sich auf Anfrage nicht, bestätigt aber, dass seine Klientin Rechtsmittel eingelegt habe.
Mit Auto neuen Zaun blockiert
Der Schildbürgerstreich nahm seinen Lauf, als das Ehepaar Perwin Sakar und Latif Bekiri einen Gasanschluss legen lassen und die Eigentümerin der Straße das nicht zulassen wollte. Als die Bekiris einen neuen Zaun bauen lassen wollten, blockierte ein Mitarbeiter der Eigentümerin die Straße mit seinem Auto.
Als das Ehepaar sein Auto neben dem Zaun parken wollte, ließen die Straßeneigentümer dort Poller anbringen, die nur mit einem Schlüssel zu öffnen sind. Viele Anwohner sollen einen Schlüssel erhalten haben – nicht aber Sakar und Bekiri.
Jährlich 18.300 Euro Nutzungsgebühren für die Straße verlangte die Eigentümerin von dem Ehepaar – das Amtsgericht hatte 300 Euro für angemessen gehalten. In dem Urteil, das dem Ehepaar schließlich eine Haftstrafe bei Betreten der Straße androhte, schrieb das Gericht, "dass sich das Verhalten der Klägerin (…) als objektiv ungerecht darstellt. (…) Es erscheint in tatsächlicher Hinsicht vollkommen unsinnig, dass die Beklagten ihr Grundstück nicht betreten dürfen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich das Straßengrundstück in Privatbesitz bzw. Privateigentum der Klägerin befindet". Nach dem "Kölner Stadt-Anzeiger" hatten zahlreiche Medien über die Wegerechtsposse berichtet.
Zu dem paradoxen Urteil war es auch deswegen gekommen, weil der Anwalt des Ehepaars kein Notwegerecht beantragt hatte. Zu einer Einigung über ein Notwegerecht war es schließlich auch deswegen nicht gekommen, weil die Straßeneigentümerin in einem vorgeschlagenen Vertrag geschrieben hatte, dass Freunde und Bekannte die Sackgasse nicht nutzen dürften – ebenso wenig Journalisten.
Inzwischen haben die Rechtsstreitigkeiten große Teile der Ersparnisse des wohlhabenden Ehepaars aufgezehrt. "Mit den Nerven", sagt Perwin Sakar, "sind wir schon lange am Ende. Es ist unerträglich." © Kölner Stadt-Anzeiger
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