Der am Donnerstag von Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) und Kämmerin Dörte Diemert vorgelegte Haushaltsentwurf sieht Kürzungen in vielen Bereichen vor.

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Zwischen 93,5 und 115,1 Millionen Euro spart die Verwaltung in den kommenden Jahren – und das sei noch nicht genug, sagte Reker.

Die Fraktionen des Stadtrats stimmen in ihren ersten Reaktionen überein, dass es Konsolidierungen geben wird und muss. Die Frage ist, welche Sektoren es härter trifft. Zu den geplanten Kürzungen im Bereich Flüchtlingsberatung, Anonymer Krankenschein und Koordination der Ehremamtsarbeit sagte Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat: "Wenn die Kürzungen so stehen bleiben, dann kürzt die Stadt Köln an Seele und Herz der Stadt."

Haushaltsentwurf Köln: Viele Einschnitte geplant

Stellen für Flüchtlingsberatung oder das Forum gegen Diskriminierung und Rassismus zu streichen, dem Bleiberechtsprogramm für geduldete Menschen in Köln und dem Flüchtlingszentrum Fliehkraft keine Zukunft zu geben, "das bedeutet in Zeiten mit hohen Zustimmungswerten für rassistische Parteien, den sozialen Frieden zu gefährden". Die geplanten Kürzungen seien "katastrophal". Er hoffe, dass "sie nicht in der geplanten Form bestehen bleiben" und in der mittelfristigen Finanzplaung kein weiterer Kahlschlag vorgesehen sei. "Genau das ist aber zu befürchten."

Ossi Helling von Rom e.V., einem der Träger des Bleiberechtsprogramms für geduldete Menschen, sagte am Rande einer Demonstration vor dem Amt für Integration und Vielfalt in der Sandkaul, dass "Köln sich mit dem Prädikat Stadt der Vielfalt" schmücke. Daran müsse sich eine für Toleranz bekannte Metropole auch messen lassen. "Köln müsste ein Zeichen setzen und Migranten nicht auch zu einem Opfer von Missachtung machen wie es leider vielerorts geschieht."

Sparen bei der Flüchtlingsberatung

Zur geplanten Streichung der Leistungen für das Bleiberechtsprogramm ab 2026 sagte Helling: "Das Programm ist überaus erfolgreich: Allein im Jahr 2023 haben 500 Menschen dadurch ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten." Es entlaste es die Stadt Köln nachweislich auch finanziell. "Die Menschen finden schneller Arbeit und Wohnungen, was nur mit einer Duldung sehr schwer ist", die Sozialsysteme würden dadurch erheblich entlastet. Zwan Karim, Leiterin der Flüchtlingsberatung der Caritas, fragte sich, "ob die Stadt Köln darüber nachgedacht hat, was es bedeutet, wenn bei der Flüchtlingsberatung gespart wird? Soll lieber verhindert werden, dass Menschen hier ankommen und sich integrieren? Ich hoffe sehr, wir bleiben sozial."

Ausgewogener beurteilt Ulli Volland-Dörmann, Sprecherin der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände in Köln, den Haushaltsentwurf. "Man erkennt an Etatpositionen zur Kinder- und Jugendarbeit oder auch zur Seniorenarbeit, dass die Verwaltung wirklich um tragfähige Lösungsvorschläge gerungen hat, die dem politischen Anspruch des Gestaltungsbündnisses, keine soziale Infrastruktur für die Kölnerinnen und Kölner zu zerschlagen, dem Grunde nach gerecht werden könnte", sagt die Kölner Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt (Awo). "Wie immer liegt aber die Tücke im Detail: Es fehlt die durchgängige Refinanzierung der Tarifkostensteigerungen und es entfallen einige Angebote und Dienstleistungen, die richtig weh tun."

Die freie Wohlfahrtspflege werde "in den kommenden Wochen deutlich machen, wo das soziale und solidarische Köln gefährdet sein könnte, damit die finanzielle Zeitenwende, wie von OB und Kämmerin heute formuliert, eine Zeitenwende wird, die dazu beiträgt, dass Köln weiterhin eine vielfältige und lebenswerte Stadt bleibt, damit auch Zuversicht und nachhaltige Perspektiven für die Menschen vermittelt wird".

Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagte: "Gemeinsam werden wir die Finanzen der Stadt so aufstellen, dass Köln – trotz schwieriger Lage – für die Zukunft sicher aufgestellt ist." Es sei nicht selbstverständlich, dass die Kämmerin einen genehmigungsfähigen Haushalt eingebracht hat. Die finanzielle Lag der Stadt sei herausfordernd. Martin betonte, dass damit eine Haushaltssicherung durch die Aufsichtsbehörde abgewendet werde, Köln bleibe handlungsfähig und könne selbst über die eigenen Geschicke entscheiden. "Es ist aber auch klar, dass es Konsolidierungen geben wird", sagte sie.

Haushaltsentwurf: "Finanzielle Lage ist sehr angespannt"

Für die SPD sei klar: auch in finanziell herausfordernden Zeiten dürfe Köln sein soziales Gesicht nicht verlieren, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Joisten. Es komme auf die richtigen Schwerpunktsetzungen an. "Pauschale Kürzungen an der sozialen Infrastruktur wie zum Beispiel die Streichung des Anonymen Krankenscheins, bei der Förderung der Bürgerzentren oder gar dem Wegfall von Begegnungsräumen in benachteiligten Stadtteilen schaden dem sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt." Weitere Schwerpunkte sieht die SPD in der Stärkung der Verkehrsinfrastruktur und der Sicherung von Arbeitsplätzen. Joisten sagte: "Die finanzielle Lage ist sehr angespannt. Das gehört zur Wahrheit dazu." Besonders im Fokus stünden für die CDU in der Analyse des Etats die unverändert hohen Defizite der städtischen Kliniken und der KVB sowie die dramatisch gestiegenen Pflichtausgaben im sozialen Bereich, wie etwa die wirtschaftliche Jugendhilfe.

Bernd Petelkau, Vorsitzender der CDU-Fraktion, sagte: "Der Entwurf macht deutlich, dass die Stadt Köln kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem hat." Petelkau weiter: "Für die CDU-Ratsfraktion bleibt es wichtig, dass es zu keinen Strukturverlusten bei den freiwilligen Leistungen kommt." Das betreffe insbesondere die freie Kulturszene und auch soziale Projekte wie Seniorennetzwerke. Weiter voranschreiten soll nach Meinung der CDU auch die Sanierung maroder Kulturbauten und Verkehrsinfrastruktur. Jennifer Glashagen, Fraktionsvorsitzende von Volt, sagte: "Angesichts der angespannten Finanzen sowie der anstehenden Herausforderungen sind wir bereit, Posten zu hinterfragen und nachzubessern." Und das möglichst schnell, man will Planungssicherheit schaffen.

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Volt sieht die freien Träger unter anderem in der Sozial- und Jugendarbeit in Köln durch die geplanten Kürzungen im Landesetat zusätzlich belastet. "Als Kommune können wir die geplanten Einsparungen im Landesetat in Millionenhöhe natürlich nicht kompensieren", sagte Glashagen. "Die Landesregierung macht unsere Aufgabe, ein breites soziales Angebot in unserer Stadt aufrechtzuerhalten, ungleich schwieriger und wichtiger."  © Kölner Stadt-Anzeiger

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