Es gibt nicht die eine Erklärung für den Lauf-Boom, der den Marathon-Veranstaltern 2024 nach Jahren der Flaute, die schon lange vor der Corona-Pandemie begann, deutliche Zuwachsraten beschert hat.
Aber es gibt Erklärungsversuche, warum der Laufsport die Massen bewegt, und seine ganz eigene Faszination entfaltet.
Nehmen wir den 26. Köln-Marathon im Oktober. Wohl nur beim Laufen ist es möglich, dass Waldemar Kling, mit seinen 84 Jahren ältester Teilnehmer, bei seinem Halbmarathon-Zieleinlauf den gleichen Jubel wie der Marathonsieger Demeke Tadesse aus Äthiopien genießen darf. Weil nämlich beide im Abstand von weniger als einer Minute durchs Ziel laufen: Demeke nach 2:12:37 Stunden, Kling nach 3:22:06 Stunden. Das katapultierte ihn im Gesamtklassement des Halbmarathons auf Platz 7913 bei den Männern und sorgte dafür, dass alle Kameras auf ihn gerichtet waren.
Köln verzeichnet ein Marathon-Plus von 50 Prozent
Von den 15 größten Marathonläufen in Deutschland erreichten zwölf ein Teilnehmerplus von mindestens 20 Prozent. Der Köln-Marathon lag mit plus 50 Prozent deutlich über dieser Quote, Bonn mit plus 40 Prozent ebenfalls. Köln ist mit 5619 Finishern auf Platz 4 der deutschen Rangliste geklettert. Mit deutlichem Rückstand auf Berlin, Hamburg und Frankfurt, aber wieder vor München. Das geht aus einer Auswertung von HDsports hervor.
Danach erreichten zum ersten Mal seit 15 Jahren bundesweit wieder mehr als 100.000 Marathonläufer ihr Ziel, davon mehr als 54.000 allein beim 50. Berlin-Marathon im September.
Und noch nie gab es so viele Läuferinnen, die sich auf das Abenteuer einließen, 42,195 Kilometer zu Fuß zu bewältigen. Sie sind zwar weiter in der Minderheit, aber ihr Anteil liegt mittlerweile bei 24 Prozent – das ist ein historischer Höchstwert.
Historischer Höchstwert bei den Läuferinnen
Ein weiterer Trend: "Wir sind 2024 im Vergleich zum Vorjahr deutlich jünger geworden", sagt Markus Frisch, Geschäftsführer der Kölner Ausdauersport GmbH. "Die meisten Anmeldungen verzeichnen wir in der Altersklasse der 20- bis 30-Jährigen. Vergangenes Jahr war das noch die Gruppe zwischen 40 und 45."
Beim Köln-Marathon ist man optimistisch, dass es weiter nach oben geht. Zur 27. Veranstaltung am 5. Oktober liegen schon mehr als 11.000 Anmeldungen vor, darunter knapp 3000 für den Marathon. Das ist eine Steigerung von 115 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Zehn-Kilometer-Distanz in Bonn: Teilnehmerzahl wurde wegen der Nachfrage verdoppelt
Auch bei den Veranstaltern des Bonn-Marathon am 6. April zeichnet sich eine Rekordbeteiligung ab. Knapp 8000 Läuferinnen und Läufer haben sich ihren Startplatz schon gesichert, davon werden 6000 beim Halbmarathon starten. Die Veranstalter haben die Plätze bei der beliebtesten der angebotenen Distanzen kürzlich auf 10.000 aufgestockt. In Bonn gibt es auch ein Zehn-Kilometer-Rennen, dessen Teilnehmerzahl wegen der hohen Nachfrage auf 3000 verdoppelt wird.
Nach fünf Jahren Pause wird Düsseldorf einen Neustart versuchen – am 27. April. Nach den durch Corona bedingten Ausfällen in den Jahren 2020 und 2021 sollte es 2022 eigentlich wieder losgehen, doch das Vorhaben wurde zum Fiasko. Der private Veranstalter sagte das Rennen mit Hinweis auf die Pandemie auf seiner Online-Plattform ab, die Teilnehmer blieben auf ihren Startgeldern sitzen und warten zum Teil bis heute auf die Rückerstattung. Diesmal ist die Düsseldorfer Sportagentur D.Sports verantwortlich, ein Ableger der städtischen Veranstaltungstochter D.Live.
"Wir können da leider nicht viel tun, weil wir nicht der Veranstalter waren und weder Zugriff auf die Teilnehmerdaten noch auf das Geld haben, das damals offenbar nicht zurückgezahlt worden ist. Da sind uns die Hände gebunden", sagt Sonja Oberem.
Die ehemalige deutsche Triathletin hat in der Vergangenheit schon bei der Organisation des Düsseldorf-Marathon mitgeholfen und ist jetzt als Renndirektorin für den Neustart verantwortlich.
"Düsseldorf im Frühjahr, Köln im Herbst. Da sehe ich keine Probleme"
"Ich freue mich sehr, dass der Sport wieder boomt. Laufen ist nun mal das Einfachste und Effektivste, was man an Sport machen kann. Das geht überall und immer. Es ist sehr gesellig und niederschwellig. Man kann auch anfangen, wenn man nicht fit ist, sucht sich ein paar Freunde und los geht's", sagt sie. "Heutzutage heißt das nicht mehr Lauftreff, sondern Community Run. Die schießen wie die Pilze aus dem Boden. An jeder Ecke, zu jeder Tages- und Nachtzeit wird gelaufen. In den verschiedensten Tempogruppen. Das ist nicht immer Marathon spezifisch, das muss es auch gar nicht sein."
Knapp 7500 Meldungen liegen für Düsseldorf 2025 vor. Damit sei man sehr zufrieden, weil die Zahlen von 2019 zu diesem Zeitpunkt schon übertroffen sind. "Für den Neustart wäre es super, wenn wir 3500 Marathonläufer hätten. Bei Halbmarathon wären 5000 schon ein großer Erfolg", sagt Oberem. Aus wirtschaftlicher Sicht seien zunächst drei Jahre durch das Engagement eines Hauptsponsors gesichert. Sonja Oberem ist sicher, dass sich Düsseldorf auf der Landkarte der größten deutschen Marathonläufe unter den ersten Zehn etablieren kann, selbst wenn das Rennen zeitgleich mit dem Hamburg-Marathon stattfindet. "Die waren darüber nicht ganz glücklich", räumt Oberem ein. Aber Hamburg laufe bei mehr als 11.000 Finishern in einer anderen Liga und sei eh schon ausgebucht. "Wir kommen uns nicht ins Gehege." Und was ist mit dem Konkurrenten Köln? "Düsseldorf im Frühjahr, Köln im Herbst. Da sehe ich keine Probleme." © Kölner Stadt-Anzeiger
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