Für die einen ist es unvorstellbar, an Weihnachten nicht in die Kirche zu gehen, für die anderen hat das Fest eher nichts mit Religion, sondern vor allem mit Familie zu tun.
Ob christlich oder nicht, der Großteil der Menschen in Deutschland feiert Weihnachten auf die eine oder andere Art. Mehmet Ücok (55) aus Siegburg erzählt, was Weihnachten für ihn als gläubigen Moslem bedeutet und wie er die Feiertage verbringen wird.
"Weihnachten ist eine Zeit, wo Menschen mit dem Herzen denken und mit der Seele schauen", sagt Mehmet Ücok strahlend. "Die Menschen feiern zusammen und beschenken sich, und wir feiern mit unseren christlichen Freunden. Religiöse Feste soll man nicht alleine feiern."
Mehmet Ücok aus Siegburg: Gemeinsames Fastenbrechen, gemeinsame Adventsfeiern
Als Zehnjähriger kam Mehmet Ücok, der in der Türkei geboren ist, nach Deutschland. Seit 23 Jahren lebt er mit seiner Familie in Siegburg, er hat drei Söhne. Ücok hat im Rhein-Sieg-Kreis bereits zwei Vereine gegründet: Das Bonner Bildungs-Center, das Integrations- und Alphabetisierungskurse anbietet, und das Kunst und Bildungsforum Bonn-Rhein-Sieg (KuBiFo).
Ziel des KuBiFo ist die Förderung kultureller Vielfalt. Neben Sprachkursen, Kunstprojekten, Kochkursen und vielem mehr gehört auch das gemeinsame Feiern religiöser Feste zum Programm der Siegburger Kultureinrichtung.
"Wenn ich zum Beispiel das Opferfest feiere, möchte ich diese Erfahrung gerne auch mit meinen nicht-muslimischen Freunden teilen, die das mal erleben möchten. Genauso schön ist es, mit meinen christlichen Freunden Weihnachten zu feiern", sagt Ücök. In diesem Jahr habe das Team des KuBiFo 27 Mal das Fastenbrechen während des Ramadan mit externen Gästen gefeiert: "Verschiedene Organisationen, Schulklassen, der Bürgermeister waren dabei. Das war immer so eine tolle Stimmung", erinnert Mehmet Ücok sich freudestrahlend.
Gemeinsam mit der evangelischen Kirche an der Sieg in Hennef feierte die muslimische Gemeinschaft rund um das KuBiFo in diesem Jahr den ersten Advent. "Wir waren zur Hälfte Muslime und zur Hälfte Christen in der Kirche", so Mehmet Ücok. Nach einem gemeinsamen Gottesdienst saßen die Besucherinnen und Besucher noch lange zusammen, es seien schöne und tiefgründige Gespräche entstanden.
Am 24. Dezember sind die Siegburger bei christlichen Freunden eingeladen
"Es war eine christliche Veranstaltung, zu der wir unsere muslimischen Freunde eingeladen haben – so wie sie uns auch schon zum Fastenbrechen eingeladen haben", sagt Gerd Quadflieg, Pastor in der Kirche an der Sieg. Quadflieg und Ücok sind seit über zwei Jahren eng befreundet. Den 24. Dezember werden sie gemeinsam verbringen.
"Gerd hat uns und zwei andere muslimische Familien am Heiligabend zu seiner Familie eingeladen - das ist für uns etwas ganz Besonderes", sagt Ücok voller Vorfreude. "Wir haben an Weihnachten immer gerne Menschen eingeladen, mit denen wir eine Verbindung haben", so Gerd Quadflieg, "Mehmet und ich sind nicht nur Freunde, wir teilen auch einfach menschliche Ideale. Uns verbindet das Leben nach dem Glauben."
"Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel wir gemeinsam haben", sagt Mehmet Ücok, "natürlich, die Feste heißen anders und laufen teilweise anders ab, aber es gibt so viele ähnliche Grundprinzipien und Ideale. Mit den Unterschieden können wir uns gegenseitig bereichern."
Ücoks Kollegin Öznur Karaboyun musste vor sechs Jahren wegen Verfolgung durch die AKP-Regierung mit ihrer Familie nach Deutschland flüchten. In der Türkei war sie Physik- und Chemielehrerin, heute gibt sie im KuBiFo Deutschkurse für Geflüchtete. "Weihnachten ist für uns kein großes Familienfest, aber wir sitzen im kleineren Kreis zusammen und beten zum Anlass der Geburt von Jesus", sagt Karaboyun, "Er ist für uns ja auch ein sehr wichtiger Prophet." An Neujahr komme dann die Großfamilie zusammen, um gemeinsam für das kommende Jahr zu beten und zu feiern.
Weihnachten sei für ihn ein wichtiger Teil des Jahres, sagt Mehmet Ücok: "Im Bonner Bildungscenter hatten wir letzten Freitag unsere Weihnachtsfeier, von beiden Vereinen verschicken wir jedes Jahr Weihnachtskarten. Und mein Sohn hat seinem Sohn jetzt einen Adventskalender geschenkt."
Der Großteil der gesetzlichen Feiertage in Deutschland hat einen christlichen Hintergrund. Viele Schulen und Arbeitgeber berücksichtigen dennoch auch Feste anderer Religionen, so Ücok, der in Köln bei Ford arbeitet: "Wir muslimischen Mitarbeiter machen auch immer gemeinsam Pause zum Beten. Auf unsere Feiertage wird oft Rücksicht genommen." © Kölner Stadt-Anzeiger
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