Wie war es im Oberbergischen in der Weihnachtszeit vor 50 Jahren, Ende 1974? Ein Blick in die Lokalzeitung von damals fördert manch Erstaunliches zu Tage.
Nicht zuletzt deshalb, weil uns ein ganzer Schwung an Themen, die Mitte der 1970er Jahre Schlagzeilen machten, heute sehr bekannt vorkommen. Eine kleine Auslese, getrennt in lokale und überregionale Artikel.
Straßen dicht
Nicht winterliches Wetter war der Grund dafür, dass in Gummersbach am Tag vor Heiligabend der Verkehr zusammenbrach, sondern einfach zu viel Verkehr. Von "chaotischen Verhältnissen" berichtete die Zeitung: "Die Hauptverkehrsstraßen durch die Stadt waren hoffnungslos verstopft. Der Grund: Die meisten Firmen in und um Gummersbach hatten ihren Mitarbeitern frei gegeben, und alle die, die ein Auto haben, wollten noch mal schnell vorm Fest ins Stadtzentrum." Gegen halb zwölf habe es in der City binnen kürzester Zeit gleich fünfmal gekracht.
Rezeptidee
"Wie wäre es an den Weihnachtsfeiertagen wieder einmal mit einem zünftigen Bauerngericht?", fragte ein Kollege im Lokalteil und berichtete in der Folge vom Besuch bei "Tante Lenchen" in der Ortschaft Rhein bei Morsbach. Die 75-jährige Lenchen Mauelshagen bereitete einen original "Riewe-Latz", ein dem Reibekuchen verwandtes Gericht. Zerriebene Kartoffeln, Eier und Salz wanderten in ein angewärmtes und mit Speck ausgelegtes "Kaströllchen", wie es hieß. Abends kamen viele Gäste aus dem Ort zum leckeren Schmaus.
Im Weihnachtswald
"Das Bäumchen selbst im Weihnachtswald geschlagen", lautete die Überschrift über einem Artikel, der davon handelte, dass viele Familien "mit Kind und Kegel" – insgesamt wohl 1000 Menschen – dem Ruf des Gummersbacher Bürgervereins gefolgt waren. In der Berstig hatte die Entwicklungsgesellschaft Gummersbach eine Parzelle zur Verfügung gestellt, und dort konnten die Interessierten "für ein kleines Entgelt" selbst ihren Weihnachtsbaum schlagen: "Es fanden an die 500 bis 600 Fichtenbäumchen ihre Besitzer. Karl Ernst Weyland und Paul Günter Wagner vom Vorstand des Bürgervereins hatten alle Hände voll zu tun und auch hilfreiche Mitarbeiter."
Der neue Oberbergische Kreis
Eine Woche nach dem 1. Weihnachtstag 1974, zum neuen Jahr also, wurde die Neugliederung des Kölner Raumes rechtskräftig und damit auch der neue Zuschnitt des Oberbergischen Kreises. "Nach Einwohnerzahl und Fläche wird damit die bisherige Rangfolge oberbergischer Kommunen eine Veränderung erfahren", hieß es am 27. Dezember in der Zeitung.
"Zwar bleibt Gummersbach mit an die 49 000 Personen einwohnerstärkste Gemeinde, die größte Fläche besitzt aber schon Wipperfürth. Nach der Einwohnerzahl ergibt sich folgendes Gefälle: Gummersbach, Radevormwald, Wipperfürth, Engelskirchen, Wiehl, Bergneustadt, Lindlar, Reichshof, Waldbröl, Hückeswagen, Marienheide, Nümbrecht und Morsbach."
Polizeimeldungen
Auf der gleichen Seite kündeten drei Polizeimeldungen von folgenreichen Unfällen; die Überschriften könnten so auch heute im Lokalteil stehen und Unfallhergänge könnten sich so auch heute ereignen: "Mofafahrer verunglückt", "Alter Mann in Lebensgefahr", "Fußgängerin schwer verletzt".
Prosit 1975
Edelstolz warb in einer großen Anzeige unter dem Motto "Prosit 1975" für Leckereien zum Jahreswechsel: 500 Gramm Bananen für 39 Pfennig, deutscher Sekt (Rüttgers Club) für 3,99 DM und gefrostete Schweineschnitzel für 4,68 DM pro 500 Gramm. Und bratfertige Hähnchen gab's für 2,79 Mark.
Alle Jahre wieder . . .
Frappierend groß ist die Anzahl der überregionalen Schlagzeilen und Themen am 24. und 27. Dezember 1974, die uns auch heute umtreiben.
Überschriften wie "Hartmannbund spricht von Ärztemangel", "Goldpreis ging auf neue Spitze" oder "Heilige Nacht im Schutz der Maschinenpistolen" (über einem Bericht aus Israel) könnten genau so heute erscheinen. Auch chinesische Muskelspiele ("In Maos Reich werden die Frauen zu streitbaren Amazonen gedrillt") blieben nicht unerwähnt.
Der Ost-West-Konflikt hatte in Zeiten einer deutsch-deutschen Grenze natürlich noch mal einen ganz anderen Stellenwert und mehr Sprengkraft als heute: "Im Grenzgebiet zur DDR in der Nähe von Gartow im Kreis Lüchow-Dannenberg sind durch das Elbe-Hochwasser schon sieben Minen gefunden worden. "
Steigende Energiepreise durften in der Berichterstattung nicht fehlen: "Ruhrkohle ab 1. Januar teurer – Preise steigen durchschnittlich um mehr als zehn Prozent", hieß es. Die Ruhrkohle AG wollte so zu Erträgen kommen, "die es ihr ermöglichen, die leistungsfähigsten Bergwerke in Westeuropa zu bleiben. Diese Leistungsfähigkeit habe bisher die deutschen Stahlwerke und die Elektrizitätswerke vor Versorgungsengpässen bewahrt".
Vom "Zeitalter der Kirchenaustritte" war bereits 1974 die Rede (Überschrift: "Für wen läuten noch Glocken?"), ebenso findet sich der (latent kritische?) Hinweis auf moderne Kommunikation: "In einer Zeit, in der man weniger Grußkarten und Briefe zu den Festtagen schreibt, werden die guten Wünsche per Telefon gewechselt."
Unternehmenspleiten waren ebenfalls Thema: "Rund 2000 mittelständische Unternehmen in NRW haben in diesem Jahr nach einer Übersicht der CDU-Opposition im Landtag Pleite gemacht."
Und das Wetter? War natürlich wie immer ganz und gar unweihnachtlich: "Regen und Frühlingsluft bescherten ,grünes' Fest – Erste Schneeglöckchen blühen." © Kölner Stadt-Anzeiger
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