Auch auf die Gefahr hin, in eine Fettecke zu treten, muss ich gestehen, dass mir bislang entgangen ist, um welchen Schatz es sich bei dem Skelett-Strichmännchen handelt, das eine hässliche Mauer des Schnütgen-Museums ziert und jetzt aus Versehen von einer Anti-Graffiti-Kolonne der Abfallwirtschaftsbetriebe zu großen Teilen entfernt wurde.

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Ist es doch eines der letzten noch erhaltenen Knochenmänner des inzwischen weltberühmten Schweizer Künstlers Harald Naegeli, der in den 1980er Jahren eine ganze Armee dieser tanzenden "Tödleins" natürlich illegal an alle möglichen Betonwände im lebenslustigen Köln sprühte und wohl längst als kölscher Banksy gefeiert würde, hätte man sie damals nicht konsequent entfernt, weil man sie für Schmierereien hielt.

Knochenmann war eine Auftragsarbeit

Ein Schicksal, das den Baumgärtel-Bananen und den Müllmenschen eines HA Schult erspart geblieben ist. Auch wenn jetzt viele aufstöhnen werden, Baumgärtel und Schult in einem Atemzug mit Harald Naegeli auch nur zu erwähnen.

Nun ist das wohl letzte Exemplar der Knochenmänner leider kein echter Illegaler, sondern eine Auftragsarbeit für einen ehemaligen Schnütgen-Direktor, gesprüht auf eine zugemauerte Kirchentür von St. Cäcilien. Deshalb muss die Frage erlaubt sein, ob ein ohne jedes Risiko legal gesprühtes Graffiti nicht ein Widerspruch in sich ist.

Für die Kölschen nicht. Im Gegenteil. Sie sind sogar bereit, gleich zwei Paragrafen ihres Grundgesetzes zu opfern, um die Restaurierung der an Schwindsucht leidenden Figur möglich zu machen. "Wat fott es, es fott" und "Nix bliev wie et wor". Bedürfte es dafür einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Stadtrat, sie würde problemlos zu beschaffen sein.

Aber warum eigentlich? In einer Kunstwelt, in der das sich selbst vernichtende Banksy-Werk "Girl With Balloon" seinen Wert fast mehr als verdreifacht hat, müsste der "Kölner Totentanz", von dem nur noch Kopf und Hände existieren, doch auch einen Kunst-Liebhaber finden, der bereit ist, ein hübsches Sümmchen für einen Knochenmann auf den Tisch zu legen, der sich um ein Haar ins Nichts aufgelöst hätte. Samt Türrahmen natürlich, den er zusammenzuhalten scheint.

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Die Kölner Kultur kann jeden Euro gebrauchen, schließlich wächst in unmittelbarer Nachbarschaft an der Nord-Süd-Fahrt seit Jahren ein gigantisches Kunstwerk heran. Ein Baudenkmal, das als Fass ohne Boden in die Stadtgeschichte eingehen wird und an dessen Finanzierung sich jeder Mensch ohne Ansehen von Stand und Geschlecht in den Reigen der Geldgeber einreihen muss. Wie bei den Totentänzen im Mittelalter. Die Kölner Oper.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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